Du machst sie kaputt!

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Luisas Sicht:
Am nächsten Tag habe ich die ersten beiden Stunden frei und gehe deshalb erst um kurz nach neun nach unten in die Küche. „Morgen." begrüße ich meinen Papa, der vor seinem Laptop am Tisch sitzt. „Guten Morgen." wünscht er mir und lächelt. Ich mache mir mein Müsli und setze mich gegenüber von ihm. Erleichtert schaut er auf meine Schüssel und ich muss mir ein Grinsen unterdrücken. „Papa, mach dir keinen Kopf. Ich hab verstanden, dass ich was essen muss, weil ich sonst umkippe." versichere ich und er sieht mich über den Laptop hinweg an. „Das ist auch gut. Aber warum hast du denn nichts gegessen? Ist irgendwas vorgefallen?" will er wissen. Ich muss einmal schwer schlucken. Anlügen bringt eh nichts, aber ich werde ihm definitiv auch nicht die ganze Wahrheit erzählen, sonst ist Finn in 5 Minuten nicht mehr in der Verfassung irgendetwas zu tun. „Ich habe mich am Wochenende mit Finn gestritten und ihm vorgeschlagen, er könnte sich ja eine neue Freundin suchen." erzähle ich und rühre gedankenverloren in meiner Schüssel. Erstaunt sieht Papa mich an und will etwas sagen, schließt den Mund aber wieder. „War es so ein heftiger Streit?" fragt er vorsichtig und ich nicke traurig. „Willst du mir erzählen worum es ging?" will er wissen, doch ich schüttle den Kopf. Ich merke, dass er sich anstrengen muss ruhig zu bleiben, aber es gelingt ihm und dafür bin ich echt dankbar. „Okay... aber er ist es nicht Wert, dass du dich kaputt machst." meint Papa. „Ich weiß. Ich pass auch auf mich auf." verspreche ich ihm. „Gut. Anderes Thema: Ich fahr gleich in den Proberaum, soll ich dich mit zur Schule nehmen?" fragt er. „Das wäre super." antworte ich und er nickt lächelnd.

Vor der Schule hält Papa an und ich schnalle mich ab. „Danke fürs Fahren. Viel Spaß heute und grüß alle ganz lieb." sage ich lächelnd. „Mache ich. Hab einen schönen Tag." meint er und lächelt mich nochmal an, bevor ich aussteige. Schnell gehe ich zum Eingang und ziehe die Tür auf. Als ich in Richtung Aufenthaltsraum gehe, höre ich schon Stimmen, die mir bekannt vorkommen. „Du machst sie kaputt!" schreit Noah wütend. „Das war doch nie meine Absicht! Ich wollte ihr nicht wehtun." meint Finn. „Hast du aber! Finn, ich werde dir nie verzeihen, dass sie wegen dir so leidet." höre ich Noah sagen und ich biege um die Ecke. Die beiden stehen im Flur und Noah ist kurz davor Finn eine zu verpassen. „Ich wollte sie wirklich nie verletzen! Aber ich kann es auch nicht ungeschehen machen." sagt Finn und Noah spannt sich an. So wie er aussieht, erinnert er sich an unser Gespräch und an das, was ich ihm erzählt habe. „Du..." fängt Noah bedrohlich an und hebt seine Faust. „Stopp!" rufe ich. Beide zucken zusammen und drehen sich zu mir. „Seid ihr komplett bescheuert geworden?!" frage ich und gehe auf die beiden zu. „Er hat es nicht anders verdient." verteidigt sich Noah. „Das ist eine Sache zwischen Finn und mir. Noah, lass ihn einfach in Ruhe, ja?" bitte ich ihn. „Isa, er..." fängt er an, doch ich unterbreche ihn. „Nein, nichts er... ich will davon gar nichts hören." sage ich und Noah atmet einmal wütend aus. Sophia kommt um die Ecke und sieht uns fragend an. Ich deute mit dem Kopf kurz auf Noah und sie kommt zu uns. „Komm Noah, wir beide gehen mal raus." meint sie und zieht ihn mit sich. „Du kannst sie nicht mit ihm alleine lassen." sagt er. „Doch, Isa ist alt genug um das alleine zu klären. Außerdem musst du erstmal runterkommen." antwortet Sophia und beide verschwinden an der Treppe. Ich atme tief durch, fahre mir durch die Haare und drehe mich langsam zu Finn. Er schaut mich traurig und unsicher an. Kurz bringt er mich aus dem Konzept, doch ich fange mich schnell wieder. „Jetzt zu dir. Lass dich von Noah nicht provozieren, ich hab keine Lust, dass einer von euch im Krankenhaus landet." sage ich. „Aber er hat Recht." flüstert Finn und ich sehe ihn fragend an. „Stimmt es, dass du umgekippt bist?" will er vorsichtig wissen und ich seufze genervt. „Ist das hier deshalb so laut geworden?" frage ich. „Also ja... siehst du, ich mache dich kaputt." meint er traurig. „Das war meine eigene Schuld, ich bin selbst für mich verantwortlich." versichere ich und es entsteht eine unangenehme Stille. „Wie geht's dir sonst?" will er leise wissen und unterbricht so das Schweigen. „Wie soll's mir schon gehen?" antworte ich ebenso leise. Meine Stimme wird brüchig und ich muss mich echt konzentrieren nicht zu weinen. „Luisa, es tut mir Leid." meint er eindringlich. „Ich weiß." sage ich und schaue ihn an. In seinen Augen spiegeln sich alle möglichen Emotionen, doch ich halte seine Nähe einfach nicht aus. „Ich geh mal nach Noah gucken." sage ich und gehe in die Richtung der Treppe. Am Absatz drehe ich mich nochmal um und sehe, dass Finn seine Arme auf die Fensterbank gestützt und den Kopf in die Hände gelegt hat.

„Alles gut?" fragt Sophia, als ich zu ihr und Noah auf den Schulhof komme und nicke. „Und hier?" will ich wissen und schaue Noah an. „Sorry, ich wollte ihn nicht anschreien. Aber ich war so wütend!" entschuldigt er sich. „Schon okay. Aber ich meinte das eben ernst... lass ihn bitte einfach." bitte ich ihn. „Ich versuche es." antwortet er und ich nicke. Noah verschwindet kurz zu Linus und Sophia wendet sich an mich. „Was hat er gesagt?" will sie wissen. „Dass es ihm Leid tut. Aber er ist mindestens genauso fertig wie ich." erzähle ich. „Gut so." meint sie und ich schüttle langsam den Kopf. „Ich hasse es Leute traurig zu sehen, die mir was bedeuten." sage ich. „Ich weiß. Du bist halt einfach zu gut für diese Welt. Aber glaubst du zwischen euch ist es vorbei?" fragt sie vorsichtig. Ich zögere mit meiner Antwort, bevor ich mit dem Kopf schüttle. „Definitiv nicht, jedenfalls nicht von meiner Seite. Ich vermisse ihn und werde das Ganze nicht aufgeben, auch wenn es Zeit braucht bis es so sein kann wie vorher." gebe ich zu. Und genau in dem Moment läuft Finn an uns vorbei und lächelt hoffnungsvoll, sodass ich mit sicher bin, dass er gehört hat, was ich gesagt habe.

Wir sind doch auch nicht besser allein.Where stories live. Discover now