Tag 35 // Tag 32

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Tag 35

Ich wachte auf als mir jemand über das Gesicht strich. Ich blinzelte und sah Kyle ins Gesicht. Er lächelte mich warm an. Und dann begann ich zu lachen.

»Was ist?«, fragte Kyle verständnislos.

»Nichts. Nur ... ich liege hier auf einem Pick Up auf irgendeinem Festival unter dem freien Himmel mit Kyle Thompson. Das ist einfach nur verrückt.«

»Verrückt ist gut«, sagte er und schlang die Arme um mich. Und dann küsste er mich.

Vielleicht gewährte man mir heute einen Tag in Frieden. Vielleicht saßen in diesem Moment der Sensenmann und Gott beieinander und haben einstimmig beschlossen, dass ich einen guten Tag verdient habe.

Kyle und ich beobachteten, wie nach und nach alle aus ihren Zelten krochen. Jack und seine Kollegen hatten in den Zelten unserer Nachbarn geschlafen. Nathalie kam alleine aus ihrem Zelt. Sie sah furchtbar aus, war aber bester Laune.

»Guten Morgen!«, rief sie enthusiastisch. Kyle und ich sahen uns fassungslos an. Dann bemerkte ich, wie sich Kyles Gesichtsausdruck wandelte, und ich legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm.

»Die Nacht im Freien hat mir ohnehin besser gefallen. Und komm schon, es ist Nathalie. Entweder du liebst sie oder du hasst sie«, sagte ich. Kyle sah mich vielsagend an, aber ich lächelte warm. »Ich weiß, dass du sie nicht hasst. Sie hat auch dein Leben aufregender gemacht.«

Nach unserem bescheidenen Frühstück liefen wir wieder über das Gelände. Überall war etwas los. An der einen Ecke konnte man sich temporäre Glitzertattoos auf die Haut kleben lassen, an einer anderen Ecke konnte man Klamotten tauschen. Nat zog mich und Maya zu dem Stand. Auf einem Schild stand, dass man Kleidungsstücke seiner Wahl gegen neue eintauschen konnte. Maya und ich sahen uns an und dann wühlten wir uns wie Nathalie durch die Ständer.

»Lasst uns was ganz Neues ausprobieren«, schlug da Maya vor und zog ein Bandshirt einer Rockband aus den 80er hervor. Sie hielt es vor sich, und grinste uns an. Nat lehnte sich gegen einen Ständer und nickte anerkennend.

»Nicht schlecht«, kommentierte sie. Maya strahlte uns an, suchte nach einer geeigneten Shorts. Und auch ich machte mich wieder an die Arbeit.

Drei Stangen und unzählige Kleiderbügel später fand ich ein weißes sommerliches Kleid mit beiger Spitze. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal etwas Helles getragen hatte. Das war meine Zeit als Jolina. Dann kam der Tumor und ich wurde zu Jo. Und weißes blumiges Zeug war nicht länger mein Stilfavorit. Der Tumor hatte mich in ein Loch gestürzt und ich war der Meinung, dass es nichts Frohes mehr in meinem Leben gäbe. Und das brachte ich auch mit meinen Klamotten zum Ausdruck. Aber ich war nicht länger Jo. Ich war Jolina Gray.

Und ohne groß weiter darüber nachzudenken, zog ich das Kleid vom Bügel.

Nathalie steckten wir in einen Countrystyle. Mit karierter Bluse und Bluejeans. Ich wollte sie überreden, einen Cowboy-Hut aufzusetzen, aber sie weigerte sich strikt.

Nach einer halben Stunde traten wir vor die Jungs. Maya als Rockergirl. Sie sah unglaublich gut aus. Tough und wild und ausnahmsweise mal wie das coole Mädchen, das sie war und nicht wie das stille Mauerblümchen, das alle in ihr sahen.

Nathalie sah aus wie ein Cowgirl, das sich im nächstbesten Moment auf ein Pferd schwang. Aber ich musste zugeben, dass auch dieser Look ihr unglaublich gut stand.

Und ich? Ich sah seit langer Zeit mal wieder mädchenhaft aus. Gesund. Hübsch.

Logan und Kyle waren sprachlos und das war wohl das beste Kompliment, das wir hätten bekommen können.

The Bucket ListWo Geschichten leben. Entdecke jetzt