37. Nasenbluten und Hinkepanks

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Viel Schlaf fand Felice in dieser Nacht nicht mehr.

Damit der Brief nicht zufälligerweise von einem ihrer Zimmernachbahrinnen gefunden wurde, hatte Felice ihn unter ihr Kopfkissen geschoben. Nicht unbedingt das beste Versteck, aber vorerst erfüllte es seinen Zweck.

Immer wieder wälzte sie sich in ihrem Bett herum. Es war nur wenige Stunden nach Mitternacht, aber Felice wusste, dass das wieder die schlimmsten vierundzwanzig Stunden, des Jahres werden würden.

Es war Astors und ihr sechzehnter Geburtstag. Und sie beide mussten ihn getrennt voneinander verbringen.

Felice hier in Hogwarts, wo keiner ihren Schmerz nicht bei ihrem Spiegelbild, ihrem zweiten Teil, ihrem Seelenverwandten zu sein, sehen konnte, weil sie gezwungen war ihn zu verbergen.

Und Astor allein, in der Kälte, seines dunklen Gefängnisses, verletzt, frierend und hungernd. In diesem Moment flehte Felice zu allem, was möglicherweise das Schicksal lenken konnte, dass Charon sein Wort hielt. Denn was blieb ihr, als einem Gellert Grindelwalds Akolythen zu vertrauen?

Irgendwann, in den frühen Morgenstunden, überkam sie doch der Schlaf. Ungewöhnlich spät, für ihre Verhältnisse, wachte sie wenige Stunden darauf wieder auf. Der Schlafsaal war leer. Lily und die anderen, waren wohl bereits zum Frühstück aufgebrochen.

Auf ihrem Nachttisch lagen Päckchen, die sehr verdächtig nach Geburtstagsgeschenken aussahen. Felice wusste jetzt schon, dass sie sie heute ganz bestimmt nicht öffnen würde und wenn, dann nur weil Lilys sie dazu zwingen würde.

Fertig angezogen, lief Felice die breiten Treppen hinunter, in Richtung der großen Halle. Sie war spät dran. Wäre Felice nur wenige Minuten später aufgestanden hätte sie vermutlich verschlafen. 

Ihr entgegen kamen Lily und Severus, lachend und vollkommen in ein Gespräch vertieft. Solche Momente, ihrer einzigartigen Freundschaft, waren mit den Jahren immer seltener geworden. Sev bemerkte sie als erstes und stieß Lily an, um sie auf sie aufmerksam zu machen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht, schloss Lily Felice in die Arme.

>>Alle, alles liebe zu deinem Geburtstag, du Schlafmütze! Aber jetzt musst du dich beeilen. Wir haben gleich Verteidigung gegen die dunklen Künste und danach Zaubertränke. Oh Mist! Nach dem Mittagessen haben wir Verwandlung! Und mir fehlen noch drei Zoll für meinen Aufsatz! Und dann müssen wir deinen Geburtstag noch feiern!<<, quasselte Lily aufgeregt drauf los.

>>Lily komm runter, es ist nur ein Geburtstag...<<, murmelte Felice niedergeschlagen. Normalerweise ließ Lily nie eine Gelegenheit aus, die Menschen die sie kannte, zu überraschen. Bei Felice jedoch, hatte sie die Hoffnung fast aufgegeben, das sie wusste das Felice nicht gern ihren Geburtstag feierte und, weil sie das zarte Vertrauen, dass sich nach der Aktion in der Bibliothek langsam wieder aufbaute, nicht zerstören wollte.

>>Lily? Du redest zu viel.<<, ermahnte Sev sie belustigt und schenkte ihr ein liebevolles Lächeln. >>Der Unterricht fängt in exakt acht Minuten an. Felice, ich glaube das schaffst du nicht mehr noch etwas zu frühstücken.<<

>>Aber—<< setze Felice an. >>Nichts aber! Sev hat recht! Wir müssen in den Unterricht.<<

Lily zog Felice am Ärmel ihres Umhangs mit sich. Felice warf einen sehnsüchtigen Blick zu den Türen der großen Halle. Mal davon abgesehen, dass Felice Hunger hatte, hatte sie die Gelegenheit eigentlich nutzen wollen, die Rumtreiber um einen Gefallen zu bitten. So unglaublich das auch klingen musste, aber Felice hatte gar keine andere Wahl, als die vier Jungs um Hilfe zu bitten. 

Mies gelaunt und mit knurrendem Magen folgte sie Lily durch die Flure. >>Lily, kann ich wenigstens noch mal aufs Klo, bevor du mich quasi an den Haaren in den Unterricht schleifst? Hab heute fast verschlafen...<<

Lily verdrehte belustigt die Augen. >>Ich geh schon vor. Ich muss den Professor eh noch was fragen, bevor der Unterricht beginnt.<<

Schnell verschwand Felice in dem Mädchenklo. Sie musste gar nicht wirklich. Sie brauchte nur einen Moment, um sich zu sammeln.

Ächzend stützte Felice sich, an dem Rand eines zersprungenen Waschbeckens, ab und kniff die Augen zusammen. Ein jäher Schmerz jagte durch ihren Schädel und ließ ihr kurz schwarz vor Augen werden. Woher war das denn gekommen? 

Sie ließ sich kaltes Wasser über die Hände laufen und rieb sich die erhitzten Wangen. Ihre Augen glänzten Fiebrig, als sie einen Blick in den Spiegel über ihr riskierte.

Ihr übermüdetes Spiegelbild verschwamm immer wieder und verwackelte, wie bei einem alten Muggel Röhrenfernseher, bei dem die Übertragung immer wieder abbrach und sich neu aufbaute. Felice taumelte nach hinten.

Das Spiegelbild verschwamm wieder und sie sah das Aufblitzen zweier Gesichter. Dass ihrer Tante und das ihres Vaters. Doch bevor Felice etwas Genaueres erkennen konnten, verschwammen die Bilder und Felice fand sich am Boden wieder.

Stöhnend fasste sie sich an die Schläfe und rieb sich dann desorientiert über das Gesicht. Merlins Bart, was war das denn gewesen? 

Felice zog sich vom Boden hoch, in dem sie sich wieder mal am Waschbecken abstützte und einen blutigen Handabdruck darauf hinterließ.

Erschrocken starrte sie ihn an und dann auf ihre Hand. Und tatsächlich, auf der innen Fläche ihrer Hand klebte Blut. 

Ein Blick in den Spiegel verriet auch, woher es kam. Ein Rinnsal Blut lief aus ihrer Nase.

Mit der Hand hielt Felice sich die Nase, um die Blutung zu stoppen und mit der anderen nach einem Papierhandtuch zu suchen. Allerdings fand sie, in dem recht ramponierten Mädchenklo, nur eine Rolle Klopapier. Sie riss sich etwas davon ab und hielt es sich an die blutende Nase.

>>Hui! Da war aber eine weggetreten!<<, lachte eine gackernde Stimme. Felice fuhr herum und sah den Kopf eines Geistermädchens, aus der Kloschüssel der gegenüberliegenden Kabine gucken.

Das durfte doch wohl nicht wahr sein! Sie war direkt in das Klo der maulenden Myrte hineingestolpert und hatte es nicht mal mitbekommen!

Normalerweise machte sie einen großen Bogen um diese Toiletten. Irgendwie war hier etwas unheimliches, etwas Böses. Und nein, sie meinte nicht die Stimmungsschwankungen von Myrte.

>>Lass mich in Ruhe, Myrte. Ich bin nicht in der Stimmung.<<, fuhr Felice das Geistermädchen gereizt an. Mit einem aufheulen flog diese, in einem großen Bogen aus ihrer Toilettenschüssel und ließ sich auf dem Rand des Beckens, mit Felice blutigem Handabdruck, nieder. Böse funkelte sie sie an.

>>Oh, du bist nicht in der Stimmung?<<, fragte Myrte sarkastisch. >>Ich auch nicht, denn ich bin TOT!<<

Wieder heulte sie auf und vergoss lauter silbrig glänzende Tränen. >>Aber wer nimmt schon Rücksicht auf Myrte?!<< heulte sie. >>Myrte, tut mir leid, aber mir geht es nicht besonders und ich bin wahrscheinlich auch schon längst zu spät...<<

>>Ach geh doch!<<, schrie Myrte und begann, mit alten Seifenstücken, nach Felice zu werfen. Diese schnappte ihre am Boden liegende Tasche und rannte aus der Toilette, direkt zu ihrem Klassenzimmer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. 

>>Verzeihung, Professor, ich in zu spät.<< keuchte sie atemlos als sie in das Klassenzimmer platzte. >>Mir war nicht—<< Felice brach ab.

Das war nicht ihre Klasse. Ihr entgegen blickten ihr verwirrter Professor und einer Schar Ravenclaws und Hufflepuffs aus dem dritten Jahr, denen der Professor gerade eine Zeichnung eines Hinkepanks erläutert hatte.

>>Miss Grindelwald, Sie sind mehr als ein bisschen spät. Sie haben beide meiner Stunden verpasst.<<

>>Was?! Aber ich war doch nur kurz – <<, setzte Felice erschrocken an.

>>Das ist jetzt eh egal. Lassen Sie sich, von einem Ihrer Mitschüler, die Unterrichtsmitschriften geben und beeilen Sie sich, wenn Sie Ihre Zaubertrankstunde nicht auch noch verpassen wollen.<< Mit einem freundlichen Kopfnicken, deutete er zur Tür.

Vollkommen überfordert stolperte Felice aus dem Klassenraum und hielt sich an der Wand fest.

Zwei Stunden! Wie hatte sie nur mehr als zwei Stunden verpassen können?! Wie lange war sie bitte bewusstlos gewesen?!

Die Erbin GrindelwaldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt