6.Kapitel

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Perplex starrte ich die Schatten an und Angst kam in mir auf. Die Trainingstasche in meiner Hand umklammerte ich so fest, dass die Haut an meinen Knöcheln bestimmt weiß wurde. Doch das konnte ich nicht überprüfen, denn ich starrte noch immer diese Gestalten an und traute mich nicht, mich zu bewegen. Warum traf ich momentan nur so oft Leute im Park? Das fing nun wirklich an zu nerven.

»Na, war das Rumhopsen etwa so anstrengend?«, vernahm ich Lucas spöttische Stimme und ich senkte nun doch beschämt meinen Blick. Meine Knöchel konnte ich dank der Dunkelheit aber immer noch nicht erkennen. Bei einer Sache war ich mir aber ziemlich sicher, ich sah gerade mehr als scheiße aus. Was wollten die Vier überhaupt von mir? Sollte ich einfach an ihnen vorbeilaufen, bevor sie noch irgendwas mit mir anstellen konnten?

Ich umklammerte den Griff meiner Tasche noch fester, falls das überhaupt möglich war, und machte ein paar unsichere Schritte in Richtung an den Jungs vorbei, doch ich kam, wie zu erwarten, nicht weit. Eine eiskalte Hand umfasste grob mein Handgelenk und zog mich nach hinten. Durch den plötzlichen Ruck verlor ich mein Gleichgewicht und fiel nach hinten. Schon wieder.

Erschrocken schnappte ich nach Luft und landete erneut auf meinen Handballen. Der stechende Schmerz erinnerte mich an die schmerzenden Schürfstellen von vorhin. Meine Trainingstasche hatte ich beim Fallen losgelassen. Leicht panisch tastete ich nach ihr, doch neben mir war nichts außer der leere, kalte und verdeckte Kiesweg des Parkes.

»Suchst du das hier?«, stellte Theo eine rhetorische Frage und lachte hämisch auf. Meine dunkelblaue, in der Finsternis aber fast schon schwarze Trainingstasche hielt er mir vors Gesicht und sofort schossen mir tausende Gedanken, was er damit alles machen konnte, durch den Kopf. Mein Handy war in der Tasche, das durfte er auf keinen Fall finden. Das durfte er einfach nicht. Auch von meinen Spitzenschuhen sollte er am besten die Finger lassen. Doch entgegen meiner Vermutung, dass er die Tasche öffnen würde, warf er die Tasche mit so viel Kraft, wie ich niemals aufbringen hätte können, irgendwo in die Dunkelheit. Ich verfolgte den Weg verzweifelt mit meinen Augen. Zu meinem Pech konnte ich aber nichts erkennen und Tränen stiegen mir in die Augen. Hoffentlich war sie nicht im Bach gelandet. Warum war ich nur so dumm und steckte auch mein Handy in die Tasche? Jetzt hatte ich nicht mal mehr eine Taschenlampe. Es würde ewig dauern, sie zu finden. Meine Gedanken überschlugen sich, während die Kälte in meine Knochen kroch.

Ich öffnete erschrocken meinen Mund, als ich gewaltsam nach oben gezogen wurde. Mit geweiteten Augen starrte ich in Olivers breites Gesicht. Er dagegen grinste mich hämisch an und ich spürte augenblicklich einen Schmerz im Arm. Es fühlte sich so an, als hätte Oliver ihn mir weggerissen. Ich verzog schmerzerfüllt mein Gesicht . Ein paar vereinzelte Tränen konnte ich nicht mehr zurückhalten.

Von hinten hörte ich schallendes Gelächter und meine freie linke Hand wanderte unauffällig zu meinem linken Oberschenkel. Ohne weiter zu überlegen, bohrten sich meine zum Glück ansatzweise spitzen Fingernägel in die Haut. Ich hasste mich so sehr. Natürlich musste so etwas immer nur mir passieren. Ich hasste mich. Ich hasste mich. Ich hasste ...

Eine Faust stieß mit voller Wucht in meinen Bauch und ich krümmte mich mit einem leicht unterdrückten Schrei zusammen. Leise keuchte ich auf und sah Oliver entsetzt an. Er dagegen grinste nur und wandte sich dann zu seinen Freunden.

»Los, gehen wir. Der Stummkopf da kommt jetzt auch ohne uns zurecht«, sagte er verächtlich und dann verschwanden die Jungs so schnell, wie sie gekommen waren. Verblüfft sah ich Oliver hinterher. Mein Schmerz rückte in den Hintergrund. Sie gingen einfach so? Das hatte ich nicht erwartet.

»Eigentlich wollten wir ja nur zur Party. Zum Glück haben wir ja zufällig aus sicherer Quelle erfahren, wer sich hier um diese Uhrzeit immer herumtreibt«, hörte ich noch Theo provozierend zu seinen Freunden sagen.

Mehr als nur extrem schüchtern | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt