18 Das Versprechen

190 21 38
                                    

Adhara bestieg ihre Sänfte. Endlich konnte sie ihr Versprechen, das sie der Leiterin des Waisenhauses gegeben hatte, einlösen.
Es hatte sie weit mehr Zeit und Aufwand gekostet als gedacht, die Mittel für die Gaben, die sie dort hin bringen wollte, aufzutreiben und inzwischen war der Tall angebrochen.
Ihre Schwiegermutter missbilligte ihr Vorhaben. Es war Adhara zwar erlaubt worden, sich um die Bedürftigen zu kümmern, aber die Ältere verhinderte, dass ihr dafür auch Geld zur Verfügung stand.
Schließlich war sie zu den reichen Kaufleuten der Oberstadt gegangen und hatte um Spenden geworben.
Das entsetzte die Königinmutter und den Rest des Hofes derart, dass die Ältere ihr nun doch widerwillig einiges Geld überließ.
Adhara wußte, dass sie es nur tat, um sie beschäftigt zu halten, bevor sie sich in die Angelegenheiten der Politik und des Hofes einmischte und weitere skandalöse Unternehmungen wagte.
Es war ihr inzwischen gleich geworden. Sie hatte etwas gefunden, mit dem sie tatsächlich etwas bewirken konnte und das sich nicht hohl und leer anfühlte.

Heute endlich türmten sich allerlei Güter auf zwei Karren, die im Hof des Palastes auf den Aufbruch warteten: weiche Decken, Kochgeschirr, Werkzeuge, Berge an Kleidung in vielen verschiedenen Größen und für verschiedene Jahreszeiten, einige Ballen feines Leinen, sowie gut lagerbare Vorräte und natürlich Körbe voller Spielzeug.
Die Farben entzückender hölzerner Ritter und bunt bemalter Tiere aus Filz und Holz wetteiferten mit Kreiseln, deren Töne wunderbar vor den Augen zusammenliefen, wenn man sie drehte. Genug, dass jedes Kind ein eigenes Geschenk bekommen konnte und noch ein Vorrat übrig blieb. In ihrer Sänfte lag außerdem ein schmales Päckchen, das ein zartblaues Schultertuch aus feiner Wolle enthielt und das sie der Leiterin als Geschenk überreichen wollte. Es würde die ältere Frau an kühlen Abenden wärmen.
Neben den Karren wartete ein Aufgebot von Soldaten der Burgwache, sowie drei königliche Leibwächter, einschließlich Thorns. Die dritte Leibwache kannte Adhara kaum, aber der zweite Gardist war Eckarius, der oft mit dem Ritter von Goldwald zusammen Dienst tat.
Als sie die vielen Soldaten, die sie zu Fuß begleiten würden und die Reiter gesehen hatte, war sie zu Thorn gegangen.
Er überwachte den Aufbruch und besprach gerade die letzten Einzelheiten mit dem Hauptmann der Burgwache, der sich ihnen ebenfalls anschließen würde. Sie hatte den Ritter aufgefordert, mindestens die Hälfte der Männer zurückzulassen, aber diesmal hatte er aus guten Gründen darauf bestanden.

In der Stadt gab es Gerüchte aus dem Umland über eine Krankheit, die die Menschen langsam dahinraffte. Diese befeuerten die ohnehin angespannte Stimmung im Volk, das mit den Folgen der jahrelangen schlechten Ernten kämpfte.
Auch diesmal hatte es seit dem Frühjahr zu wenig Regen gegeben und der Sommer verlief zu heiß und zu trocken. Es war bereits abzusehen, dass die Erträge noch schlechter ausfallen würden, als zuvor.
Unter den Bauern und im armen Teil der Bevölkerung rumorte es und es betraf nicht mehr nur die Bedürftigen. Der Unmut hatte sich bis ins Nadelöhr ausgebreitet.
Vor einigen Tagen war sogar ein Adeliger beim Spazierengehen im Grüntuch aus dem Hinterhalt mit einem Stein beworfen worden, aber dem Übeltäter war es gelungen, sich seiner gerechten Strafe zu entziehen.
Der Vorfall war ihr ebenfalls zu Ohren gekommen, aber bis zu ihrer Bitte an Thorn, die Soldaten zurückzulassen, war Adhara nicht klargewesen, dass die Lage tatsächlich so angespannt war.

Von den Angehörigen des Hofstaates ließ sich niemand vor ihrem Aufbruch blicken.
Die ohnehin vorherrschende Ablehnung der Adeligen wurde zusätzlich durch die Haltung der alten Königin befeuert.
Adhara kümmerte das im Moment wenig und sie nickte Thorn aus ihrer Sänfte heraus zu, woraufhin er den Zug in Bewegung setzte.
Die Ritter der königlichen Garde bildeten ein Hufeisen um Adharas Sänfte, mit Eckarius an der Spitze, einem weiteren zu ihrer Rechten und Thorn zu ihrer Linken.
Sie war froh, ihn so nahe bei sich zu haben, denn von allen Leibwachen kannte sie ihn am Besten.
Er schien meist zu wissen, was in ihr vorging und sie empfand die raschen Blicke, die sie manchmal tauschten, als tröstlich. Vor allen Anderen war er ihr immer ein guter Ratgeber und loyaler Begleiter gewesen.
Die Königin brachte weder ihrem Gemahl, noch ihrer Magd Margie, die einmal eine Freundin gewesen war, das meiste Vertrauen am Hof entgegen, sondern ihm.

Wenn der Schnee fälltWhere stories live. Discover now