Kapitel 23 - Killian

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Nachdem wir wieder im Meer sind, beobachte ich Toni. Irgendwie wirkt sie betrübt, seit wir das kleine Atoll verlassen haben. Ob es an ihrem Gespräch mit Helios lag? Oder an den Streit mit Lethe? Ich habe zwar so getan, als hätte ich die beiden nicht gesehen, aber ich habe genau mitbekommen, wie sie aneinander geraten sind. Nur konnte ich nicht verstehen, worum es ging. Lethes Worte müssen Toni ganz schön zugesetzt haben, denn ihr Gesichtsausdruck war so verletzlich, dass ich am liebsten zu ihr gegangen wäre, um sie in die Arme zu nehmen.

Was mich davon abgehalten hat, kann ich selbst nicht sagen, denn eigentlich ist es doch das Einfachste der Welt. Sie ist meine Frau, ich kann sie trösten wann immer ich will. Doch die Angst vor Zurückweisung lässt das nicht zu. Ein Gefühl, das mir völlig neu ist. In Atlantis würde sich niemand trauen, den Prinzen zurück zu weisen. Helios schwimmt zu Toni hinüber und ein mieses Gefühl macht sich in mir breit. Aber im Gegensatz zu sonst, lächelt sie ihn nicht an. Die fröhliche, kindische Art vom Beginn unserer Reise ist verschwunden und hat einer ernsten jungen Frau Platz gemacht. Ich bin mir nicht sicher ob mir das gefällt. Toni ist schön, die schönste Frau die ich jemals gesehen habe, aber der Glanz in ihren Augen ist erloschen und sie strahlt nicht mehr, wie die Sonne. Ihre Haut wirkt fahl und ihre Schuppen wirken stumpf. Ich würde diese ganze Mission am liebsten hinschmeißen und mich nur um Toni kümmern. Dafür sorgen, dass sie wieder strahlt, dass da wieder dieses Feuer in den Augen leuchtet, wenn sie den Leuten die Stirn bietet, aber das kann ich nicht. Atlantis ist mein Königreich und es wird schon schwer genug, das Volk auf meiner Seite zu behalten, wenn Toni nicht mehr da ist. Für sie wird es als Versagen gedeutet werden, wenn meine Frau mich verlässt. Die Ehe ist heilig, in Atlantis gibt es keine Scheidungen und ich verstehe nicht, wie mein Vater Toni so schnell ihre Bedingung erlauben konnte. Toni lässt sich zurückfallen und scheint allein sein zu wollen, während Helios einen Blick über die Schulter wirft und ihr einen traurigen Blick zu wirft. Dann schwimmt er wieder nach vorne und übernimmt die Führung. Ich warte auf Toni und schwimme dann neben ihr her.

»Heute kein Rumalbern mit Helios?«, frage ich und obwohl ich versuche Scherzhaft zu klingen, schleicht sich ein Vorwurfsvoller Unterton in meine Stimme. Toni wirft mir nur einen düsteren Blick zu und schweigt. Ich seufze.

»Was ist los?«, stelle ich eine weitere Frage und ernte dafür ein seufzen von Toni.

»Nichts«, antwortet sie dann leise. »Ich spüre nur wieder das Ziehen in meinem Bauch.«

Ich weiß, dass das nicht alles ist. Sie schaut mir nicht in die Augen und beißt nervös auf ihrer Unterlippe herum. Was bedeutet, dass sie mir nicht die Wahrheit sagt. So gut kenne ich sie mittlerweile.

»Dann übernimm die Führung, damit du nicht unnötig Schmerzen empfinden musst. Wir folgen dir.«

Tonis Blick geht zu Helios und ihr Gesichtsausdruck verfinstert sich.

»Komm mit«, sage ich etwas schärfer als beabsichtigt, was mir gleich wieder einen bösen Blick von ihr einbringt. Sie verschränkt die Arme vor der Brust und gibt mir damit zu verstehen, dass sie nicht mal daran denkt, mir zu folgen.

Ich verdrehe die Augen, bevor ich hinzufüge: »Komm bitte mit mir, Toni. Wir übernehmen gemeinsam die Führung.« Dazu halte ich ihr die Hand hin und lächle sie an. Gerade ihre Sturheit fasziniert mich am Meisten an ihr. Skeptisch beäugt sie meine Hand, bevor sie sich einen Ruck gibt und sie ergreift. Toni und ich schwimmen nach vorne, wo ich mich an Helios wende: »Kannst du bitte, die Nachhut übernehmen? Wir brauchen einen starken Krieger, der uns den Rücken frei hält. Toni hat wieder Schmerzen und muss die Führung übernehmen.«

Helios' Blick fällt auf Tonis Hand, die immer noch in meiner liegt und er zieht die Augenbrauen zusammen.

»Ich kann auch bei ihr hier vorne bleiben. Du bist genauso stark wie ich«, wirft Helios ein.

Ich werfe Toni einen Blick zu und sehe, wie sich so etwas wie Panik auf ihrem Gesicht breit macht. Sie scheint definitiv nicht mit Helios an der Spitze schwimmen zu wollen.

»Ja, aber sie ist meine Frau, also schwimme ich mit ihr vorne«, gebe ich zurück und Helios verdreht die Augen.

»Das ist dein schlagendes Argument, nicht wahr?«, antwortet er. »Sie wäre nicht deine Frau, hätte man sie nicht dazu gezwungen dich zu heiraten.«

Seine Worte lösen eine Wut in mir aus, die mich dazu veranlasst ihm ins Gesicht schlagen zu wollen. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich schon einen Satz nach vorne gemacht habe, als Toni mich mit beiden Händen am Arm zurück hält. Feindselig funkelt Helios mich an, doch es ist Toni, die den Mund auf macht.

»Du solltest nach hinten gehen, Helios«, sagt sie leise und vermeidet es ihm in die Augen zu sehen. Ihr Gesichtsausdruck wirkt gequält und am liebsten würde ich sie einfach nur in den Arm nehmen und sie irgendwo verstecken, wo niemand ihr jemals wieder etwas antun kann.

Helios sieht aus wie ein geprügelter Hund, doch nachdem er mir noch einen wütenden Blick zugeworfen hat, verzieht er sich ans Ende unserer Gruppe. Meine Gefühle fahren achterbahn. Einerseits möchte ich Helios dafür schlagen, dass er Toni so zu quälen scheint, andererseits tut er mir wieder leid.

Toni lässt mich los und ich habe das Gefühl, als hätte sie mir etwas weggenommen, als ihre schmale Hand nicht mehr auf meinem Arm ruht. Schweigend schwimmt sie los . Ich wünschte ich könnte ihr irgendwie ein Lächeln ins Gesicht zaubern, doch alles was ich im Moment tun kann ist, ihr zu folgen.

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