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Zwei Wochen später war es so weit: Ich stand auf dem Bahnhof von Riverstone - dem Heimatort meines Erzeugers - und wartete auf meinen Vater, neben mir stand ein kleiner Koffer und mein Rucksack.

"Mary!", hörte ich plötzlich Dads Stimme hinter mir. Lächelnd drehte ich mich zu ihm um. Zwar war ich nicht begeistert, die gesamten Ferien bei ihm verbringen zu müssen, aber ich liebte meinen Vater. "Na Daddy", grinste ich und umarmte ihn, "Wie geht's dir?" Er fuhr sich durch seine angegrauten Haare und nickte hastig. "Gut, gut. Und dir so?" Er sah sich beinahe nervös um und nahm schnell meinen Koffer hoch.

Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich ihn, ging aber nicht auf sein seltsames Verhalten ein, sondern nahm meinen Rucksack auf meine Schulter, um ihm dann zum Ausgang zu folgen. "Auch ... Ich muss nur noch eine Prüfung ablegen, dann habe ich meinen Führerschein", strahlte ich ihn an. Er warf mir einen kurzen Blick zu und lächelte schnell, während er beinahe durch den Bahnhof rannte.

"Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?", hakte ich nach, doch er nickte nur wieder und beschleunigte seine Schritte sogar noch. Keuchend rannte ich neben ihm her und war sehr erleichtert, als wir Dads Auto erreichten. Doch als ich mich in Richtung Beifahrersitz bewegte, schüttelte Dad energisch den Kopf und deutete auf die Tür zur Rückbank. Irritiert öffnete ich diese also und ließ mich auf dem Leder nieder. Da sah ich eine fremde Frau auf dem Beifahrersitz, und Dads Nervosität erklärte sich von selbst.

Ihre hellbraunen Haare waren kurz geschnitten, und ich konnte ein Tattoo in ihrem Nacken erkennen, bevor sie sich zu mir umdrehte. "Hi, ich bin Linda", stellte sie sich lächelnd vor und entblößte dabei ihre geraden Zähne. "Marisa", antwortete ich verblüfft. Seit Mums und Dads Trennung hatte ich Dad nicht mehr in der Begleitung einer Frau gesehen.

"Bist du mit Dad zusammen?", fragte ich gerade heraus. Sie wurde ganz rot, was man bei ihrer hellen Haut gut sehen konnte, und sie war mir sofort sympathisch.

"Hör zu, ich weiß, dass es schrecklich ist, wenn der eigene Vater mit einer neuen Frau zusammenkommt - ich habe selbst eine Stiefmutter - aber du sollst wissen, dass ich dir deinen Dad nicht wegnehmen möchte. Ich liebe ihn wirklich, aber ich möchte mich auf keinen Fall zwischen dich und ihn stellen. Also wenn es ein Problem gibt, kannst du immer direkt zu mir kommen."

Nachdem sie ihre kleine Rede beendet hatte, sah sie mich unsicher an. Sprachlos starrte ich zurück - ich war mir ziemlich sicher, dass ich total bescheuert aussah, mit meinem offen stehenden Mund -, bevor ich sie schließlich anlächelte.

"Du scheinst nett zu sein", meinte ich dann, "Versau's bloß nicht. Ich hab gesehen, wie nervös Dad war, als er mich abgeholt hat. Er scheint ihm mit dir wirklich ernst zu sein, und wenn du ihm das Herz brichst, reiß ich dir jedes Haar einzeln aus." Todernst bohrte ich meinen Blick in ihren, während sie mich erleichtert ansah. "Keine Sorge", antwortete sie lächelnd. Da stieg mein Vater ein und sah von Linda zu mir und wieder zurück.

"Alles okay?", fragte er misstrauisch, doch wir grinsten ihn nur beide an, und das war ihm Antwort genug, sodass er den Motor startete und los fuhr.

Kurze Zeit später hielt er vor seinem Haus. Es sah aus wie jedes andere in der Straße: Rotes Ziegeldach, Backsteinwände und ein aus der Wand herausschauender Kaminschacht. Doch im Gegensatz zu den anderen Häusern wurde dieses nicht von einer Musterfamilie mit drei Kindern und einem Hund bewohnt, sondern von vier erwachsenen Männer und vielleicht einer Frau - ob Linda schon bei Dad eingezogen war, wusste ich noch nicht.

Mein Vater war Teilzeitkindergärtner und Hobbyautomechaniker, sodass er mit Sasha, Eugen und Dennis eine WG gegründet hatte, um sich dieses große Haus leisten zu können. Warum er überhaupt so viel Platz brauchte, hatte ich noch nie verstanden, aber die drei waren nett, und da ich sie jetzt schon seit etwa zehn Jahren kannte, waren sie inzwischen für mich wie eine Art Brüder geworden.

"Mary!", rief Sasha von der Haustür aus, als ich ausstieg. Ich sah zu ihm herüber und erschrak. "Was hast du getan?", fragte ich schockiert und lief auf ihn zu. "Was meinst du?", erwiderte er grinsend. Er wusste genau, was ich meinte! "Deine Haare sind lila", stellte ich fest, doch er grinste nur wieder und schloss mich in die Arme, als ich bei ihm ankam.

"Ist wegen 'ner Wette", erklärte Eugen hinter ihm seine ungewöhnliche Haarfarbe lachend. Das sah ihnen ähnlich. "Und was hat dein Chef dazu gesagt?", fragte ich und löste mich von Sasha um Eugen und Dennis zu begrüßen. "Ach, ich darf weiterarbeiten, wenn ich wieder normale Haare habe", erklärte er leichthin und machte eine wegwerfende Handbewegung.

"Aha", brummte ich lächelnd und lief an den dreien vorbei ins Wohnzimmer. Während ich mich auf die rote Couch sinken ließ, folgten mir alle Hausbewohner, einschließlich Linda und Dad mit meinem Koffer. Mein Rucksack landete neben mir auf dem Boden und ich legte meine Füße auf dem Kaffeetisch ab, nachdem ich meine Schuhe abgestreift hatte.

"Und, was hab ich alles verpasst?", fragte ich schließlich und schon ließen sie sich alle auf der Couch oder dem Teppich davor nieder, um mir von den wenigen Geschehnissen zu erzählen. Während ich Dennis mit halbem Ohr bei seiner Geschichte von einem Brand in der Küche zu hörte, betrachtete ich meine zweite Familie, und mir wurde klar, dass - egal wie schrecklich kitschig das klingt - ich sie vermisst hatte. Immer wenn ich an die Sommerferien bei Dad dachte, kam mir nur die schreckliche Langeweile der Arbeitstage in den Sinn, wenn niemand da war, und ich nichts zu tun hatte, weil dieses Kuhdorf so klein war, dass es nicht mal ein richtiges Kino, sondern nur ein Autokino mit Abendvorstellungen gab. Dass ich abends, wenn alle wieder da waren, unheimlichen Spaß hatte, ließ ich jedes Mal außer Acht. Ich war ein - sentimentaler - Dummkopf mit Grützehirn.

Dann überlegte ich, ob ich Tampons eingepackt hatte.

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Hallo zusammen. Ist zwei Wochen her, dass ich geschrieben habe, aber mein Wattpad hat gespackt und ich bin krank - eine Runde Mitleid bitte -, noch dazu schreib ich morgen ne Musik-LEK und nächste Woche drei Arbeiten.

Genug von mir, DFdT: Habt ihr nen Adventskalender?

How to be a Heartbreaker - Book 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt