Kapitel 19 - Kira

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Kilian ist Toni hinterher gegangen und im ersten Moment ist mein Impuls ihn zurückzuhalten, doch dann erinnere ich mich wieder daran, dass es an Kilian liegt, was er mit seinem Leben und seinen Gefühlen anfängt und nicht an mir. Also lasse ich ihn ziehen und geselle mich zu den anderen. Nur Lethe hat sich abseits der Gruppe gesetzt und starrt aufs Meer. Helios schaut Kilian hinterher und auf seinem Gesicht kann ich seine Qualen ablesen. Der Arme scheint sich Hals über Kopf in Toni verliebt zu haben. Der Abend zieht an mir vorbei und auch die Nacht vergeht wie im Flug.

Am nächsten Tag brechen wir in Richtung Panama auf. Wir sind eine weitere Nacht unterwegs und erreichen am Nachmittag unseres dreizehnten Reisetages Colon. Kilian hat vorgeschlagen hier an Land zu gehen und ein Hotel gefunden, das uns noch aufnimmt. Ich habe noch nie eine Nacht unter echten Terranern verbracht. Die Menschen die hier herum laufen, sehen so anders aus als bei uns in Atlantis. Viele Frauen tragen kurze Sachen. Manche bedecken ihre Haut nur an den nötigsten Stellen. Doch am auffälligsten ist, dass die meisten Frauen alleine herum laufen, selbst als es schon später Abend ist. Es kommt mir vor als sei ich irgendwo in einer völlig anderen Welt gelandet. Auch der Schmuck den manche Terraner tragen ist ungewöhnlich. Und einige tragen Bilder auf der Haut, die sie sich anscheinend haben aufmalen lassen. Da wir mit unserer Atlanterkleidung zu sehr auffallen, besorgt Toni uns Terraner Kleidung. Ich finde sie extrem unbequem und die Hosen zu tragen ist so ungewohnt, dass ich mich frage, wie die Terraner das aushalten können.

Am Abend sitzen wir auf dem Balkon, der an das Zimmer angrenzt und ich sehe zum ersten Mal in vollem Bewusstsein die Sterne. Als wir auf der kleinen Insel übernachtet haben, sind sie mir gar nicht aufgefallen, doch nachdem hier alle Straßenlampen ausgegangen sind, fallen sie mir direkt ins Auge. Ich könnte sie stundenlang anschauen und doch niemals genug bekommen. Am nächsten Morgen mietet Kilian einen Kleinbus und wir fahren über die Route drei nach Panama City. Ich sitze in der Mitte, mit Toni auf der einen und Lope auf der anderen Seite. Hinter uns sitzen Helios, Lethe und Silas die ihren Gedanken nachzuhängen scheinen, vorne neben Kilian sitzt Alessio.

»Wie kann es sein, dass Kilian Auto fahren kann?«, fragt Toni und schaut dabei skeptisch nach vorn zu ihrem Ehemann. Ich zucke mit den Schultern.

»Ich habe keine Ahnung. Aber solange es uns schneller ans Ziel bringt, ist mir das auch relativ egal.« Um meinen Worten die Schärfe zu nehmen, lächle ich Toni kurz an, die mein Lächeln erwidert. Am Abend erreichen wir Panama City. Auch hier übernachten wir wieder in einem Hotel, bevor es am nächsten Tag wieder in den Ozean geht. Ich bin froh, als mein bevorzugtes Element mich wieder umgibt und genieße den Anblick meiner dunkelvioletten Schuppen. Befreit sause ich durch das Meer. Warum es manche Atlanter immer wieder an die Oberfläche zieht, werde ich wohl nie verstehen. Sicher es ist ein angenehmes Gefühl den Wind und die Sonne auf der Haut zu spüren, aber es wiegt für mich bei weitem nicht das Gefühl auf, unter Wasser und frei zu sein. Außerdem ist der Ozean so viel vielfältiger und bunter als die Oberfläche. Die unzähligen Arten unter Wasser und die Farbenfrohe Pflanzenwelt machen alles um uns herum unverwechselbar.

Im Ozean wird auch unsere Stimmung wieder etwas ausgelassener. Nur Lethe schottet sich weiterhin von den anderen ab und scheint ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. Immer öfter lässt sie sich zurück fallen und kapselt sich von der Gruppe ab. Oftmals dreht sie sich um, als würde sie etwas suchen, oder als hätte sie vor etwas Angst. Beinahe macht sie einen nervösen Eindruck. Langsam lasse ich mich zu ihr zurückfallen und spreche sie an:

»Geht es dir gut, Lethe?«

»Warum sollte es mir nicht gut gehen?«, lautet ihre patzige Antwort.

»Naja du wirkst so unruhig und nachdenklich, lässt dich oft zurückfallen. Deswegen dachte ich mir, ich frage mal wie es dir so geht.«

»Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten, Kira«, blafft Lethe mich an und schwimmt dann von mir weg. Das war mal eine eindeutige Abfuhr. Das passt so gar nicht zu Lethe, die sonst immer nur in Lopes Schatten steht und ihr den Rücken frei hält. Wenig später schwimme ich neben Lope, die mich auf die Szene mit Lethe anspricht.

»Was war das denn vorhin?«, fragt sie und wirft einen bedeutungsvollen Blick in Lethes Richtung.

»Wenn ich das nur wüsste. Ich kenne sie so gar nicht. Eigentlich ist sie so eine Ruhige und vor allem lieb und nett. Und vorhin war sie richtiggehend aggressiv. Verstehe ich nicht.«

»Sie ist schon seit der Abreise so komisch. Eigentlich sogar schon vorher, wenn ich es mir recht überlege.« Lopes Gesicht wirkt nachdenklich. Dann erzählt sie, was sich mit dem Kraken im Bermudadreieck ereignet hat, noch bevor sie das Schiff erreicht haben, in dem sich das Artefakt befand. Zu der Zeit war ich weit hinter der Gruppe.

»Ich habe genau gesehen, dass sie die Muschel mit Ansicht hat fallen lassen. Und das irritiert mich total. Es ist als wollte sie nicht, dass Toni Erfolg hat, dabei ist Atlantis auch ihre Stadt. Und selbst wenn sie aus der Stadt ausbrechen will, dann muss sie doch wissen, dass auch alle anderen Städte von dem Fluch betroffen sind. Mich würde es auch nicht wundern, wenn sie gar nicht über dem Kraken im Schiff gestolpert ist, sondern ihn mit Absicht geweckt hat.« Lope schüttelt den Kopf und hat die Stirn gerunzelt, während sie wieder zu Lethe schaut.

»Schon Seltsam das alles«, gebe ich zu.

Doch unsere Grübeleien führen zu keinem Ergebnis, weshalb wir es vorerst aufgeben, hinter Lethes Geheimnis kommen zu wollen.

»Findest du nicht auch, dass Toni und Kilian eigentlich perfekt zusammen passen?«, wechselt Lope das Thema und ich werde rot. Lope und ich sind nicht wirklich miteinander befreundet. Eigentlich hatten wir vor der Hochzeit kaum wirklichen Kontakt, auch wenn ich immer wusste, dass sie die beste Freundin meines Bruders ist. Deshalb fühlt es sich seltsam an, mit ihr über die Frau meines Bruders zu reden. Also zucke ich nur mit den Schultern und gebe ein neutrales Brummen von mir.

»Ach komm schon Kira. Selbst du musst dir doch eingestehen, dass ihre direkte und herzliche Art wirklich erfrischend ist.«

Ich verdrehe die Augen.

»Ja du hast ja Recht«, gebe ich genervt zu. »Trotzdem ist es seltsam zu wissen, dass sie ein Halbling ist. Außerdem ist es egal ob sie zusammen passen oder nicht. Wenn wir unsere Aufgabe erledigen, wird sie an die Oberfläche verschwinden und wenn wir sie nicht erledigen, dann ist sowieso alles egal.«

»Wir werden diese Aufgabe aber erledigen«, antwortet Lope voller Überzeugung. »Toni wird alles dafür tun. Und er weiß, vielleicht kämpft Kilian ja um sie.«

Ein bisschen Bewundere ich Penelope ja für ihren Optimismus. Ich kann das alles nicht so positiv sehen. Seufzend zucke ich mit den Schultern.

»Vielleicht hast du Recht«, antworte ich leise und muss erkennen, dass ich mir wirklich wünsche, dass sie Recht behält. Toni tut Kilian gut und ich wünsche mir wirklich, dass er glücklich wird. Wenn man die beiden beobachtet, gelangt man zu der Überzeugung, dass sie ihn glücklich machen kann.

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