Prolog

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Vor fünf Jahren- in Grindelwald Manor

Barfuß eilte Felice den mit dicken Perserteppichen ausgelegten dunklen Flur entlang. Winny, der alte Hauself, hatte sie gerade eben geweckt, ihr Vater wollte sie noch sprechen. Es war weit nach Mitternacht. Leise klatschten ihre nackten Füße über den kalten schwarzen Marmor der Freitreppe des Familienanwesens. Was wollte ihr Vater um diese Uhrzeit noch von ihr? Normalerweise bedeutete das nichts Gutes...

Ein langer flackernder Lichtstreifen fiel durch den Spalt der Türen zum Wohnzimmer. Die Vorhalle war wieder mit dicken Teppichen ausgelegt die jedes Geräusch schluckten. Leise trat sie an die großen Flügeltüren und spähte durch den Spalt hinein.

Das Wort Wohnzimmer war eigentlich die reinste Untertreibung. Vielmehr war es ein Saal.

Im Kamin an der Stirnseite des Raumes, über dem das riesige Gemälde ihres Großvaters hing, prasselte ein Feuer. Der Schein des Feuers spiegelte sich auf dem schwarzen Marmorboden wieder und warf tanzende Schatten an die, mit dunklem Holz vertäfelten Wände. Ein Kronleuchter aus funkelndem Glas und Kristall hing von der hohen Decke hinab und eine Seite des Raums war vollgestellt mit Bücherregalen in dem einige sehr zweifelhafte und bestimmt verbotene Bücher standen. Die Bodenlangen Vorhänge aus schwerem schwarzem Samt waren bereits zugezogen worden.

Ihr Vater, ein hochgewachsener schlanker Mann mit Schulterlangen blond gelocktem Haar stand mit dem Rücken zu ihr am Kamin und sah ins Feuer, in der Hand ein Weinglas, dessen Inhalt im flackernden Licht wie Blut aussah. Neben dem Kamin stand ein hoher Sessel aus dunklem Leder, von dem Felice wusste, dass ihre Mutter darin saß, denn eine blasse Hand ruhte auf der Armlehne.

>>Ihr wolltet mich sprechen Vater?<< sagte sie unterwürfig und betrat vorsichtig den Wohnsalon. In den letzten Jahren hatte sie zu lernen begonnen, wie sie mit ihrem Vater sprechen musste, damit er ihn nicht bestrafte. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte sie die Gestalten die sich in den Ecken des Raumes postiert hatten. Natürlich. Dort wo ihr Vater war, waren auch sein Gefolge und die Speichellecker.

Ihr Vater drehte sich um. Kalte Eisblaue Augen funkelten sie an. Er sah dem Mann auf dem Gemälde erschreckend ähnlich.

>>Du ahnst, weswegen ich dich zu dieser Stunde hergebeten habe?<< >>Nein, Vater.<< Bedächtig nickte er.

>>Morgen fährst du das erste mal nach Hogwarts.<< bemerkte er beiläufig, fast schon gelangweilt. >>Ich hoffe für dich, du hast dich gut genug vorbereitet. Du weißt worin deine Aufgabe besteht. Enttäusch uns nicht. Du weißt, warum du das tust. Hast du verstanden?<< seine Stimme hatte einen schneidenden Ton angenommen.

Stumm nickte Felice und sah zu Boden. >>Hast – du – verstanden?<<

Er kam drohend einige Schritte auf sie zu. Er packte mit seiner Hand ihr Kinn und zwang Felice so ihn anzusehen. >>Ja, ich habe verstanden, Sir. Für das größere Wohl.<< sagte sie mechanisch.

Diese Worte waren ihr von Kindesbein an eingetrichtert worden. Mit diesen Worten rechtfertigte ihr Vater alles was er tat. Wenn er sie schlug, wenn er Astor schlug, ihre Mutter und wenn er die schrecklichen Dinge tat, von denen niemand Felice etwas sagen wollte.

Er zerrte sie mit sich zum Kamin. Jetzt konnte Felice auch ihre Mutter sehen. Ihr weich braunes Haar fiel ihr glatt bis fast zu den Hüften. Ihre dunklen Augen funkelten im Licht des Feuers, wirkten aber abwesend und glasig, als würde sie gar nicht richtig mitbekommen was um sie herum geschah. Die schönen Gesichtszüge wurden durch den warmen Schein des Feuers nochmal weicher hervorgehoben. Felice hatte sich nie gefragt warum ihre Mutter bei ihrem Vater blieb, obwohl er sie genauso schlimm behandelte wie alle anderen, sie wusste es. Es war unmöglich aus Grindelwald Manor rauszukommen. Dieses Haus war eine Festung, wenn man darin lebte. Außerdem, so glaubte Felice, hatte ihre Mutter Angst. Anders konnte sie ich nicht erklären, warum ihre Mutter alles ignorierte was ihr Mann tat.

>>Du weißt wer du bist und du weißt welch eine Verantwortung dein Name mit sich trägt. Ich warne dich nur einmal, wenn du irgendwelche Krummen Dinger versuchst-<<

>>Nein! Ich weiß was meine Aufgabe ist!<< sagte Felice ein wenig zu hastig. Ihr Vater sah sie an und wendete seine Aufmerksamkeit dann wieder dem Kamin zu. >>Gut...<< Er stellte das Weinglas auf den Kaminsims und ging leicht in die Hocke. Erst jetzt sah Felice, dass in dem Feuer ein glühendes Brandeisen lag.

>>Der Name den du trägst-<< bedächtig wendete er das Eisen ein paarmal im Feuer. Felice ließ es keine Sekunde lang aus den Augen. Scharf sog sie die Luft ein.

>>- ist viel wert. Aber damit du auch ganz bestimmt nicht vergisst, wie viel er wert ist und worin deine Aufgabe besteht, um diesen Namen reinzuwaschen-<< er zog sich eine dünnen Handschuh aus Drachenleder über und nahm die lange Stange des Brandeisens in die Hand.

>>-sollten wir es dir am besten nochmal einprägen, findest du nicht?<< sagte er vollkommen gelassen. >>Gib mir deinen rechten Arm.<<

Felice Augen weiteten sich. >>Vater...?<<

Plötzlich holte ihr Vater aus und schlug ihr mit seiner freien Hand so fest ins Gesicht, dass Felice keuchend zu Boden fiel. Sie hielt sich das brennende Gesicht und schwarze Punkte tanzten in ihrem Blickfeld. Zwischen ihren Fingern quoll, auf Höhe der linken Augenbraue, warmes klebriges Blut hervor. Ihr Vater packte ihren rechten Arm und riss ihr den Ärmel ihres weichen Morgenmantels hoch.

>>Nein... bitte... nicht...<< keuchte Felice und sah hilfesuchend zu ihrer Mutter. Ihre Mutter kniff die Lippen zusammen und sah verunsichert an ihrem Mann hoch.

>>Corvus ist das wirklich...<< >>Sei still!<< schrie er seine Frau an.

>>Du!<< schrie er einem Mann in einer der Ecken zu. >>Behalte die Kontrolle!<< Mit seinen Eisblauen Augen fokussierte er wieder Felice.

>>Für das größere Wohl.<< sagte er kalt und hob das glühende Brandeisen.

Im nächsten Moment spürte Felice auch schon wie das heiße Brandeisen sich mit einem Zischen in ihre Haut brannte. Sie stieß einen Markerschütternden Schrei aus und krümmte sich vor Schmerz auf dem Boden. Weiße gezackte Lichtblitze erschienen vor ihren Augen und der Schweiß brach aus ihr heraus. >>Wer bist du? Was ist dein Name wert?<< fragte ihr Vater mit kalter schneidender Stimme.  Felice konnte nicht antworten, sie wand sich, wimmernd vor Schmerz, am Boden.

Ihr Vater schrie sie an und mit jedem seiner Worte trat er nach ihr. >>Wer – bist – du?!<<

Noch immer brachte sie kein Wort über die Lippen, der Schmerz war so überwältigend, dass sie glaubte gleich erbrechen zu müssen oder das Bewusstsein zu verlieren.

Ihr Vater zog seinen Zauberstab und erneut packte er ihren Arm, ohne Rücksicht auf die Brandwunde zunehmen. Felice schrie auf. Fast schon liebevoll strich er mit der Spitze seines Zauberstabs über die Wunde und murmelte dabei einige Dinge vor sich hin. Felice hatte das Gefühl flüssiges Quecksilber würde nun durch ihre Adern fließen. Dann ließ er sie plötzlich los und stieß sie wieder zu Boden.

>>Winny!<<

Langsam kam der alte Hauself aus einer der dunklen Ecken des Raumes auf sie zu geschlurft. >>Der Meister hat gerufen?<< Der Hauself hatte alles mit angesehen und sein schmächtiger Körper zitterte, sodass er sich kaum auf seinen dünnen Beinen halten konnte.

>>Kümmere dich um sie.<< Er wandte sich von Felice ab. Winny war herbeigeeilt und hatte ihr beim Aufstehen geholfen, wobei er sie treuherzig mit seinen Tennisballgroßen Augen ansah. Zitternd richtete sich Felice zu voller Größe auf und sah nun ihrem Vater, das erste mal an diesem Abend, direkt in die Augen.

>>Für das größere Wohl. Mein Name ist Felice Astoria Grindelwald. Ich bin die Tochter von Corvus Grindelwald und die Enkelin von Gellert Grindelwald. Ich habe die Aufgabe den Namen, den ich trage, wieder reinzuwaschen und bin bereit, alles dafür zu tun.<<

Die Erbin GrindelwaldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt