Kapitel 7

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Pünktlich um 9 Uhr stehe ich vor der Firma und warte auf Herrn Scholz. Mir wurde gesagt, dass er mich am Eingang abholt und auch das Gespräch mit mir führen wird. Nervös kontrolliere ich noch einmal mein Outfit und zupfe meinen Rock zurecht, als ein etwas kleinerer, bebrillter Mann in einem Kittel aus dem Tor kommt. Ich gehe auf ihn zu und wir stellen uns vor. Er nimmt mich mit in die Firma und gibt mir einen kleinen Rundgang, der in einem Labor endet. „Das hier könnte ihr Arbeitsplatz werden", sagt er und zwinkert mir verheißungsvoll zu. Dann gehen wir weiter in sein Büro und unterhalten uns. Es kommt mir mehr vor wie ein Gespräch mit meinem Onkel, als eine Bewerbung. Herrn Scholz scheint es ähnlich zugehen, denn er ist sehr gelassen und zu Späßen aufgelegt. 

Ehe ich mich versehe ist das Gespräch vorbei und er reicht mir seine Hand. „Ich freue mich wirklich, dass sie heute da waren Frau Schmidt. Ich glaube wirklich, dass sie eine tolle Unterstützung für unser Team wären. Meine Kollegen und ich führen noch bis nächste Woche weitere Bewerbungsgespräche und am 18.10 melden wir uns wieder bei Ihnen. Vielen Dank." „Ich habe zu danken", sage ich fröhlich und mache mich auf den Weg nach draußen. Als ich das Gelände verlasse, klingelt auch schon mein Handy und ich erzähle meiner Mutter wie toll das Gespräch verlaufen ist. Sie freut sich wirklich sehr für mich, aber etwas schwingt in ihrer Stimme mit: „Wirst du dann nach München ziehen?" will sie wissen. Tja, will ich das? So richtige Gedanken habe ich mir darüber noch gar nicht gemacht. Für mich hieß es nur Hauptsache weg, aber München ist auch nicht gerade billig. „Noch habe ich den Job ja nicht fest, Mama, und die Bewerbung in Kiel steht auch noch aus" beruhige ich sie und mich und lege auf. München wäre wirklich verdammt weit weg und außerdem ist da noch der Dialekt. Für mich als geborene Berlinerin, eine nicht ganz unbeträchtliche Hürde. Naja erstmal abwarten würde ich sagen. 

Ich packe meine Kopfhörer aus und mache mich auf dem Weg zurück zum Hotel. Es läuft wieder dieselbe Playlist wie auch im Zug gestern und vor meinem inneren Auge sehe ich wieder diesen Wuschelkopf. Gutaussehende Männer waren immer deine Schwäche, würde meine Mutter jetzt sagen, wenn sie mich so sehen könnte. Ich muss über meine eigenen Gedanken lachen und beschließe den restlichen Nachmittag in dem kleinen Café in der Innenstadt zu verbringen, in dem ich gestern schon war. Auf dem Weg dahin komme ich an einer Buchhandlung vorbei und stöbere ein wenig durch die Regal. Ich werde tatsächlich fündig und so sitze ich nun mit meinem neuen Buch und einer dampfend heißen Tasse Kaffee am Fenster in einem Sessel. Ich sehe eine Weile dem Treiben in der Fußgängerzone zu, bevor ich mich meinem Buch widme.

Mit einem Mal fühle ich mich beobachtet und meine Blick fällt von der Seite auf der ich grade bin aus dem Fenster. Zwei tiefbraune Augen schauen mich an und ein Lächeln gesellt sich zu ihnen. Er hebt die Hand und grüßt mich stumm durch das Glas, als ein großer dunkelblonder Typ seine Aufmerksamkeit von mir wegzieht und die beiden die Fußgängerzone weiter entlanggehen. Vielleicht ist München ja doch gar nicht so sehr Großstadt wie ich dachte.

Wir hatten doch Pläne | wincent weissOù les histoires vivent. Découvrez maintenant