Chapter Five

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Die weiteren Stunden vergingen schneller, als dass ich hätte Blinzeln können. Nicht zuletzt lag es an Luke und Toby. Sie wussten die Kurse zu unterhalten und wie ich herausfand, hatten wir nicht wenige miteinander.

Als die letzte Stunde endete, verabschiedete ich mich von den Mädels. Die Jungs mussten nachsitzen – direkt am ersten Tag hielten sie es für die richtige Entscheidung, in Kunst eine Farbschlacht zu beginnen - und als ich an die Situation im Kunstraum zurückdachte, konnte ich es nachvollziehen. Lächelnd schüttelte ich den Kopf und stöpselte mir meine Kopfhörer in die Ohren.

Es war ein angenehmer Tag, doch allmählich holte mich die Realität ein und betrübt schaute ich zu Boden. Ich hatte weniger an Liam gedacht, war viel zu beschäftigt mit den ganzen neuen Eindrücken und Situationen gewesen. Mein schlechtes Gewissen nagte an mir und tief atmete ich durch. Die Freude wurde von urplötzlicher Leere überflutet.

Schließlich riss mich mein Handy aus den Gedanken. Es fing an zu vibrieren und erfreut stellte ich fest, dass es Jacob war. Doch nur zögernd nahm ich ab.

„Hey...", piepste ich leise und schaute weiterhin konzentriert auf den Boden, der auf einmal so viel schöner war, als alles andere um mich herum.

„Alles liebe zum Geburtstag, Prinzessin." Die sanfte Stimme ließ die Anspannung von meinen Schultern fallen. Er war mir nicht böse. Nicht im Geringsten.

„Danke." Immer noch nicht wissend, was ich sagen soll, lauschte ich seinem Atem.

„Ist alles in Ordnung bei dir? Wie ist es dort drüben so...?"

All die unbewusst angestauten Gefühle brachen urplötzlich wie ein Damm in sich zusammen und hemmungslos fing ich zu weinen an. Die Versuche von Jacob, mich zu beruhigen, zeigten keine Wirkung und schlussendlich wartete er einfach, bis ich mich wieder beruhigte.

„Ich kann das alles nicht, Jacob." Als dürfte ich diese Worte nicht laut aussprechen, flüsterte ich sie den Wind entgegen. „Ich kann hier kein neues Leben beginnen, wenn ich nicht einmal mit meinem alten abschließen kann. Mom und Dad... sie sind so unfassbar. Ich kann sie nicht verstehen. Diese Gegend... ich bin einsam und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als in dem nächsten Flugzeug nach Hause zu sitzen." Und Liam umarmen zu dürfen.

Einen kurzen Moment herrschte Stille und kraftvoll wischte ich mir mit meinem Handrücken über das Gesicht. Meine Mascara war komplett verschmiert, was mich jedoch nicht im Geringsten interessierte.

„Wir vermissen dich auch, Prinzessin. Mehr, als dass du es dir vorstellen kannst. Wir werden uns mit Sicherheit bald wiedersehen, versprochen. Es braucht alles seine Zeit." Wäre es doch nur so einfach mit der Zeit.

Ich nickte, obwohl er es nicht sehen würde. Dann versuchte ich das Thema zu wechseln.

„Hast du ihn besucht?"

„Ja."

„Ich werde bald wieder bei ihm sein."

„Das wirst du."

Wir telefonierten noch etwas, bis er auflegen musste. Tränen rannen mein Gesicht entlang. Ein unbändiges Verlangen zu schreien überkam mich und ich hatte immer mehr das Gefühl zu fallen. Meine Beine zitterten und mein Kopf pochte unaufhörlich.

Ich schloss meine Augen und unterdrückte einen Schluchzer, als ich auf einmal gegen etwas Hartes prallte. Ich öffnete meine Augen und schaute verwirrt hoch, als mein Blick zwei strahlend braune Augen einfing. Und es waren keine Geringeren als die von Kyle. Innerlich verdrehte ich meine. Es konnte nichts noch Offensichtlicheres passieren, als das hier.

Entnervt funkelte er mich an. Seine Haltung war gerade und wirkte bedrohlich, als er zu sprechen anfing. „Einfach mal die Augen auf machen."

Ich war unfähig, etwas zu sagen, und wischte eine weitere Träne, die mein Auge verließ, schnell weg und nickte.

Liebes Tagebuch || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt