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Es ist Mitternacht.

Ich sitze auf dem Boden in seinem Zimmer und rieche an seinem Pullover. Es ist drei Jahre her und trotzdem bilde ich mir ein, seinen Geruch in den Fasern des Stoffes erhaschen zu können. Nur eine abgeschwächte, verwässerte Note. Aber besser als nichts.

An den meisten Tagen bin ich stark. An den meisten Tagen trage ich mein einstudiertes Alles-ist-gut-Lächeln wie einen scharf gezogenen Eyelinerstrich. Scharf genug, um gefährlich zu sein. Scharf genug, damit niemand Fragen stellt.

An den meisten Tagen sperre ich jede Erinnerung an ihn, die mir etwas bedeutet, in ein kleines Kästchen und verbarrikadiere es in den hintersten Winkeln meines Kopfes. Ich verbiete mir Tränen und schlechte Stimmung und ignoriere das Rütteln des Kästchens in den Tiefen meines Selbst, weil all die Erinnerungen raus wollen. Gehört werden wollen. Gefühlt werden wollen.

An den meisten Tagen ist nicht heute.

Heute sitze ich in seinem Zimmer, das seit drei Jahren niemand angerührt hat, auf dem Boden. Ich krame seine Klamotten heraus und rieche an ihnen, in der Hoffnung, noch ein letztes Bisschen von ihm greifen zu können.

Es ist Mitternacht.

Und ich vermisse ihn.

One Chance to ForgiveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt