Kapitel vier

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Sieben Uhr dreißig, abends

Ganz Pago schien auf den Beinen zu sein, zumindest konnte ich mich nicht erinnern, den Marktplatz schon einmal so voll gesehen zu haben. Klar gab es das Lichterfest alle zwei Jahre, doch das letzte Mal hatte ich mit Fieber im Bett gelegen und davor war ich noch so klein gewesen, dass meine Eltern mich begleitetet hatten. Heute den Platz voller herum wuselnden Menschen zu sehen fühlte sich so sehr anders an als noch vor vier Jahren.

Als Jocie und ich unten ankamen sahen wir auch Ma, Pa und die ganze restliche Bande um die Stände gehen und fröhlich miteinander plaudern.

„Da seid ihr beiden ja. Die ersten Lichterspiele fangen gleich an. Wollt ihr eure Brüder nicht dorthin begleiten?"
„Ich weiß nicht. Ave und ich wollten eigentlich unbedingt zu-", begann Jocie und sah sich hilfesuchend zu mir um.
„Äh- zum fantastischen famosen Molly.", nannte ich das erste was mir einfiel. Und ich hatte es dem Mann ja sogar versprochen.
„Oh zum Zirkus! Klingt das nicht toll Darian?", fragte meine Mutter meinen kleinen Bruder, der sofort nickte. Das Gesicht meiner Mutter wurde gleich viel heiterer und sie legte Darians Hand in Jocies. „Super dann nimmt ihn doch bitte mit."

Und so schnell hatten wir einen unserer Brüder an der Backe.

Recht Unglück blickte Jocie zu mir, doch auch ich konnte nur mit den Schultern zucken. Ich meine ein paar Minuten würden wir ihn wohl ertragen können. „Na dann viel Spaß.", wünschte uns Ma und wanderte weiter um die Stände.
Jocie blickte ein wenig finster auf Darian hinunter. Sie seufzte einmal lang und fragte dann: „Willst du auf meine Schultern?"

Fünf Minuten später erreichten wir eine Art Bühne, welche mit Hilfe von lila Stoffen und einiger Stangen in Boden erschaffen wurden war. Es stand in einer der vielen Seitenstraße, mit Blick auf den Fluss. Vor diesem Gebilde hatten sich bereits die ersten versammelt, wobei von Kindern bis Alte alle dabei waren und auch ich musste gestehen, dass die lila schimmernden Stoffe und bestickten Tücher einen ganz eigenen und ungewöhnlichen Charm ausströmten.
„Ich glaube die waren das letzte Mal schon hier!", quiekte Jocie auf einmal und ihre Schritte wurden schneller. Darian umklammerte ihren Kopf dabei ein wenig fester um nicht die Balance zu verlieren. Auch ich beeilte mich nun einen guten Platz zu bekommen, denn wenn Jocie so begeistert war, wollte auch ich mir diese Show nicht entgehen lassen.

„So, jetzt kannst du auch alles gut sehen.", meinte Jocie gerade als sie Darian in der ersten Reihe absetzte, der sich sogleich neben einer seiner Spielkameraden setzte und mit diesem aufgeregt zu flüstern begann.
Ich setzte mich eine Reihe dahinter zusammen mit meiner Schwester, welche sich ein wenig an mich lehnte. „Ich hoffe sie beginnen gleich. Das wird dir gefallen!" Kaum hatte sie das gesagt, trat bereits eine komplett in lila gekleidete Frau in den freien Bereich zwischen den Kindern und der überdachten Bühne.

„Willkommen, Willkommen, beim fabelhaften, furiose und fantastischen Molly!
Treten Sie näher und setzen Sie sich, denn das was Sie gleich sehen werden, wird Sie von ihren Beinen hauen!"
Das ließ nun auch all die Aufhorchen, welche bisher nicht ganz so aufmerksam an dieser Menschenansammlung vorbei gegangen waren.
„Wir präsentieren Ihnen heute gleich drei unserer beeindruckendsten und fantastischsten Attraktionen.", rief sie in die Menge und hob ihre Arme, wodurch die Menge sofort mit Klatschen und Rufen antwortete.

„Beginnen tut unsere fantastische Reise mit..."
Sie legte eine kurze Pause ein.

„Den Schlangenfrauen!"
Sie trat zurück und gab so die Bühne für zwei junge Mädchen frei. Sie mussten zwei oder drei Jahre jünger als ich sein, 14 Jahre vielleicht, und waren in enge grüne Stoffe gewickelt. Sie tanzten zu einer langsamen, aber bedrohlich klingenden Musik. Sie umkreisten einander im Rhythmus der Trommelschläge und spiegelten dabei die Bewegungen der anderen. Dann mit dem Einklang der Musik, fingen sie langsam an ihre Körper schlangenartig zu verbiegen und strecken. Erst schienen sie sich zusammen zu falten, doch nur um im nächsten Moment aufrecht zu stehen und ihr Beine neben ihre Köpfe zu heben.
Beeindruckt und gleichzeitig ein wenig in Angst klatschte und jubelte ich mit dem restlichen Publikum mit.
Eine in Kapuzen gehüllte Gestalt huschte mit einem Hut durch die Menge und Jocie und ich warfen beide eine Silbermünze hinein.

LichterkussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt