Kapitel 27

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Da stand sie, auf der anderen Straßenseite, nur ein paar Meter entfernt. Zum Greifen nah, aber doch so fern. Der Regen durchweichte ihre Kleidung und der Schirm den sie in der Hand hielt, konnte daran auch nichts mehr ändern.

Sie blickte von rechts nach links und wartete auf ihn. Schließlich waren sie hier verabredet.

Wahrscheinlich hatte sie sich gestern schon für ihre Zusage zu einem Date mit ihm verfluchtet, gleich nachdem er sie gestern so überstürzt gefragt hatte. Aber er hatte sie einfach fragen müssen. Schon in ein paar Monaten würde er zur Armee gehen und dann müsste er in den Krieg. In einen Krieg auf den er keine Lust hatte. In einen Krieg, den er für sinnlos hielt. Und dann hatte er sie gefragt und sie hatte zugestimmt.

Er hatte sein Glück kaum fassen können. Wie lange himmelte er dieses Mädchen nun schon an? Wie lange träumte er jede Nacht von ihr? Wie lange sehnte sich sein Herz nun schon nach ihr?

In der Uni tat er immer auf den Mädchenschwarm. Auf den Herzensbrecher. Aber er wollte nur ihr auffallen. Und gestern war er ihr aufgefallen. Er konnte sich nur zu gut an gestern erinnern. Wie sie gehetzt aus der U-Bahn gestiegen war und wie er sie dann endlich angesprochen hatte.

***

Sie stieg aus der U-Bahn aus und rannte an den vielen Menschen vorbei, die sich auf dem Bahnsteig tummelten. Sie brauchte eine Uhr!

Wo war hier denn eine Uhr... eine Uhr...

Sie wurde immer hektischer. Für zwölf Uhr war ein Termin in der Uni angesetzt, den sie auf keinen Fall verpassen durfte und jetzt hatte sie schon eine Station früher aussteigen müssen, weil die U-Bahn an dieser Stelle umgebaut wurde und deswegen nicht weiter fahren konnte.

Als sie an die Oberfläche kam, fiel ihr Blick sofort zu der Kirchturmuhr, die sie von hier aus sehen konnte.

11: 54

"Scheiße!" entfuhr es ihr. Den Weg würde sie zu Fuß niemals in sechs Minuten schaffen. Aber sie durfte auf keinen Fall zu spät kommen. Sie raufte sich die Haare: "Scheiße! Scheiße, Scheiße, Scheiße, SCHEIßE!" rief sie und trat immer wieder mit dem Fuß auf den Boden.

"Nanana. So reden wir aber nicht in der Öffentlichkeit."

Blitzartig schnellte sie herum. Und da stand er, lässig an sein Auto gelehnt. Seine dunkelbraunen Haare lagen zur Seite und seine blauen Augen blitzen vor Neugierde und vor Belustigung. Sein Grinsen ließ daran keinen Zweifel mehr.

"Wa-as?" stotterte sie.

Er stieß sich vom Auto ab und kam zu ihr herüber.

"Man flucht nicht in der Öffentlichkeit. Hat man dir das nicht beigebracht?"

"Doch, schon, aber ich muss in sechs" ihr Blick huschte zur Turmuhr: "-fünf Minuten in der Uni sein. Und das schaff ich nicht zu Fuß."

"Nimm die U-Bahn."

"Da wird umgebaut."

"Nimm den Bus."

"Da darf ich eine halbe Stunde warten."

"Dann lass dich von mir fahren."

Sie stockte: "Ich kenne dich doch gar nicht."

"Eric." er hielt ihr die Hand hin. Und wiederholte: "Mein Name ist Eric. Und wie heißt du?"

Zögerlich ergriff sie seine Hand: "Marry... aber..."

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