Nevilles Geheimnis

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"Da darf ich als Mädchen eigentlich nicht hoch", sagte ich. Harry, Ron und ich standen am Treppenaufgang zu den Schlafsälen der Jungen, wobei Harry schon hinter der Biegung der Wendeltreppe verschwunden war und Ron etwa 5 Stufen über mir stand. Die Jungs wollten mir scheinbar dringend etwas zeigen und ich sollte deshalb mit ihnen nach oben kommen.
"Ariane! Wie oft hälst du dich an Regeln?!", fragte Ron.
"Wohl zu selten", murmelte ich und stieg zu Ron hinauf.
"Kommt ihr?", rief Harrys Stimme von oben.
"Ja!", brüllte Ron zurück.
"Dann geh auch!", sagte ich grinsend zu Ron, der immernoch an Ort und Stelle stand. Der warf mir einen halb wütenden Blick zu und rannte die Treppe hoch. Ich folgte.
Im Schlafsaal der Jungen hatte Harry seinen Koffer unter dem Bett hervorgeholt und klappte ihn auf.
"Sieh dir das an!", sagte er und hielt mir einen glatten, silbernen Stoff hin. Es war ein Umhang. Ich nahm ihn und musterte ihn.
"Der ist hübsch", sagte ich. Ron prustete los und ich sah ihn komisch an.
"Zieh ihn an!", sagte Harry, der ebenfalls ein Grinsen auf dem Gesicht hatte. Ich runzelte die Stirn und legte mir den Umhang um die Schultern. Im nächsten Moment wusste ich genau, warum beide Jungen gelacht hatten. Mein Körper war verschwunden.
"Das ist ein Tarnumhang", erklärte Ron, als ob ich das nicht auch erkannt hätte.
"Klar ist es das", sagte ich. "Aber Harry, von wem hast du ihn?"
"Keine Ahnung, es lag nur dieser Zettel dabei", sagte Harry und reichte mir ein Pergament. Ich sah es an und musste augenblicklich grinsen.
"Wieso nur habe ich das Gefühl, diese Schrift zu kennen?", fragte ich sarkastisch und die Jungs sahen mich erstaunt an.
"Dieser Zettel kommt von Albus Dumbledore. Oder von jemandem, der seine Schrift erstaunlich gut fälschen kann und sich auch noch wie er ausdrückt", sagte ich und wies auf die Worte "Gebrauche ihn klug".

Ich stand vor dem Kamin in Albus' Büro. Es war halb 3, ich hatte mich von den Anderen verabschiedet und war bereit zur Abreise.
"Wir sehen uns in einer Woche", sagte Albus lächelnd und ließ mit einem Schnippen seines Zauberstabs meinen Koffer in den Kamin schweben. Ich trat ebenfalls in die Flammen, in denen bereits das vom Flohpulver grüne Feuer knisterte, winkte Albus zu und sagte laut:"Juan-Ealthy Road 14, Bounton!"
Alles begann, sich zu drehen und ich schloss die Augen, die Hand um den Koffer geklammert, bis ich unsanft auf einen Untergrund knallte. Ich schlug fast im selben Moment die Augen auf und sah einen blau - roten Teppich, auf dem ich gelandet war. Ich rappelte mich auf und blickte in ein gemütliches Wohnzimmer mit alt aussehenden Ohrensesseln und einem dazugehörigen Sofa. Alles war um einen Tisch gruppiert, auf dem einige Teetassen, eine Kanne und ein Teller mit Plätzchen standen. Farblich überhaupt nicht passend war hingegen der große, grüne Hut mit einem ausgestopften Geier. Dieser saß auf dem Kopf einer streng aussehenden, alten Dame, die mir entgegensah. Genauso ein blonder Junge, der auf dem Sofa saß.
"Hi, Neville! Guten Tag, Mrs Longbottom", sagte ich und löste die entstandene Spannung auf.
"Hi, Ariane", sagte Neville. Seine Oma nickte nur und bedeutete mir, mich zu setzen.
"Du kannst dir gerne etwas von den Plätzchen nehmen, und möchtest du Tee?", fragte Mrs Longbottom mich, als ich mich etwas zögernd neben Neville gesetzt hatte.
"Gerne, vielen Dank", sagte ich im Versuch, etwas höflicher zu wirken.
"Neville hat sich ja so über dieses Abo gefreut, nicht wahr, mein Enkel?", sagte Mrs Longbottom. Ich sah Neville an, dass er am liebsten im Erdboden verschwunden wäre, als er rot wurde und nickte.
"Freut mich, ich habe mir schon fast gedacht, dass das eine gute Idee war", sagte ich, als hätte ich nichts bemerkt. Neville sah mich recht dankbar an und lächelte verlegen. Ich nippte an meinem Tee und sah zu Mrs Longbottom, die erneut zu reden begann:"Du bist auch in Nevilles Jahrgang, oder? Wir waren ja so stolz, dass er es nach Gryffindor geschafft hat. Wir dachten schon, er kommt vielleicht nach... Aber nun, er ist ja in Gryffindor."
"Egal in welches Haus er gekommen wäre, es hätte ihm dort gut gefallen. Ich halte nichts davon, Vorurteile vor anderen Häusern zu haben. Klar ist Slytherin wegen den ganzen Todessern nicht gerade mein Lieblingshaus, aber es gibt da auch echt nette Leute. Die lernt man aber nur so kennen, wenn man nicht in einem anderen Haus ist und sie wie Dreck behandelt", sagte ich mit Nachdruck. "Und ich habe gehört, dass der Hut bei Neville zwischen Gryffindor und Hufflepuff geschwankt hat, aber wäre er in Hufflepuff gewesen, hätten das auch alle respektiert."
"Natürlich", sagte Mrs Longbottom, auch wenn sie gar nicht danach aussah. "Neville hat mir von deiner Einstellung schon berichtet."
Sie blickte zu ihrem Enkel, der gerade ein Plätzchen aß.

Ein wenig später hatte Mrs Longbottom Neville angewiesen, mir mein Zimmer zu zeigen. Es lag neben Nevilles eigenem und ich teilte ein Bad mit ihm. Aber aus Hogwarts war ich es schon gewohnt, ein Bad zu teilen, daher machte es nichts. Das gesamte Haus war recht altertümlich eingerichtet und auf den Fluren waren Fliesen gelegt, während in den Zimmern überwiegend Parkett war, auch wenn eigentlich überall Teppiche den Boden verdeckten. Mein Zimmer war geräumig und hatte ein Doppelbett, weshalb ich annahm, dass es das Gästezimmer war. Auf beiden Seiten des Betts standen Nachttische, auf denen ich meine mitgebrachten Bücher platzierte, und es gab einen großen Schrank aus dunklem Holz, dessen Tüten laut knarzten, als ich meinen Koffer hineinlegen wollte. Es war sehr gemütlich und den Abend verbrachte ich mit Neville an meinem Fenster sitzend und wir unterhielten uns über alles mögliche.
"Was weißt du eigentlich über deine Eltern?", fragte ich Neville. Er lebte ja bei seiner Oma und ich fragte mich schon seit einiger Zeit, was mit seinen Eltern passiert war. Neville sah nur peinlich berührt zu Boden.
"Ich weiß doch gar nichts über meine Eltern, ich weiß, wovon du redest!", sagte ich.
"Du ... weißt wirklich gar nichts?", fragte Neville.
"Nein, nichts. Aber ich habe ja Albus, also keine Sorge", sagte ich.
"Ich ... meine Eltern ... wurden angegriffen", begann Neville, scheinbar nach den richtigen Worten suchend. "Von einigen Todessern. Eine davon war Bellatrix Lestrange." Ihm schauderte es. "Sie haben sie gefoltert. Sie wollten ❓, aber Mum und Dad haben nicht nachgegeben. Sie haben sie gefoltert, bis ihr Gedächtnis so geschädigt war, dass sie mich nicht mehr erkennen. Sie erkennen gar nichts mehr."
"Tut mir Leid", sagte ich mitfühlend und fragte mich, ob es nicht besser war, gar nichts von seinen Eltern zu wissen, als sie zu kennen, ohne dass sie einen erkannten.
"Sie sind im St. Mungo", sagte Neville traurig.
"Warst du schon da? Zu Weihnachten?", fragte ich.
"Ja, gestern. Mum ... Sie hat mir das geschenkt", sagte Neville und zog aus seiner Tasche ein Papier eines Schokoladenriegels. Neville betrachtete es und ich sah seine Augen leicht glitzern.
"Dann mag sie dich doch", sagte ich aufmunternd. Neville nickte und lächelte leicht, während wir schwiegen.
"Wie viele Leute wissen davon?", fragte ich Neville. Er zögerte.
"Naja, keiner außer denen, die es damals mitbekommen haben. Und dir", sagte er dann. Wir sahen hinaus in den Schnee.
"Fröhliche Weihnachten, Neville!", sagte ich.

Ariane Dumbledore (Hp)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt