18 | Aus dem Nichts.

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06.November 1993

Am nächsten Morgen sitze ich schon bei George am Frühstückstisch, als Fred etwas später nachkommt. Er sieht müde aus. Sein Auge ist immer noch geschwollen und seine eine Gesichtshälfte hat einen Lila-Grün-Ton angenommen. George guckt von Fred zu mir, wieder zu Fred und wieder zu mir, als dieser sich hinsetzt.

»Freddie, wie geht's dir?«, frage ich und begutachte sein Gesicht. George lacht und ich schneide eine Grimasse in seine Richtung. Fred nimmt sich eine Scheibe Toast.

»Wunderbar, sieht man doch«, brummt er und reißt sich ein Stück von dem Toast ab. »Was war eigentlich gestern auf einmal mit dir los, Em? Was hab ich gestern während des Kloputzens verpasst?«

Ich verkneife mir ein Grinsen und erzähle ihm dann in gedämpften Ton von meinem gestrigen Tag mit Lupin und von unserer Verabredung heute Abend. Fred hört mir neugierig zu und nickt hin und wieder.

»Krass«, sagt er als ich fertig bin und beißt von seinem Toast ab.

Als ich gerade ansetzen und weiterreden will, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie Angelina den Gang entlang stürmt und sich wutentbrannt auf einen Platz am anderen Ende des Tisches setzt, und verstumme. Ich blicke zu Fred, doch der meidet sowohl Angelinas als auch meinen Blick. Sie sieht aus als habe sie geweint.

»Fred, was ist mit Angelina los?«, ich blicke in ihre Richtung. Sie erwidert meinen Blick und funkelt mich böse an. Schnell weiche ich ihrem Blick aus, doch merke, dass sie mich weiterhin ansieht. So sauer habe ich bisher noch nie jemanden erlebt. »Hab ich irgendwas gemacht?«, frage ich mit einem erneuten Blick zu der glühenden Angelina. George kaut auf seiner Unterlippe und schaut zu seinem Bruder. »Verheimlicht ihr mir irgendwas?«

»Nein«, sagen sie im Chor.

»Habt ihr euch gestritten?«, frage ich Fred neugierig und versuche Angelina nicht zu beachten.

Er beißt erneut von seinem Toast ab und wechselt wissende Blicke mit seinem Bruder.

»Erde an die Weasley Zwilling!«, versuche ich mich bemerkbar zu machen. Sie schauen mich an.

»Ja, haben wir... quasi...«, murmelt Fred.

Ich nicke. Was soll das den jetzt bedeuten? Vielleicht haben sie sich ja getrennt. »Warum habt ihr euch gestritten?«, frage ich doch Fred rollt mit den Augen.

»Du bist ja gar nicht neugierig, Emilia.« Er lacht auf und schüttelt den Kopf. »Nicht so wichtig.«

»Wenn Angelina mich beim nächsten Quidditchtraining vom Besen schubst will ich zumindest wissen, warum«, gluckse ich und wage einen erneuten Blick zu der Jägerin. Immer noch schaut sie mich wütend an. Ich drehe mich zu Fred.

»Ist doch egal«, murmelt er und stützt seinen Kopf auf seiner Hand auf. Er seufzt und starrt ins Leere. Dann wandert sein Blick zum Slytherintisch und zurück zu mir.

»Ich... Ich hab gehört, du bist jetzt mit diesem Beck zusammen... Stimmt das?« Er blickt mich fragend an. Es liegt ein gekränkter Ausdruck in seiner Stimme.

»Du bist ja gar nicht neugierig, Fred«, mache ich ihn nach und versuche zu grinsen. Er erwidert mein Grinsen nicht. Ich werde rot und blicke auf meine Müslischale. »Kann schon sein«, antworte ich dann auf seine Frage. »Und wo hast du das gehört?«

»Angelina.«

Ich nicke. »Oh.« Mein Müsli ist auf einmal so interessant...

»Warum hast du mir das nicht erzählt?«, fragt er dann lauter und dreht sich schnell zu mir um.

Ich zucke zusammen und blicke zu ihm auf. Ich verziehe das Gesicht. »Ich... weiß es nicht«, murmle ich leise. »Ich wusste nicht... wie«, flüstere ich und schaue beschämt und mit knallrotem Gesicht auf meine Hände.

»Ich kann den Kerl nicht leiden«, knurrt Fred und ich verdrehe die Augen.

»Das sagtest du bereits. Etwa hundertmal.«

»Emilia, er ist ein Fiesling.«

»Was?«, zische ich.

»Denk doch mal an das gestern.«

»Gestern, als DU auf den Slytherin losgegangen bist?« Jetzt werde ich zickig. Was denkt er sich denn eigentlich? Ich bin zwar auch sauer auf Beck, aber... Naja... Also. Fred hat einfach kein Recht sowas zu sagen.

»Gestern, als ER den Slytherin verteidigen wollte, der DICH beleidigt hat«, erwidert Fred laut.

»Leute...», versucht George uns zu beruhigen. »Würdet ihr bitte aufhören euch zu streiten?«, sagt er ruhig und rauft sich die Haare.

»Halt dich da raus!«, weisen Fred und ich ihn ihm Chor an.

»Ich meine ja nur, dass ihr einfach nicht zusammenpasst«, Fred dreht sich wieder zu mir und redet etwas leiser.

»Ach, und du entscheidest also, mit wem ich zusammenpasse und mit wem nicht?«, frage ich ihn ungläubig und stehe hastig auf.

»So war das nicht gemeint«, verteidigt er sich.

»Ach NEIN?« Ich nehme meine Umhängetasche von der Bank.

»Nein. Ich meine...« Er sucht nach Worten. »Er ist viel zu alt für dich. Er ist ein Slytherin.«

Ich schnaube und schüttle genervt den Kopf. Wie kommt er darauf, so mit mir über meinen... meinen Freund zu reden? Ich drehe mich um und gehe ohne etwas zu sagen in Richtung Ausgang.

»Emilia!« Er hält mich an der Schulter fest und dreht mich um. Ich stoße ihn gegen den Brustkorb und schubse ihn von mir weg. Er stolpert, fällt aber nicht hin.

»Zu alt?« Jetzt bin ich wütend. »ZU ALT?«, wiederhole ich mich. Ich funkle ihn an und blicke in seine von der Schwellung unterschiedlich großen grünen Augen.

»Er ist 17!«

»Ja, und du 15.«

»DU. BIST. NICHT. MEIN. VATER!«, knurre ich und wende mich von ihm ab. Ich schreite aus der Halle raus und ignoriere die verdutzten und belustigten Blicke um mich herum. Fred folgt mir.

»Emilia, es tut mir leid, bitte.« Er holt mich ein und versucht mit mir Schritt zu halten. Ich will nur noch raus. Ich laufe aus dem Schloss, raus in den Schnee, Fred an meiner Seite.

»Warum interessiert dich das überhaupt? Ich versuche ja auch nicht, dir Angelina auszureden, auch wenn mir da viel einfallen würde«, schnaube ich ihn genervt an. Er bleibt stehen. »Du hast Angelina, ich habe Beck. Ich mische mich nicht in deine Beziehung ein, also tu du das bitte auch nicht bei mir. Verstanden?« Ich blicke mich zu ihm um und bleibe stehen, als ich merke, dass er weit hinter mir stehengeblieben ist. Also gehe ich auf ihn zu. »Verstanden?«, frage ich genervt.

»Emilia, ich hab das mit Angelina heute Morgen beendet.« Schlagartig bleibe ich stehen und alles an meinem Körper verkrampft. »Oh...«, mache ich und mein Herz rast plötzlich ganz schnell.

Stille.

»Das... Dann... Das gibt dir trotzdem nicht das Recht, dich in meine Angelegenheiten einzumischen«, stammle ich. Fred ist nicht mehr mit Angelina zusammen. Endlich. Das erklärt ihren Todesblick. Aber warum hat sie mich so angesehen und nicht ihn?

»Ich wollte nicht... Ich meine nur... Hast du dir das gut überlegt?«, fragt er ernst. »Du kennst ihn doch kaum.«

»Und du kennst ihn also besser?«, schnaube ich. »Lass es einfach gut sein, Fred.« Ich drehe mich kopfschüttelnd um und gehe weiter in Richtung See.

Erst denke ich, Fred hat den Rückweg eingeschlagen und geht wieder ins Schloss zurück, doch dann höre ich im Schnee Schritte, die immer näherkommen.

Schließlich werde ich am Handgelenk gepackt und herumgerissen. Fred steht vor mir, mit verunsichertem Blick und zieht mich an sich.

Er beugt sich zu mir herunter, nimmt mein Gesicht in seine Hände und ...

küsst mich.


[edited dec 2022]

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt