Kapitel 72

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Kapitel 72

Die nächsten Tage verbringe ich bei meinem Vater. Dumbledore ist nach Hogwarts zurückgekehrt, nachdem das Ministerium eingesehen hat, dass es Mist gebaut hat und hat mich ohne zu zögern für die nächste Woche freigestellt.

Es ist schwer, Remus zu irgendetwas zu motivieren. Die meiste Zeit liegt oder sitzt er auf der Couch oder verschwindet in seinem Schlafzimmer. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich an seiner Tür lausche und bei jedem Schluchzen oder Schniefen, dass mir dabei an meine Ohren dringt, zieht sich mein Inneres zusammen. Auch Tonks lässt er nicht an sich ran. Heute hat sie es wieder versucht und tatsächlich konnte ich Dad davon überzeugen, mit ihr eine Runde spazieren zu gehen.

Während die beiden an der frischen Luft sind, sitzen Fred und ich zusammen am Küchentisch. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, eine Trauerfeier für Sirius zu organisieren und Fred hilft mir bei den Einladungen. Auch wenn wir wissen, dass das Leben weitergehen muss, ist die Stimmung immer noch viel bedrückter als sonst. Fred hält sich mit seinen Scherzen deutlich zurück und ich muss mich stark zusammenreißen, dass ich nicht jedes Mal, wenn ich Sirius' Namen lese, anfange zu weinen. Ab und an überkommt es mich – einer der Gründe, warum ich meinen Vater rausgeschickt habe; ich möchte nicht, dass er noch tiefer sinkt und zu stark daran erinnert wird.

„George bestellt liebe Grüße.", erwähnt Fred, als er einen Umschlag mit einer Karte füllt. „Er ist immer noch am Kisten ausräumen. In zwei Wochen ist Eröffnung." Ich schenke ihm ein warmes Lächeln. „Oh, danke. Wow... ich kann es noch gar nicht glauben, dass ihr jetzt euren eigenen Laden auf macht. Hat mit dem Sortiment alles geklappt?" Fred nickt und klebt den Umschlag zu. „Mit einem Lieferanten gab es Probleme, er hat ein paar unserer Bestellungen durcheinandergebracht – aber dadurch haben wir einen großen Rabatt bekommen, darum ist das für uns eigentlich eher gut gelaufen." Er schmunzelt und reicht mir den Umschlag, den ich entgegennehme und mit der Adresse der Weasleys versehe. „Glück gehabt.", lächle ich und lege den Umschlag auf den Stapel mit fertigen Briefen.

„Wie geht es Remus?", fragt Fred vorsichtig und ich seufze und raufe mir mit einer Hand die Haare. Er rutscht näher an mich ran und legt seine Hand auf meine freie. „Es geht...", erwidere ich ihm und verziehe das Gesicht. „Er sollte bald mal vom Spazieren wiederkommen – ich hoffe ich muss mir keine Sorgen machen. Aber generell... Naja... Ist es eher schwierig. Er isst nicht viel und unterhalten habe ich mich auch seitdem nicht richtig. Ich hoffe, dass die Trauerfeier ihm wieder ein bisschen Halt geben kann, wenn er sich richtig von ihm verabschieden kann... Oder Tonks vielleicht ein Wunder bewirkt." Er nickt und drückt meine Hand unterstützend. „Er wird schon wieder... Du machst das klasse. Wie du dich um ihn kümmerst und das alles organisierst." Ich lehne mich an seine Schulter und lasse mich von ihm umarmen. „Und nächste Woche ist auch noch Vollmond." Er küsst mich auf die Schläfe und ich atme tief aus.

Dann setze ich mich wieder auf. „Weiter geht's.", seufze ich und nehme mir meine Feder wieder zur Hand. Fred bewegt sich nicht und schaut mich für einen Moment stumm an. Als ich zu ihm aufschaue, schenkt er mir ein trauriges Lächeln und dreht sich dann auch wieder den Umschlägen zu.

„Mum wird sich sicher freuen Onkel Ignatius wiederzusehen.", bemerkt Fred, als er die Karte für Ignatius Prewett ins Licht hält – Mollys und Sirius' gemeinsamen Onkel. „Auch wenn sie sich wahrscheinlich einen schöneren Anlass vorgestellt hat.", fügt er leise hinzu. Ich erhebe meinen Blick bei seinen Worten. Bei dem Namen klingelt etwas bei mir und ich muss schlucken. Plötzlich fällt mir etwas ein, das mein Vater mir vor Jahren von meiner Mutter erzählt hatte. Ich habe es nie Fred erzählt – irgendwie ist es nie dazu gekommen... Um kein Aufsehen zu erregen, senke ich schnell wieder den Blick. Ein anderes Mal.

Ich vollende die letzte Adresse und stelle den Federkiel in seine Halterung zurück. „Fertig.", kommentiere ich mein Werk und lehne mich zurück. „Soll ich die Briefe mitnehmen? Ich kann sie auf dem Heimweg bei der Eulenpost in der Winkelgasse vorbeibringen." Ich atme laut aus. „Das wäre super! Danke." Ich schenke ihm ein Lächeln, lehne mich zu ihm vor und küsse ihn auf die Wange. „Für dich immer." Er lächelt ebenfalls und zieht mich am Handgelenk auf seinen Schoß. Ich lege meine Hände um einen Hals und lehne meine Stirn gegen seine. Tief durchatmend schließe ich die Augen und genieße den Moment. Er hält mich mit einer Hand an der Hüfte fest und streicht mir mit der anderen über die Wange.

Wir waren uns so lange nicht mehr so nah. „Ich liebe dich.", flüstert er in die Stille und mein Griff verfestigt sich. Ich entgegne ihm nichts, sondern vereine stattdessen unsere Lippen zu einem innigen und vielsagenden Kuss. Sichtlich erfreut zieht er mich ein Stückchen näher an sich heran und erwidert den Kuss. Erst jetzt wird mir richtig bewusst, wie sehr ich ihn und das warme Kribbeln im Bauch über die letzten zwei Monate vermisst habe. Er gibt mir ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit, was ich gerade sehr gut gebrauchen kann.

Als wir einen Schlüssel im Haustürschloss klappern hören, lassen wir voneinander ab und ich springe in einem Satz von seinem Schoß. „Dad.", murmle ich und bin mit einem Satz an der Tür, um sie im gleichen Moment zu öffnen, wie Tonks sie von außen aufdrückt. „Hi!", begrüße ich die beiden lächelnd, in der Hoffnung, meinem Vater ging es vielleicht etwas besser. Tonks ist so ein positiver Mensch – vielleicht hilft es ja. Ihre Haare leuchten in einem hellen Rosa und sie lächelt mir verlegen entgegen. „Hey.", erwidert sie und kratzt sich am Hinterkopf. Sie hält Remus die Tür auf, der ihr zunickt und dann den Flur betritt. „Hallo, Remus", erklingt es von hinter mir und ich drehe mich kurz zu Fred um, der im Küchen-Türrahmen lehnt. Mein Vater blickt zu ihm auf und schenkt ihm ein gebrochenes Lächeln und ein kratziges „Hallo". – „Konntest du den Kopf ein wenig frei bekommen?", frage ich ihn und nehme ihm seine Tweatjacke aus der Hand. Er antwortet mir einem Grummeln, gepaart mit einem Schulterzucken. Ich hänge die Jacke an die Garderobe und blicke auf, als Tonks sich zu Wort meldet. „Ich sollte dann mal wieder gehen. Es war schön euch zu-" Sie streckt ihren Arm zu mir aus, um mich zu umarmen, da wird sie auf einmal von meinem Vater unterbrochen. „Bleib." Wir schauen gleichzeitig zu ihm auf. „Bitte.", fügt er hinzu und auf meinem Gesicht macht sich ein zurückhaltendes Lächeln breit. Tonks senkt ihren Arm wieder, den sie in der Luft gehalten hatte, und schaut ihn überrascht an. „Ehm... Okay, ja. Wenn du das möchtest."

Ich schließe langsam die Haustür hinter ihrem Rücken. „Setzt euch ruhig ins Wohnzimmer, ich kann Tee machen.", biete ich an und mein Herz geht auf, als Dad tatsächlich nickt und vor geht. Tonks folgt ihm unschlüssig und wirft mir noch einen verwunderten Blick zu und zieht ihre Schultern dabei hoch. Ich lächle sie nur an und nicke in Richtung Wohnzimmer. Sie erwidert mein Lächeln und schlüpft erfreut durch die Tür.

Ich hebe meinen Blick zu Fred, der zufrieden dreinblickt. Ich gehe auf ihn zu und wir versinken in eine tiefe Umarmung. „Danke!", murmle ich und spüre sein Lächeln an meiner Wange.

Während das Teewasser vor sich hin brodelt, stehle ich mir noch einen Kuss von Fred, der an der Küchenzeile lehnt, ehe ich eine Kanne mit Teeblättern fülle und das kochende Wasser darauf gieße. Ich reiche Fred ein Tablett mit vier Tassen und gehe, die Kasse und Untersetzer in der Hand ihm voraus ins Wohnzimmer.

Dad und Tonks teilen sich die große Couch, also lassen Fred und ich uns auf der kleineren nieder. Ich verteile die Tassen, schenke Tee ein und ziehe dann, meinen Tee in beiden Händen, mein Bein auf die Sitzfläche, um es mir gemütlich zu machen. Fred lehnt sich zurück und legt seinen Arm um meine Schultern. Die beiden anderen sitzen so, dass zwischen ihnen noch glatt jemand Platz gehabt hätte und schweigen. Tonks sieht peinlich berührt aus, als sie an ihrem Tee nippt; Dad schaut abwesend zu Boden.

„Wann musst du denn eigentlich wieder zurück nach Hogwarts, Emilia?", fragt Tonks um das Schweigen zu brechen. „Dumbledore hat mich erstmal eine Woche freigestellt. Aber ob ich für die letzte Woche jetzt wirklich wieder hoch muss weiß ich nicht. Ich hab' gestern mit Hermine gesprochen, Dumbeldore hat ihnen auch frei gegeben, aber Hermine ist heute Morgen wieder zurück gefahren." Mein Vater lässt ein Schnauben hören und wir blicken ihn alle drei wie gebannt an. „Hermine...", murmelt er nur und schüttelt den Kopf. Dann fährt er mit seinen Händen durch sein Gesicht, atmet laut aus und stützt sich dann mit den Ellbogen auf seinen Knien ab, sein Gesicht auf seine Fäuste gestützt. Mein Blick trifft Tonks' und sie schaut mich zu gleichen Teilen verwirrt, aber auch erleichtert an. Wir sind auf dem Weg der Besserung.

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt