Kapitel 20 - Killian

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Nachdem wir am Morgen in den Ozean gegangen sind, schwimmen wir fünfzehn Stunden durch bevor wir für die Nacht halt machen. Lethe Protestiert als Einzige, als ich die Gruppe antreibe und wir erst nachts um eins zur Ruhe kommen. Immer wieder will sie Pause machen, doch wenn sie wirklich halt macht, treibe ich die anderen an, weiter zu schwimmen. Mittlerweile bin ich soweit, dass ich es drauf ankommen lasse, ob Lethe wirklich allein zurück bleibt. Doch sobald sie merkt, dass es uns ernst ist, holt sie wieder auf. Helios wirft mir immer wieder stirnrunzelnd einen Blick zu, doch es ist mir egal. Uns läuft die Zeit davon und wir müssen uns nun mal beeilen. Auch er muss wissen, dass das Schicksal aller atlantischen Städte davon abhängt. Am nächsten Tag passieren wir die Galapagos Inseln. Das Wasser wird unruhig und all meine Nervenbahnen sind in Alarmbereitschaft. Ich treibe die Gruppe zusammen.

»Wir müssen einen Unterschlupf finden. An der Oberfläche wütet ein Sturm und der ist nicht normal«, weise ich an und schaue nach oben. Um uns herum ist es dunkel. Zwar leuchtet noch alles in den schillerndsten Farben, aber das liegt hauptsächlich daran, dass wir als Atlanter besser sehen können, als die Terraner. Für einen einfachen Menschen, wäre es hier unten die pure Finsternis.

»Gibt es Stürme, die bis hier unten in die Tiefe reichen können?«, fragt Toni und betrachtet besorgt die dunkle Oberfläche, die sich über uns kräuselt.

»Wenn sie unnatürlich sind dann schon«, antwortet Helios und ich spüre ungewollt einen Stich der Eifersucht.

»Es gibt auch Unterwasserstürme«, setze ich hinzu. Auch wenn ich Toni nicht ängstigen will, so muss sie doch wissen, dass es diese Möglichkeit gibt. Ungläubig sieht sie mich an, wie sie es schon getan hat, als ich ihr von den Seeungeheuern erzählt habe. Wir schwimmen weiter und halten alle Ausschau nach einem möglichen Unterschlupf, doch alles was es hier gibt, sind farbenfrohe Korallen, Algen und Fischschwärme. Doch selbst diese wirken aufgeregt und ängstlich, als wüssten sie nicht, wohin sie so schnell sollen. Das Wasser wird immer wilder und mich überkommt das Gefühl, gegen eine starke Strömung anzuschwimmen. Dazu kommt, dass uns das aufgewühlte Wasser immer weiter dem Meeresboden entgegen drückt, wo gefährlich spitze Korallen und Steine auf uns warten. Ab jetzt ist jede Bewegung lebensgefährlich. Einmal in die falsche Richtung geschwommen und man wird auf einen Stein oder etwas anderes spitzes geschleudert.

Ich bleibe in Tonis Nähe und auch Helios bleibt an ihrer Seite, wofür ich ausnahmsweise einmal dankbar bin. Unsere Umgebung wirkt mit einem Mal, als hätte man der Farbe ihre Partikel entzogen, wodurch sie bedrohlich wirkt. Wir werden mehr durch die Gegend geschleudert, als das wir schwimmen und Tonis Gesichtsausdruck ist ängstlich, was den Beschützerinstinkt in mir weckt.

»Ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es so etwas unter Wasser gibt«, sagt sie, wobei das Tosen des Wassers sie fast übertönt. Normalerweise ist der Ozean ein ruhiger friedlicher Ort, doch durch den Sturm, der uns unter Wasser erreicht hat, ist das Wasser so laut, dass man sich fast nicht mehr verstehen kann. Ich schwimme dichter zu Toni heran, was leichter gesagt als getan ist und merke erst als es zu spät ist, dass mich ein Sog mit voller Wucht dem Meeresboden entgegen schleudert. Tonis Schrei hallt mir in den Ohren, als ich kraftvoll auf dem Meeresboden aufschlage und sich ein spitzer Stein in meine Unterflosse bohrt und sie von der Mitte bis zum unteren Gelenk aufreißt. Ein scharfer Schmerz durchfährt mich und in der nächsten Sekunde ist Toni neben mir. Das Wasser hier unten ist etwas ruhiger, aber immer noch gefährlich. Und ich will nicht, dass Toni meinetwegen verletzt wird.

»Was machst du hier?«, fahre ich sie an, denn sie hier in Gefahr zu wissen, ist fast noch unerträglicher als der körperliche Schmerz.

»Ich wollte sie aufhalten«, sagt Helios, der nun neben Toni auftaucht. »Aber, Mann, sie kann niemand aufhalten, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat.« Seine Stimme klingt bewundernd und Toni wirft Helios einen Blick zu der ihn sofort verstummen lässt. Helios schaut ein paar Mal zwischen Toni und mir hin und her. Einen Augenblick scheint es hinter seiner Stirn zu arbeiten und im nächsten Moment fällt seine Maske und ein schmerzlicher und unendlich trauriger Ausdruck tritt auf sein Gesicht. Was auch immer ihm gerade aufgegangen ist, scheint seine Welt in ihren Grundfesten erschüttert zu haben. Ich habe keine Zeit dies zu hinterfragen, denn der Sturm tobt weiter und Toni scheint nicht gewillt, sich von meiner Seite weg zu bewegen. Daher versuche ich meine Flosse zu bewegen, was auch gelingt, zwar unter Schmerzen, aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass ich zu viel Blut verliere. Und das kann Haie anlocken.

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