16. Kapitel

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Ich lag da. Weiße Rauchschwaden erschienen vor meinem Gesicht, wann immer ich ausatmete. Es war so wunderschön. So friedlich, still, kalt. Ich fühlte mich so unendlich geborgen und wäre liebend gern für immer in diesem Haufen aus so vielen kleinen Schneeflocken liegen geblieben. Jede einzelne Schneeflocke in diesem Raum war von mir gebildet worden. Irgendwann war ich zur Ruhe gekommen, hatte mit dem Bilden von Schnee aufgehört und mich hingelegt. Und jetzt lag ich hier. Immer noch am lächeln, meine Haare um mich gelegt und in der Schneedecke fast nicht mehr erkennbar. Mein Gehirn war wie ausgeschaltet. Kein Gedanke, keine Probleme, keine Angst oder Sorgen. Alles weg. Nur die Ruhe blieb und zog sich wie eine Decke über mich. Lange war ich nicht mehr so ruhig, so ausgeglichen und zufrieden gewesen.
Es war so still, dass ich fast meinen eigenen Herzschlag hören konnte. Ich lag in einem perfekten Raum. Es war wie der Himmel für mich. Und doch wusste ich, tief in meinem Innern, dass ich nicht ewig hier bleiben konnte. Dass auch dieser Moment hier zu Ende gehen würde. Ich hatte gerade kein Gefühl mehr für die Zeit, jedoch war ich mir ziemlich sicher, dass ich schon bald wieder gehen müsste, damit sich meine neuen Zimmergenossen keine Sorgen machen würden. Ich gab einen keinen Seufzer von mir und beobachtete, wie wieder eine kleine Rauchschwade über mir erschien. Wie gern wäre ich einfach liegen geblieben. Einfach liegen und nichts tun. Es war so befreiend. Doch es änderte nichts. Meine Probleme waren immer noch da. Meine Sorgen, meine Ängste. Und plötzlich wurde die Stimme, die ich vorhin so erfolgreich verdrängt hatte, immer lauter. Sie bahnte sich ihren Weg durch meinen Kopf bis ganz nach vorne, bis ich mich mit einem Ruck kerzengerade aufsetzte. Die Hände an die Ohren gepresst und die Augen fest geschlossen, als würde es etwas helfen, saß ich ganz verkrampft da. Plötzlich hatte ich überall Schmerzen. Sie flossen in meinem Inneren, in alle meine Glieder. Mein Kopf fühlte sich an wie eine Bombe, die nur darauf wartete, sich in die Luft zu sprengen. In meinem Bauch verdrehte sich alles und ich hatte das dringende Bedürfnis, mich zu übergeben. Mein Atem ging flach und ein imaginäres Band schnürte sich mit voller Kraft um meinen Hals. Luft. Sauerstoff. Zwei Gedanken, die mir instinktiv in den Kopf schossen. Doch beide wurden von meinem Körper ignoriert. Und immer noch diese Stimme, die in meinem Kopf lauter und lauter zu werden schien und alles andere übertönte:"Ich hab's dir doch gesagt, ich hab dich gewarnt. Du bist schuld. Du bist schuld. Du bist alles schuld." Tränen liefen über mein Gesicht, doch das bekam ich nur am Rande mit. Irgendwo hörte ich noch zusätzlich einen Schrei. Einen spitzen, schrillen Schrei, doch ich konnte meine Augen nicht öffnen. Verkrampft versuchte ich durch meine zugehaltenen Ohren die Richtung des Schreis ausfindig zu machen, konnte aber auch nicht die Hände von den Ohren nehmen. Als meine Stimme keine Kraft mehr hatte, bemerkte ich, dass ich die Quelle des Schreis gewesen war, während mein Kopf sich anfühlte wie ein Ball, der voller Luft war, aber immer noch weiter aufgepumpt wurde. "Ich hab's dir doch gesagt, ich hab dich gewarnt. Du bist schuld. Du bist schuld. Du bist alles schuld."
Irgendwo hörte ich es knacken und das war ausschlaggebend für einen kurzen hellen Moment in meinem Kopf. Ich muss mich beruhigen. Dieser Gedanke stellte sich für eine Sekunde vor die Stimme. Doch diese Sekunde reichte aus. Denn dieser Gedanke war meine Rettung. Es war richtig, ich musste mich beruhigen. Sonst würde das hier nicht gut ausgehen. Noch konnte ich noch gut davonkommen. Aber nicht mehr lang. Ein zweites Knacken, viel lauter, als das Erste und dann riss ich mit einem Ruck die Augen auf. Im gleichen Moment ließ ich meine Hände fallen. Mein Blick war verschwommen. Keine klare Sicht. Ob das von den Tränen oder von der Kurzatmigkeit kam, konnte ich in diesem Moment nicht deuten. Wichtig war, dass ich Augen und Ohren nicht mehr verdeckte. Einatmen, ausatmen. Ein und wieder aus. Damit schaffte ich es, meine Atmung langsam zu beruhigen und nach einiger Zeit wurde auch die Stimme leiser, bis sie nur noch ein leises Flüstern in der hintersten Ecke meines Gehirns war. Auch die Schmerzen in meinem Körper erholten sich, zogen sich zurück und am Ende blieben nur noch Halsschmerzen und ein kleines Stechen in meiner Brust. Ich wusste warum. Ein kleiner Teil meines schlechten Gewissens und meiner Sorgen waren noch da und hatten sich an mein Herz geklammert. Ich würde das ignorieren können. Ich würde es ignorieren müssen. Als auch die letzte Träne versiegte, wurde auch mein Blick klarer. Meine Augen lagen auf dem Boden, nicht fähig, nach oben zu schauen. Dafür hatte ich noch nicht die richtige Menge an Mut gefunden. Vorsichtig richtete ich mich aus meiner sitzenden Position auf und drohte sofort, wieder hinzufallen. Meine Beine wackelten, als besäße ich keinerlei Muskeln darin. Und auch in meinem restlichem Körper bemerkte ich, dass alle Anspannung gefallen war und das Zittern in den einzelnen Gliedern an dessen Stelle getreten war. Was mir besser gefiel, konnte ich nicht sagen. Das Einzige, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass ich mich unheimlich schwach und hilflos fühlte und dass mich jeder in diesem Moment in der Lage wäre, mich zu töten, ohne dass ich mich großartig wehren könnte. Ich hatte mich noch nie so machtlos gefühlt, unfähig, irgendetwas anzurichten, außer wackelig und zittrig mitten in einem Raum zu stehen, der nur durch mich gefüllt wurde. Es war ein Gefühl, als hätte man mir die komplette Magie, die ich jemals besessen hatte, weggenommen. Es war das schlimmste Gefühl, das ich jemals hatte. Diese Machtlosigkeit führte meine Gedanken wieder zurück zu meiner Mutter, bei der ich genau so wenig Macht hatte, bei der ich versagt hatte, die ich nicht mitnehmen konnte, bei der ich nichts mehr tun konnte, außer beten, dass ihr nichts zustoßen würde. Alles, was ich gerade gegen diese völlige Leere der Macht anrichten konnte, war meinen ganzen Mut zu sammeln und den Blick von dem wunderschönen mit Schnee bedeckten Boden zu heben und nach oben zu schauen. Und als meine Augen den Blick in den Raum wagten, stockte mir der Atem zum wiederholten Male und ich stolperte einige Schritte zurück. Das war nicht möglich!

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Hiiii:)
Nach Ewigkeiten habe ich es geschafft, ein Kapitel zu veröffentlichen, yeah:) Ich weiß, hat ewig gedauert und tut mir sehr leid, aber ich wollte nochmal betonen, egal wie lang es dauert, ich werde dieses Buch zu Ende schreiben. Also, einfach etwas Geduld mit mir haben, dankeee:)

Snowangel ( HP ff - Rumtreiberzeit )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt