9. Schenke

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Bei Asche und Staub, der Lachende Gott trieb wahrlich seine Späßchen mit ihm

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Bei Asche und Staub, der Lachende Gott trieb wahrlich seine Späßchen mit ihm. Dain beobachtete die Schenke nun schon seit mehreren Kerzen. Mittlerweile war er so müde, dass er stehend hätte einschlafen können. Noch war die graue Zeit, in der das Morgenlicht die Nacht verdrängt, ein gutes Stück entfernt, doch das Glimmen der Nachtpilze ließ bereits nach. Es war der richtige Moment, um dem Meer der Tränen einen Besuch abzustatten, da der Schankraum dunkel und verschlossen war. Er streckte sich, schüttelte seine Glieder, um die Steifheit zu vertreiben. Der schmale Balkon, den er als Beobachtungspunkt genutzt hatte, war mehr praktisch als bequem gewesen. Sein brauner Mantel hatte sich verschoben, so dass er sich verdrehen musste, um seine Flügel durch die Schlitze zu stecken. Ein kühler Wind fegte durch die Straßen, wirbelte Blätter auf und zupfte an seinen Haaren. Mit einem großen Schritt stieg er auf die Balkonbrüstung. Seine Flügel nahmen den restlichen Platz ein. Dain genoss den Moment, angefangen von seinem vibrierenden Körper bis zur Luft, die an ihm zog.

Am einfachsten würde es sein, im Gastraum die Zimmerbelegung zu kontrollieren. Die Eisfeder hatte hier ihren ständigen Wohnsitz. Sie musste einen eigenen Schlüssel haben. Vielleicht ließ sie sich sogar ihre Nachrichten hierher liefern.

Ohne zu zögern, sprang er in die Dunkelheit und glitt mit dem Wind hinab zur dunklen Taverne. Er umrundete das Gebäude, bis er auf der Rückseite auf den Kücheneingang stieß. Natürlich könnte er auch über den Kohlenkeller eindringen, aber das würde länger dauern. Ein Umweg, auch wenn dieser eine größere Sicherheit versprach, lockte ihn nicht. Aus der Innenseite seines Mantels zog er einen Bund Dietriche. Die Küchentür war mit einem einfachen Schloss versehen. Ein Metallkörper, der an einer Kette hinabhing, um den Zugang zumindest vor Herumtreibern zu schützen. In dieser Gegend erwartete niemand einen ernsthaften Einbruch. Wer wäre auch schon ein derartiges Staubhirn, das in eine Gaststube eindringen würde, die hauptsächlich von Wachen besucht wurde? Dain schüttelte den Kopf, bevor er sich in Erinnerung rief, warum er überhaupt solche Mühen betrieb. Immerhin hätte er ja auch eine Nachricht schicken können. Ein gefühlvolles Ruckeln mit den beiden Metallstäben, dann fühlte er den Widerstand im Schloß. Doch wo wäre dabei der Spaß geblieben? Der einfache Weg war nie der Richtige. Ohne darüber nachdenken zu müssen, brachte er genau das richtige Maß an Druck auf, um das Hindernis zu beseitigen. Außerdem, und das war wohl das Wichtigste, er hatte es begonnen und nun würde er es auch beenden.

Die Tür öffnete sich mit einem Knarzen, das im Dunkel der Nacht für seinen Geschmack zu laut hallte. Erfahrungsgemäß achtete um diese Zeit jedoch niemand auf solche Geräusche. Alle wälzten sich in ihren Betten, entweder alleine oder zu zweit. Schnell schlüpfte er in den verlassenen Küchenbereich. Er benötigte zwei Blinzelbewegungen, damit seine Augen die Dunkelsicht der Feuerfeen annehmen konnten.

Die Küche war nicht nur verlassen, sondern auch übertrieben ordentlich. Weder Pfannen noch sonstiges Geschirr standen herum. Wahrscheinlich hätte man hier vom Boden essen können. Aus Richtung des Herdes hörte er jemanden Schnarchen. Neben der glimmenden Asche lagen zwei junge Satyrn, offenbar die Küchenhelfer. Den fellbedeckten Beinen nach ein Rehbock und ein Rotfuchs. Sie lagen mit den Rücken aneinander und atmeten gleichmäßig.

Durch einen offenen Bogen betrat Dain den Schankraum. Er schnüffelte, doch auch hier roch alles sauber. So sollte eine Schenke einfach nicht riechen. Wenigstens verschüttetes Bier oder ein wenig Schweiß hatte in der Luft zu hängen. Wenn er eine Wache wäre, so würde er sich an diesem Ort nicht wohl fühlen. Es war unwahrscheinlich, dass sich hier jemals ein Barde blicken lassen würde, von einer hübschen Dirne ganz zu schweigen. Ein geregeltes Leben sollte jedoch solche Annehmlichkeiten bieten. Aber Leibwachen waren wahrscheinlich schon so abgestumpft, dass sie ein gutes Lokal nicht einmal erkannten, wenn sie durch ein Fenster hineinfliegen würden.

Dain schlüpfte hinter den Tresen. In den Regalen standen Kelche und Gläser, wie Gardistinnen nebeneinander aufgereiht. In einer Schublade fand er Besteck, in einer anderen ein gebundenes Buch. Ein Blick hinein verriet ihm, dass es eine Art Einmietebuch war. Hier waren nicht nur die Zimmernummern der Bewohner vermerkt, sondern auch die Wochenkosten. Die Eisfeder zahlte für ihre Zimmer im zweiten Stock tatsächlich achtunddreißig Goldastern. In der Woche. Sie musste ein Vermögen verdienen. Wenn er nur daran dachte, wie viel Korn, Gewürze oder Stoffe er für diese Summe für die Seinen erwerben könnte ... Dain schluckte.

Selbst das Blutgeld, das sein Auftrag ihm eingebracht hätte, könnte ihm hier lediglich sechs Wochen Unterkunft gewähren. So viel war also das Leben eines anderen Wert. Nun, zumindest wenn gezahlt worden wäre. Sorgsam verstaute Dain alles wieder so, wie er es vorgefunden hatte. Dabei stießen seine Finger gegen eine Schatulle, die im Inneren der Lade steckte. Er zog sie hervor. Sie war schwer und er hörte ein Klimpern, als er sie bewegte. Mit zwei Fingern fuhr er den Rand entlang, bemerkte aber keine Sicherungsfunktion. Er wandte sich dennoch ab, als er die Klappe öffnete. Sicher war sicher. Ein Schlüsselbund lag darin. Konnte es tatsächlich so einfach sein? Offenbar meinte es der Lachende Gott endlich einmal gut mit ihm. Auf dem Schlüssel entdeckte er verschiedene Runen. Er kontrollierte das Einmietebuch und tatsächlich: die Einträge für die Zimmer waren ebenfalls mit diesen Runen versehen. Während er den Schlüssel mit der Erlenrune vom Bund löste, musste er wieder gähnen. Diesmal würde er anders vorgehen, als er es bei Sumse getan hatte. Wenn er die Eisfeder noch während sie schlief mit dem Feensprech einfing, konnte er sie direkt befragen. Natürlich war es anstrengend, aber es wäre wohl schlau, so vorzugehen. Irgendwie kratzte es an seinem Stolz, dass die kleine Waldnymphe ihn vorhin so einfach hatte abschütteln können.

Als er sich abwandte, bemerkte er ein Schimmern zwischen den Regalen. Dort stand eine ungeöffnete Flasche blauer Nachtwein, als ob sie jemand dort versteckt oder abgestellt und vergessen hatte? Dain grinste. Oh ja, heute würde es besser laufen. Mit den Zähnen zog er den Korken heraus und genehmigte sich einen großzügigen Schluck, während er durch den Gastraum lief. Auf jedem der Tische standen Stühle, so als habe jemand noch kurz ausgefegt. Er war froh, wenn er diesen ungastlichen Ort wieder verlassen konnte. Plötzlich stockte er. Vor ihm an der Wand hing ein riesiges Gemälde. Darauf war eine Nymphe zu sehen, die inmitten einer marodierenden Horde das Tor zur Stadt verteidigte. Das Südtor, wenn er sich nicht irrte. Weiße Haare umwehten die Gestalt und ihr Gesichtsausdruck sprach von einer tiefen Ruhe. Sie war wunderschön. Dain schüttelte nur den Kopf. Immer diese Heldensagen. Niemand zeigte jemals eine Feuerfee, geschweige denn einen Feender in so einer Pose. Immer nur Nymphen. Das hing ihm zum Hals raus. Was war an ihnen denn wirklich besser als an allen anderen?

Neben dem Eingang führte eine breite Treppe nach oben. Der Alkohol prickelte auf seiner Zunge. Er fühlte sich wieder etwas wacher. Auf leisen Sohlen eilte er hinauf. Auch im ersten Stock war alles ruhig. Noch ein paar Stufen und er erreichte den zweiten Stock. Neben den Türen waren die Runen angebracht. Fichte, Buche, Weide. Irgendjemand schien ein enges Verhältnis zu Bäumen zu haben. Wahrscheinlich die Nymphe des Hauses. Er konnte sich gerade noch ein Schnauben verkneifen.

Erle. Dain stoppte, lehnte sein Ohr gegen die Tür und lauschte. Nichts war zu hören. Jetzt oder nie. Der Schlüssel glitt lautlos ins Schloss. Dain drehte ihn herum und öffnete die Tür. Ganz langsam rief er die Töne aus seinem Inneren. Seine Stimme war kaum mehr als ein Wispern, als er die Schwelle ins Zimmer überquerte. Gerade laut genug, um eine Schlafende zu betören. Nichts, das ihn verraten hätte.

Deshalb traf ihn der Gegenstand, der mit voller Wucht gegen seinen Kopf prallte, nicht nur schmerzhaft, sondern auch ganz und gar unerwartet.

Nymphentanz und Feenzauber #ElysiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt