26. Kapitel

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Es war nicht nur die Gegend, die Julian ein wenig nervös machte, es waren eher die Leute und vor allem deren Blicke, zum Beispiel auf sein Auto, die ihn beunruhigten. Er besaß zwei Autos, eins was er wirklich gerne mochte und fuhr und eins, was nicht ganz so teuer gewesen war und dennoch ähnliche Funktionen besaß. Er war mit Zweiterem unterwegs und dennoch viel er mit diesem Wagen hier ungefähr so auf, wie ein Paradiesvogel auf einer Beerdigung. Hier besaßen allgemein wenige Leute eigene Autos und alle die, die in ihrer Anschaffung mehr als zehntausend Euro gekostet hatten, waren vermutlich auch nicht ganz durch legale Gelder finanziert worden, Julian wollte eigentlich niemandem etwas unterstellen, aber da in dieser Ecke eigentlich jeder vom Staat lebte, konnte er es sich auch nicht wirklich anders vorstellen.
Julian hatte nichts gegen diese Menschen, sie waren Menschen wie jeder andere auch, nur meistens mit einer etwas anderen Lebenseinstellung als jetzt vielleicht er. Diejenigen, die wirklich nicht arbeiten konnten, konnte man ja schlecht verurteilen, aber die, die es einfach nicht wollten, weil sie zu bequem dazu waren, oder was auch immer, konnte er wirklich nicht verstehen. Er selbst würde sich furchtbar schlecht vorkommen, würde er immer auf Andere angewiesen sein und im Prinzip gar nichts eigenes zu besitzen, das könnte er keineswegs mit sich vereinbaren. ,,Ich kann dir schlecht sagen, dass du dich unauffällig verhalten sollst, oder?", Luca schmunzelte, natürlich fielen auch ihm die vielen interessierten Blicke in ihre Richtung auf, Julian lachte leise.
Sie hielten vor dem Block, indem sich die Wohnung befand, Luca stieg gleich aus, während Julian noch kurz sitzen blieb. Er grinste: ,,Na komm ruhig mit, ich pass schon auf dich auf!", er lächelte ihm zu, Julian stieg mit roten Wangen auf und folgte dann seinem neuen Mitbewohner, zu dessen ehemaliger Wohnung. Der Jüngere schnappte sich seinen Schlüssel und schloss auf, trat ein und sah sich kurz in allen Räumen um, ehe er einen bestimmten Raum ansteuerte und darin verschwand. ,,Luca?", unsicher sah Julian ihm hinterher, es fühlte sich falsch an in fremdes Eigentum einzudringen, obwohl er ja eigentlich bereits hereingebeten wurde. ,,Du kannst ruhig mitkommen, es ist eh keiner da!", Luca schmunzelte leicht und hielt ihm die Tür auf, vorsichtig kam Julian näher und sah sich etwas um. ,,Du kannst so viele Klamotten, wie möglich in den Koffer auf dem Bett packen, wenn der voll ist, sag mir Bescheid!", er zeigte ihm einen Schrank, in seinem Zimmer, Julian tat es, während Luca in einem anderen Zimmer verschwand.
Das Zimmer war wirklich nicht sonderlich groß und die wenigen Möbel wirkten auch ziemlich mitgenommenen oder von dem ein oder anderen Wutausbrüchen gezeichnet. In dem Zimmer befanden sich zwei Betten, auf dem etwas Ordentlicheren lag, ein recht großer geöffneter Koffer, die Wände waren bis auf ein paar Bilder über dem Bett mit dem Koffer völlig kahl. Es war in keinster Weise gemütlich und es roch auch irgendwie etwas komisch, vermutlich hatte Luca deshalb auch gleich die Fenster geöffnet, ehe er ihn hier allein gelassen hatte.
Vorsichtig machte sich Julian daran die Klamotten aus dem Schrank zu räumen. Es waren nicht unbedingt viele, aber die meisten davon, die vermutlich etwas mehr gekostet hatten, kannte Julian bereits, er hatte an Luca, wenn er so darüber nachdachte, nie andere gesehen. Bei den wenigen Malen, die er ihn schon gesehen hatte, hatte er immer teure Markenklamotten getragen, aber wenn Julian jetzt so den Inhalt seines Schrankes sichten, fiel ihm schnell auf, dass es davon wirklich wenig gab. Wenn er ganz ehrlich zu sich selbst war, hatte er Luca durch sein Verhalten und seinen Kleidungsstil wirklich für einen reichen Schnösel gehalten, der sich absolut für etwas Besseres und selbst ihm schon überlegen hielt und zum 18 einen dicken Neuwagen von Papa geschenkt bekam. Aber damit hatte er ja ganz offensichtlich völlig falsch gelegen. ,,Du musst dir nicht so viel Mühe machen und das alles falten, spätestens wenn ich es wieder auspacke, ist es wahrscheinlich eh wieder durcheinander!", Luca lächelte ihm zu und packte Aufladekabel und ein Fotobuch in den Koffer. ,,Dann falte ich es dir später nach dem Waschen auch nochmal!", meinte Julian, mal wieder mit etwas roten Wangen, während er sich schüchtern daran machte die Unterwäsche einzuräumen. Klar hatte er auch schon mal fremde Unterwäsche gesehen oder angefasst, aber gerade war es ihm echt unangenehm, vor allem, weil ihn Luca dabei beobachten konnte.
Schmunzelnd schnappte sich dieser jedoch eine Tüte und leerte den Inhalt seines Nachttisches in diese, Julian erhascht nur kurz einen Blick auf diesen, ehe Luca ihn zu den restlichen Klamotten in den Koffer stopfte und anschließend im Bad verschwand und da zu kramen begann. Vorsichtig legte Julian die letzten Klamotten in den Koffer und nahm die wenigen Bilder nacheinander von der Wand. Die meisten zeigten Luca beim Fußball spielen, eins zeigte ihn mit Askan und ein anderes war offensichtlich ein Familienfoto. Julian legte die anderen in den Koffer und betrachtete das letzte etwas genauer. Luca und ein Junge, der ihm sehr ähnelte und lediglich etwas jünger als es Luca jetzt war aussah, befanden sich in der Mitte des Bildes. Links von den Beiden befand sich ein großer braunhaariger Mann, mit hartem und kühlem Blick, rechts von den Jungs befand sich eine Frau, ebenfalls mit braunen Haaren, dafür aber einem leichten Lächeln auf den Lippen. ,,Was hast du da?", Luca sah ihm über die Schulter und stopfte seine Sachen aus dem Badezimmer auch in den Koffer. ,,Ist das deine Familie?", Julian sah zu ihm, auf dem Bild war Luca vielleicht gerade mal acht Jahre alt gewesen. Luca nickte leicht und reichte ihm dann ein anderes Bild, das auf einem der Schränke gelegen hatte. Das Bild war deutlich aktueller, Luca war vermutlich 15 oder 16 gewesen und auch dessen Bruder, den er auf ca. zehn Jahre älter schätzte, war deutlich älter auf diesem Bild, sein Gesicht war blasser und deutlich unreiner. Auch der Mann, der sich wieder auf der linken Seite befand war deutlich schmaler und sah viel älter und irgendwie mitgenommen aus. Die Frau zur Rechten war ebenfalls sehr viel dünner, ihr Gesicht war eingefallen und ihre Haare waren grau und lichter.
Julian sah zu Luca auf, welcher ihm kurz sanft zu lächelte und dann den Koffer schloss und mit diesem die Wohnung verließ.

Unknown FriendWhere stories live. Discover now