9. Türchen

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*Severus Snape x Lily Evans*

Schon als er den kleinen weißen Umschlag sah, regte sich in ihm ein mulmiges Gefühl. Mit zitternden Händen griff er nach dem Pergament und ließ sich auf seinem Ohrensessel nieder. Er betrachtete den Umschlag genauer und bemerkte eine kleine Notiz in feiner schräger Handschrift, die er ganz klar Albus Dumbledore zuordnen konnte.

Lieber Severus,
Dies fand sich in Godric's Hollow.
Es ist an dich adressiert.
Niemand hat es gelesen.
A.

Severus schluckte. Nein. Das konnte nicht sein. Nach all den Jahren konnte doch nicht plötzlich - ausgerechnet jetzt! Er schluckte erneut.
Seine Finger zitterten. Er war zu schwach. Er konnte es nicht tun.

Der Umschlag glitt ihm aus den Fingern, er saß wie versteinert da.
Das Feuer im Kamin knisterte fröhlich, doch Severus war es plötzlich ganz kalt. Er konnte es nicht tun. Er war ein Feigling.

Er ließ den Brief liegen, wo er war und ging seiner täglichen Arbeit nach. Doch er war nie ganz bei der Sache. Der Brief sog seine Gedanken an wie ein Magnet. Immer wieder schweifte er ab und rätselte, was darin stehen könnte. Severus wagte es trotzdem nicht, ihn zu öffnen. Seine Angst war zu groß. Angst, er könne nochmals in das tiefe Loch fallen, aus dem er bereits mühsam wieder herausgekrochen war. Ein zweites Mal würde er es wahrscheinlich nicht schaffen. Er hatte Angst vor Erinnerungen, die hochkommen würden. Erinnerungen, die er ins letzte Eck seines Gehirns verbannt hatte.
Auch wenn Severus es sich einredete, war er noch nicht über sie hinweg. Über ihre grünen Augen, ihr rotes Haar und vor allem nicht ihren wundervollen Charakter.
Schon wieder war er mit den Gedanken abgeschweift. Doch nun konnte er sich nicht mehr halten. Severus setzte sich erneut in den Sessel und rief den Brief zu sich.
Seine Finger zitterten erneut, doch nun wusste er, dass es kein Zurück gab. Er würde den Brief lesen. Severus hoffte, dass er danach mit ihr abschließen konnte, dass er sich danach nicht mehr so leer fühlte. Doch er bezweifelte es.

Der Umschlag segelte zu Boden. Langsam faltete er das Pergament auseinander. Ein letztes Mal schluckte er, dann begann er die vertraute Schrift zu lesen.

Lieber Sev,

Severus bekam eine Gänsehaut. Sev. Er hatte vergessen, dass sie ihn einst so genannt hatte.

Harry schläft, was bedeutet, dass ich endlich Zeit habe, diesen Brief an dich zu schreiben.
Ich weiß, wir konnten uns nie wirklich aussprechen, was vermutlich größtenteils an mir lag.

Lily. Er konnte sie vor sich sehen, wie sie die Feder in die Tinte tauchte und überlegte, was sie als nächstes schrieb.

Wir hatten kein schönes Ende, Sev. Und das tut mir im Nachhinein unglaublich leid. Wie konnte ein einziges Wort nur eine ganze Freundschaft zerstören? Ich begreife es immer noch nicht.

»Ich auch nicht, Lily. Ich auch nicht.«, dachte Severus traurig.

Trotzdem will ich mich nicht zu lange an diesem banalen Wort aufhalten, denn ich will dir etwas mitteilen. Du bist, nehme ich an, nun auf der anderen Seite, was bedeutet, wir müssen Feinde sein. Doch ich will nicht, dass wir Feinde sind, Sev. Zu gerne erinnere ich mich an die Zeit vor Hogwarts, als wir gemeinsam den Sommer verbracht haben. Da war das Leben noch sorglos.
Ich wünschte, ich könnte wieder mit dir befreundet sein.

Severus schluckte. Sie hätte ihm verziehen. Sein Herz schmerzte.

Aber das können wir nicht. Es tut mir leid.

Entsetzt sah Severus auf den Brief. Wie meinte sie das?

Auch wenn ich dich unglaublich gerne noch wenigstens ein letztes Mal sehen würde. Unser Haus steht unter dem Fidelius-Zauber. Vielleicht weißt du davon, vielleicht nicht. Auf jeden Fall ist Voldemort hinter Harry her. Mehr möchte ich dazu eigentlich nicht sagen.

Severus schluckte betroffen. Dumbledore hatte ihr nicht gesagt, dass er Schuld war. Dass er dem dunklen Lord die Prophezeihung weitergesagt hatte.

Deshalb wirst du diesen Brief wahrscheinlich nie erhalten.
Natürlich kann es sein, dass mein Bauchgefühl mich täuscht und wir uns bald einmal treffen können, aber irgendwas sagt mir, dass wir uns nie wieder sehen werden. Ich hoffe, ich irre mich.

"Dein Bauchgefühl hat dich nicht getäuscht, Lily.", dachte Severus und starrte weiterhin auf die geschwungene Schrift.
Seine Augen begannen verdächtig zu brennen.

Falls du diesen Brief doch noch auf irgendeine unerklärliche Weise bekommen hast, dann sollst du wissen, dass ich dich vermisse und mich immer wieder gerne an unsere Freundschaft zurück erinnere.

Eine dicke Träne tropfte auf das Blatt vor ihm. Einzelne Tränen kullerten seine blasse Wange hinunter. Sein Blick fiel auf den Umschlag am Boden. Eine Ecke eines Bildes lugte daraus hervor. Er griff danach und schluckte erneut. Auf dem Muggelbild waren er und Lily zu sehen. Die Rothaarige strahle in die Kammera, sodass ihre grünen Augen funkelten. Der kleine schwarzhaarige Severus hingegen sah Lily gebannt an und hatte einen verträumten Blick aufgesetzt, den man bei ihm nie wieder so gesehen hatte.
Severus musste unwillkürlich lächeln bei der Erinnerung an diesen Moment. Lilys Mum wollte unbedingt ein Bild von den beiden machen. Lily fand die Idee großartig, während sich Severus eher unwohl fühlte.

Ich hoffe, dir geht es gut und wir sehen uns irgendwann einmal wieder.

In Liebe,

Lily

30.10.81

Severus atmete zitternd aus. Das war es also. Irgendwie fühlte er sich freier. So, als wäre eine tonnenschwere Last von seinen Schultern gefallen.

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