•DER ANFANG DER HÖLLE•

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Mit verträumten Augen wache ich am Montagmorgen auf. Die neue Woche beginnt und die Stimmung des zauberhaften Abends ist verflogen. Nachdem mich Noah nach Hause gefahren hatte, wartete mein Dad bereits auf mich. Er stand wartend vor der Tür. Somit konnten Noah und ich keinen Kuss austauschen.

Also habe ich ihm eine lange Umarmung gegeben, ehe ich mit meinem Dad ins Haus gegangen bin. Dort musste ich mich einem Verhör aussetzten. Peinlich, aber wahr.

Die Nacht träumte ich vom Tanz mit Noah. Wie er mich im Arm gehalten hat. Selbst auf dem Parkplatz konnten wir nicht voneinander lassen. Unsere Hände waren hielten wir die ganze Zeit lang.

Doch eines lässt mich nicht los. Der Tanz mit Lucas. Ich weiß, dass ich Noah habe und ich habe auch Gefühle für ihn. Seine Nähe macht mich glücklich. Manchmal brauche ich jedoch meinen Freiraum. Dann wird mir seine Nähe zu viel. Zu anhänglich. Dann fällt mir Lucas ein. Ich habe mich schon dabei erwischt wie ich es mir vorgestellt habe mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Zu sehen, was sich hinter seinem Ego befindet. Ob das alles nur heiße Luft ist und er eigentlich nicht so Machomäßig ist. Es ist falsch so etwas zu denken. Lucas ist mit Olivia zusammen. Ich habe Noah. Ich sollte glücklich sein.

Mit mulmigem Gefühl im Magen, gehe ich zu Noahs Haus und klopfe vorsichtig an die Tür. Nach nur wenigen Sekunden wird diese von Laura geöffnet. Mit einem warmherzigen Lächeln begrüßt sie mich.

"Hallo Violet! Schön dich zu sehen. Noah kommt ebenfalls gleich herunter." Sie lässt mich eintreten. „Ich muss schon sagen. Ihr beide saht an dem Abend hinreißend aus. Hat dir der Abend gefallen?"

"Ja, es war wirklich ein magischer Abend gewesen", sage ich und stehe unbeholfen im Flur.

„Habt ihr beide zusammen getanzt?"

Ich nicke.

" Ich habe ihm das Tanzen schon im Kindesalter beigebracht. Sein Vater hat jeden Abend auf dem Klavier gespielt, während wir zusammen getanzt haben. Am Anfang stand er auf meinen Füßen, um die Schritte zu lernen. Jetzt bekomme ich ihn nur ab und zu dazu, mit mir zu tanzen", sie macht eine Pause, „Ich kann es ihm nicht verübeln. Wir werden alt und ihr habt eure ganzen Leben noch vor euch. Natürlich möchte er mehr mit einem Mädchen in seinem Alter tanzen als mit seiner Mutter." Sie seufzt.

Er kann tanzen? Wieso hat er dann nicht mit mir ordentlich getanzt? Ich weiß, dass ich nicht tanzen kann.

"Mein Vater hat mir zeitig die Grundschritte beigebracht. Ich stand meistens in den viel zu großen Schuhen meiner Mutter. Doch jetzt habe ich alle Schritte vergessen."

„Haben deine Eltern oft miteinander getanzt?"

„Am Anfang haben sie fast jeden einzelnen Tag zusammen getanzt. Doch seitdem sie sich immer streiten verblassen diese Momente."

Das waren Zeiten. An die erinnere ich mich gern. Wir waren so glücklich. Zu dritt als Familie.

Noah kommt die Treppe herunter und sieht mich überrascht an. "Violet, was machst du denn hier? Ich wollte dich gerade abholen." Er nimmt seinen Rucksack und küsst zum Abschied seine Mutter auf die Wange.

"Heute ist es mal andersherum. Auf geht's, sonst verpassen wir noch die erste Stunde." Ich scheuche ihm aus dem Haus, jedoch nicht ohne mich vorher von Laura zu verabschieden.

Im Auto schnallen wir uns an und Noah fährt auf den Highway.

"Wie war dein Wochenende so?", fragt er nach um die Stille zu beenden.

"So wie immer. Habe viel für die Schule gemacht und du?"

"Ähm, eigentlich lag ich gestern nur faul im Bett und habe die ein oder andere Serie geschaut."

„Du weißt, dass du dich in Mathematik verbessern musst. Ich möchte nicht daran Schuld haben, dass du den Abschluss nicht schaffst."

Er sieht mich genervt an. Ich nehme meine Hand und fahre über seine Hand, welche er lässig auf sein Bein gelegt hat. Noah ergreift sie sofort und verschränkt sie miteinander. „Du klingst schon wie meine Mutter."

„Kann sein."

In der Schule wird nur über den Ball geredet. Wer das schönste Kleid anhatte oder wer das gutaussehende Pärchen war. Neue Gerüchte werden verbreitet und die alten werden vergessen. Die Jungs brüsten sich damit, wie viel Alkohol sie reingeschmuggelt haben und mit wem sie alles geschlafen haben. Dinge die ich nicht wissen möchte. Nicht heute und auch nicht in einer Millionen Jahren.

Auf dem Weg zur Klasse treffen wir April und Alyssa, welche uns mit einem breiten Lächeln begrüßen. "Na ihr beiden Hübschen. Wie war euer Wochenende noch so?"

"Nichts Aufregendes ist passiert." Beide sehen enttäuscht aus. Was soll schon groß passiert sein? Dachten sie ernsthaft, dass Noah und ich miteinander geschlafen haben?

„Und bei euch so?", frage ich.

"Was soll schon bei uns passiert sein? Ich habe mit einem Jungen per Tinder geschrieben und lag ansonsten nur auf der Couch."

Ich sehe April prüfend an. „Tinder? Dein Ernst?"

„Wo soll ich denn sonst einen Jungen kennen lernen? Hast du dir hier die Jungs mal angesehen? Solange du nicht populär bist, hast du keine Chancen. Nicht jeder kann so einen Nachbarn haben wie du."

Noah schmunzelt in sich hinein. Er weiß genau, dass es zwecklos ist, sich in das Gespräch mit einzufinden.

„Ich hatte halt Glück." Ich zucke mit den Schultern.

„Du findest auch noch deinen passenden Deckel." Alyssa legt einen Arm um sie.

„Du hast leicht reden. Hast gleich mit zwei Jungs auf dem Ball getanzt. Einer hat dir nicht gereicht" kontert sie und sieht mich schmollend an.

Bei dem Kommentar sehe ich, wie Noah sich anspannt. Sein Kiefer ist angespannt. So sehr, dass er damit Papier schneiden könnte. Die Hände sind zu Fäusten geformt.

Ich ignoriere ihren Kommentar und schnappe mir Alyssa. Gemeinsam gehen wir in unser Klassenzimmer. Die neuen Partner Projekte stehen bevor. Alyssa und ich arbeiten wir die Vor- und Nachteile vom Liebesdrama "Der große Gatsby" heraus. Was bedeutet, dass wir das gesamte Werk auseinandernehmen müssen, nur um die umständliche Liebe von Jay und Daisy zu erklären. Was für ein Aufwand. Eigentlich ist es wie Romeo und Julia. Eine tragische Liebe. Nur hat sie kein so grausames Ende. Hoffentlich hast du auch kein dramatisches Ende.

Nach der Stunde gehen wir gemeinsam aus dem Zimmer. Ich sehe mal wieder nicht, wohin ich laufe, und stoße gegen eine Person. Wieder komme ich mir vor wie in einem Film. Erschrocken sehe ich auf. Lucas steht vor mir. Ein sanftes Lächeln ziert seine Lippen. "Entschuldige", murmle ich und laufe weiter. "Violet! Warte!"

Ich ignoriere ihn und laufe um die nächste Ecke, wo ich mich schweratmend an die Wand lehne. Mein Herz schlägt die doppelte Geschwindigkeit. Mein Atem stockt. Seit wann hat er so einen Effekt auf mich?

Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe, gehe ich den Weg zu Mathematik. Über einen Umweg. In der Zeit versuche ich einen klaren Gedanken zu fassen. Leider klappt das nicht. Im Unterricht verhalte ich mich sowie jeden Tag. Ruhig und aufmerksam.

Nach Algebra zieht mich Noah sofort zu sich. Dann küsst er mich wie an den anderen Tagen auch. Sanft und liebevoll. Das ist unser erster Kuss in der Öffentlichkeit und unser erster Kuss an diesem Tag. Er steckt extra viel Liebe in diesen einzigen Kuss hinein.

In der Cafeteria setzten wir uns an unserem üblichen Platz und warten auf die anderen. Mal wieder überkommt mich das Gefühl, als würde ich beobachtet werden. Ich schaue auf und sehe Lucas. Diesmal schaut er nicht weg. Provokativ zieht er eine Augenbraue in die Höhe. Ich verdrehe genervt die Augen. Leider geht das nicht unbemerkt an Noah vorbei.

"Nicht schon wieder, oder?" Er schaut zu Lucas.

Demonstrativ legt er einen Am um mich und zieht mich zu sich. Ich lasse es zu. Nun ist es Lucas, der die Augen verdreht. Er beugt sich zu Oliva und flüstert ihr etwas ins Ohr. Daraufhin zieht Olivia ihn in einen leidenschaftlichen Kuss. Ich drehe mich um und schmiege mich an Noah. Er begrüßt die Geste und drückt mich fester an sich.

Mich beschäftigt eine Frage: Was haben die nur besprochen?

Zwischen Surfboards & CheerleadingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt