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Jungkook PoV

Nur noch eine Stunde...

Mein Blick fiel immer wieder auf die antike Uhr, oben an der Sitzecke, deren Zeiger immer langsamer zu werden schienen.

Es nervte mich alles, die Kunden, meine Mitarbeiter, ja selbst die Kaffeemaschine.

Ich wollte einfach nur noch raus hier, doch so einfach ging das wohl kaum. Eine Stunde musste ich noch aushalten, ehe meine Schicht zu Ende war. Eine Stunde und dann konnte ich ihn wiedersehen.

Es war fast beängstigend, wie sehr sich mein Herz nach ihm sehnte, selbst wenn mein Verstand dagegen war. Gegen das jämmerliche Ding in meiner Brust, konnte er eben nichts tun.

Das war nie so, das wird wohl nie so sein.

Mein Herz hatte bisher immer gesiegt, was mir aber keinesfalls immer Schönes eingebracht hatte. Man kann's unschwer an meiner Lebenslage erkennen.

Ja, ich war manchmal einfach zu nett zu den Menschen. Auch wenn sie mir weh taten oder mir nichts zurück gaben. 

Und nur dieses eine Mal war ich froh, um diesen Charakterzug. Denn ohne ihn, hätte ich Tae wohl kaum angesprochen. Wenn ich mich nicht immer um jeden kümmern wollte, wäre ich wahrscheinlich einfach an dem jungen Mann vorbei gelaufen, hätte mich nicht darum geschert, weshalb er weinte.

Doch ich entschied mich anders, sprach ihn an und so entwickelte etwas, was ich wohl nie für möglich gehalten hätte, schon gar nicht in dieser kurzen Zeit.

Etwas Besonderes, was ich selbst nicht ganz erklären konnte. Ich wusste nur, dass ich am liebsten jede Sekunde mit ihm verbringen wollte und das für den Rest meines Lebens.

Okay, vielleicht war das ein wenig übertrieben und irgendwie erinnerte es mich auch an diese komischen Romanzen im Kino, aber trotzdem was es eben das, was ich fühlte.

„Jungkook! Die Frau da drüben wartet schon seit einer Viertelstunde auf ihren Kaffee!", wurde ich dann unsanft aus meinen Gedanken gerissen.

Meine Chefin starrte mich böse an und zeigte auf den kleinen Tisch gegenüber der Theke, an dem eine junge Frau sass und immer wieder auf die Uhr ihres Handys schielte.

Augenblicklich war ich wach, fuhr mir nervös durch die Haare und drückte schon fast hysterisch auf den Knopf an der Kaffemaschine.

Ich war nie so unaufmerksam, immer ein ziemlich vorbildlicher Arbeiter und ausgerechnet heute, als meine Chefin ausnahmsweise ebenfalls anwesend war, verhielt ich mich so unprofessionell.

Ich hätte mich gerne selbst dafür geschlagen oder mir eine Kaffetasse an den Kopf gehauen, nur damit meine Gedanken wieder klarer wurden, aber so lief das nicht.

Hektisch bereitete ich den Kaffee zu und balancierte ihn hinüber zur Kundin, die mir nur einen abwertenden Blick zuwarf, als ich ihn vor ihrer Nase abstellte.

„Es tut mir Leid, dass sie so lange warten mussten", entschuldigte ich mich auf englisch und verbeugte mich kurz, auch wenn das in diesem Land eigentlich nicht dafür gedacht war.

Als ich her kam, konnte ich kein einziges Wort Englisch, was eventuell auch der Grund war, weshalb Yoongi mich aufgenommen hatte. Er war der Einzige, der verstand, was ich von mir gab, als ich damals auf der Strasse vor mich hin jammerte.

Mir erneut durch die Haare fahrend, wuselte ich zurück zu den Tresen und begann weiteren Kaffee zu machen, denn ein paar Bestellungen warteten noch auf mich, ehe ich endlich verschwinden konnte.

Mit Mühe beendete ich meine Schicht, strich müde über meine Augen und entfernte die Schürze, um sie kurzerhand in den Mitarbeiterraum zu schmeissen.

porcellan | vkookWhere stories live. Discover now