Kapitel 26 - Killian

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Helios und ich stürzen uns mit gezückten Schwertern auf das Ungeheuer. Das Vieh ist riesig und eigentlich sollte es solche Dinger hier gar nicht geben. Wir geben alles und obwohl Helios ein überragender Kämpfer ist, kommen wir immer wieder in Bedrängnis. Beide versuchen wir Toni aus der Schusslinie zu halten, doch das ist einfacher gesagt als getan.

»Schwimm weg, Toni!«, brülle ich ihr zu und versuche mich weiter auf das Ungeheuer zu konzentrieren, doch natürlich denkt sie gar nicht daran zu verschwinden.

»Ich lasse euch nicht allein!«, brüllt sie zurück und weicht einem Hieb des Mhorag aus. Sie ist wendig, dass muss man ihr lassen, doch sie hat nicht die Erfahrung eines Kriegers und während sie der Kralle des Viehs ausweicht, streift sie der Schwanz und Toni zuckt vor Schmerz zusammen.

Erschrocken schaue ich zu ihr und vergesse für eine winzige Sekunde, dass Untier vor mir. Ich sehe nur meine Frau und die blutende Schramme die sich über ihre Wange zieht und auf einmal keimt eine unglaubliche Wut in mir auf. Ich kämpfe wie ein Besessener weiter, denn ich will Toni um jeden Preis schützen, doch die Haut des Mhorag scheint aus Stein zu bestehen. Unsere Schwerter hinterlassen kaum Wunden und die Hiebe machen das Monster nur wütender. Helios gibt genau wie ich alles und wir greifen von beiden Seiten an. Er versetzt dem Monster einem Hieb am Hals, wo sich eine Wunde abzeichnet, die sich jedoch sofort wieder schließt. Toni versucht sich von uns fernzuhalten, doch die Sorge, die ihr ins Gesicht geschrieben steht, treibt sie immer wieder in unsere Richtung.

»Toni, du musst verschwinden, bring dich in Sicherheit«, schreie ich abermals, aber sie schüttelt nur energisch den Kopf, während ich einem weiteren Hieb ausweiche.

»Ich kann nicht«, antwortet sie ebenso laut. »Selbst wenn ich wollte. Immer wenn ich mich von euch fort bewege, zieht mich ein Sog wieder zurück.«

Irritiert schaue ich zwischen Toni und dem Mhorag hin und her und versuche gleichzeitig mich nicht treffen zu lassen. Was Toni da erzählt passt irgendwie nicht. Das Einzige was die Macht hat, sie zu rufen sind die Artefakte und die würden Toni eher beschützen statt sie in Gefahr zu bringen. Helios versetzt dem Ungeheuer einen Hieb am Schwanz und diesmal brüllt es laut auf.

»Ich glaube, sein Schwanz ist seine Schwachstelle«, ruft Helios mir zu, doch die Wunde verheilt genauso schnell, wie die am Hals, viel zu schnell, als das wir ihn damit ernsthaft verletzen könnten.

Eine scharfe Kralle streift meinen Arm und ich ziehe scharf die Luft ein. Ein brennender Schmerz schießt durch meinen Oberarm, aber zum Glück war es nicht mein Schwertarm. Nachdem die Wunde an meiner Flosse gerade erst wieder vollständig verheilt ist, kann ich kein weiteres Handikap gebrauchen.

»Kilian!« Tonis Schrei hallt durch die Höhle. Ich schaue in ihre Richtung. Als sie sieht, dass ich nicht schwer verletzt bin, zeichnet sich Erleichterung auf ihrem Gesicht ab. Aber als sich unsere Blicke treffen, sehe ich aus den Augenwinkeln, wie der Schwanz, wie ein Pfeil auf Toni zuschießt. Ich reiße die Augen auf und weiß, dass jede Warnung zu spät kommen würde. Ich sehe Toni bereits durchbohrt am Meeresboden liegen und das Bild verursacht mir solche Schmerzen, dass ich glaube selbst getroffen worden zu sein. Zugleich öffnet es mir die Augen: Ich kann Toni nicht wieder verlieren und dennoch wird es so kommen. Doch bevor sich die Spitze in Tonis Brust bohren kann, springt Helios hervor und schubst Toni beiseite. Ich achte nicht darauf ob es ihm gut geht und habe nur Augen für Toni, die mehre Meter entfernt im Wasser schwebt und Helios anschaut, der ihr gerade das Leben gerettet hat.

Helios hat ihr das Leben gerettet und nicht ich, obwohl ich ihr Ehemann bin und geschworen habe sie zu beschützen. Ein Gefühl des Versagens durchströmt mich, aber mir bleibt keine Zeit, dem Gefühl auf den Grund zu gehen, denn das Untier kämpft verbissen weiter und wir haben erst Recht keine Chance wenn ich meinen Gefühlen nachhänge.

Im nächsten Moment schlägt Helios dem Mhorag den Schwanz ab und ich nutze den Moment in dem das Vieh brüllt und schlage ihm den Kopf ab. Es bleibt nichts als Asche zurück. Wenn jemand diese Höhle nun betreten würde, würde niemand vermuten, dass hier gerade ein Kampf stattgefunden hat. Wie unter Schock starren wir auf die Stelle, an der eben noch der Mhorag geschwommen hat. Schwer atmend kommt Helios zu uns herüber.

»Geht es euch gut?«, fragt er Toni und mich.

»Nur ein Kratzer«, antworte ich Schulterzuckend.

»Ja bei mir auch«, erwidert Toni leise und wirkt noch blasser als zuvor.

Mir wird bewusst, dass Toni nicht mehr neben mir stehen würde, wenn Helios nicht wäre. Irgendwie verbindet uns was und ich kann ihm nicht länger mit Verachtung begegnen. Das macht es mir noch schwerer zuzusehen, wie er sich zu Toni beugt um ihre Wange zu inspizieren. Eigentlich müsste ich sauer werden und ihm sagen, dass er seine dreckigen Finger von meiner Frau lassen soll, doch meine Gefühle für Toni machen mich schwach. Nur sie sind schuld, dass ich heute so unvorsichtig war. Ich darf sie nicht zulassen, sonst werden andere den Preis zahlen müssen. Das Stechen in meinem Herzen ignorierend, drehe ich mich von den Beiden weg. In Zukunft werde ich mich nur um unsere Mission kümmern und darum, dass Toni diese lebend und unversehrt übersteht.

»Wir müssen zurück«, sage ich und kann die Verbitterung in meiner Stimme nicht unterdrücken.

»Lass mich wenigstens, deinen Arm ansehen«, sagt Toni und legt eine Hand auf meinen unverletzten Arm, doch ich schüttele sie ab.

»Mir fehlt nichts. Wir müssen zurück.« Obwohl ich sie nicht ansehe, spüre ich wie sehr mein Verhalten Toni verletzt. Und obwohl ich nichts lieber machen würde, als sie in den Arm zu nehmen und zu trösten, verschließe ich meine Gefühle ganz tief in mir und werde zu dem Killian, den Atlantis braucht. Ein König der keine Schwäche und keine Gefühle zulassen wird.

Der Rückweg kommt mir drei Mal so lang vor, wie der Hinweg. Dass Helios Tonis Leben gerettet hat, scheint ihr ihre Befangenheit genommen zu haben. Sie bedankt sich freundlich bei ihm und geht ihm auch nicht mehr aus dem Weg. Was auch immer zwischen ihnen stand, scheint überwunden. Zurück an Land finden wir Silas, Alessio und Lope in hitziger Diskussion vor. Dieser Anblick ist so ungewohnt, dass ich im ersten Moment glaube zu träumen. Alessio streitet sich nicht. Niemals und Silas ist wie ein Bruder für ihn. Was könnte passiert sein, dass die beiden so aneinander geraten sind? Meine Schwester steht neben den dreien und massiert sich die Nasenwurzel, als wüsste sie nicht was sie noch machen sollte. Ich gehe zu ihr hinüber und stelle mich neben sie. Toni folgt mir und sieht zwischen allen hin und her. Lethe steht neben den Streithähnen und wirkt irgendwie zufrieden. Sie scheint der Streit nicht zu stören und mir drängt sich die Frage auf, warum sie nicht versucht ihre beste Freundin zu beruhigen.

»Was ist hier los, Kira?«, fragt Toni und klingt dabei ziemlich genervt.

Kira wirft die Hände in die Luft und sagt: »Wenn ich das wüsste. Ich weiß nicht warum sie jetzt schon wieder streiten. Ich habe schon die ganze Zeit damit verbracht immer wieder zwischen den dreien zu vermitteln, aber es ist als wäre es verhext. Jedes Mal gibt es etwas neues worüber sie sich aufregen und ich bin es leid mich einzumischen. Vielleicht könnt ihr sie zur Vernunft bringen.« Damit dreht sie sich um und geht davon. Toni schaut Kira kurz hinterher, bevor sie zu den drei Streithähnen geht.

»Ähm, darf ich mal erfahren, worum es hier geht?«, fragt sie energisch und Alessio wirft ihr einen vernichtenden Blick zu.

»Frag doch Silas«, schnauzt er sie an, aber Toni lässt sich nicht einschüchtern.

»Ich frage euch alle«, erwidert sie streng und Alessio schnaubt.

»Silas hat mir ein Bein gestellt, als ich nach Lope sehen wollte«, sagt Alessio dann und Silas verteidigt sich gleich darauf.

»Habe ich nicht, du bist über einen Stein gestolpert«, erwidert er hitzig.

»Dann hast du ihm den Stein in den Weg geschossen«, mischt sich nun auch Lope ein.

Keiner von ihnen achtet auf Tonis Gesichtsausdruck, doch ich kann sie von hier gut sehen und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, denn ich bin mir sicher, dass sie den dreien gleich die Meinung sagen wird und das nicht auf nette Art und Weise.

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