2.Kapitel

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Ich wälzte mich nun schon seit einer halben Stunde im Bett herum, doch ich konnte einfach nicht wieder einschlafen. Warum musste ich auch schon wieder so früh aufwachen? Halb fünf war viel zu früh, selbst an einem Schultag. Ich durfte jetzt auf keinen Fall die Augen nochmal öffnen, sonst wäre der gesamte Einschlaffortschritt verloren und ich wäre wieder am Anfang. Ein Seufzen verließ meinen Mund. Ich wollte doch nur noch zwei Stunden schlafen, war das zu viel verlangt? Ich dachte an gestern Abend, als ich von Malena bei meinen täglichen Dehn - und Kraftübungen beobachtet wurde, ohne dass ich es bemerkt hatte. Unsere Fenster lagen nämlich genau gegenüber. Das hatte Malena vor mir entdeckt. Wir konnten uns also ganz praktisch über die Fenster unterhalten. Natürlich nur, wenn sich das mit mir nicht so schwer gestalten würde. Das Haus hatte schon seit Jahren leer gestanden, weshalb ich auch nicht daran gedacht hatte, dass dort jemand einziehen konnte. Müde drehte ich mich auf die andere Seite.

Irgendwann hatte ich es dann doch aufgegeben einzuschlafen und stattdessen meine Zeit auf der Schreibplattform verbracht. Manchmal stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn ich mich mit jemandem von dieser Schreibplattform super verstünde und denjenigen persönlich kennen würde, weil diese Person in meiner Klasse wäre. Aber auf der anderen Seite wollte ich auf gar keinen Fall, dass irgendjemand, den ich kannte, wusste, dass ich auf dieser Plattform angemeldet war. Das wäre der pure Horror für mich. Warum? Weil die Chance so größer werden würde, dass Luca und seine Freunde das mitbekämen und so einen weiteren Grund hätten, um sich über mich lustig zu machen. Außerdem müsste ich mir dann dreimal überlegen, was ich dort alles veröffentlichte und was nicht. Da aber zum Glück niemand davon Bescheid wusste, konnte ich wenigstens dort die sein, die ich ohne meinen ständigen Begleiter, die Angst, wäre. Vor allem bei Lienchen war meine Angst oft ganz nach hinten gerückt und das mochte ich an unserer Freundschaft so sehr. Ich konnte ich sein, weil ich wusste, dass Lienchen mich so mochte, wie ich war, auch wenn ich mal etwas Peinliches tat.

Ich gähnte und legte mein Handy auf den kleinen Nachttisch neben meinem Bett. Ich beschloss, noch einen neuen Einschlafversuch zu starten, und schloss meine Augen.

Durch das Geräusch eines Staubsaugers wachte ich auf und schaute verschlafen auf die Uhr. Mit einem Schlag wurde ich hellwach. Es war halb acht, in zehn Minuten holte Malena mich schon ab und ich war noch nicht mal aufgestanden, ganz zu schweigen davon, dass ich mich noch nicht fertig gemacht hatte. Ich sprang also aus meinem Bett und holte mir ein schwarzes Oberteil und eine dazu passende Jeans aus meinem Kleiderschrank. Schnell zog ich mich um und packte währenddessen meinen Schulranzen. Mein Handy ließ ich in meinem Ranzen verschwinden und rannte die knarzende Treppen herunter. Ich warf den Schulranzen in die Ecke und hetzte an meiner Mutter vorbei ins Bad. Essen konnte ich jetzt sowieso vergessen, warum hatte ich auch gerade heute verschlafen müssen? Meine Hand griff nach der nächstbesten Haarbürste, mit der ich mir ein paar mal durchs Haar fuhr und sie dann auch schon wieder in die noch offene Schublade warf. Sollte ich noch Zähne putzen? Nein, dafür war keine Zeit mehr. Mit schnellen Schritten ging ich in den Eingangsbereich und zog mir meine türkisfarbenen Chucks mit meiner schwarzen Jacke an. Außer Atem strich ich mir eine Strähne hinters Ohr und schon klingelte es an der Tür. Ich atmete einmal tief durch und öffnete sie dann.

»Guten Morgen, Katha«, begrüßte Malena mich auch gleich gut gelaunt und ich bekam eine kurze Umarmung von ihr. Nachdem sie sich von mir gelöst hatte, musterte sie mich kritisch.

»Du siehst ja total fertig aus, ist alles okay?«, erkundigte sie sich besorgt und ich wunderte mich, dass es ihr aufgefallen war.

Ich nickte und öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder. Ich wollte ihr eigentlich erzählen, dass ich zu spät auf die Uhr geschaut hatte und deshalb in Zeitnot geraten war, aber irgendetwas hinderte mich daran.

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