Es ist so einfach

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--Warnung!--

--In diesem Kapitel wird sexuelle Belästigung erwähnt--


Ich hatte Hunger. Ich hatte Durst. Ich musste aufs Klo. Aber vor allem hatte ich Angst.

Ich war allein, das war klar. Man hatte Kate nicht finden können, mich würde man erst recht nicht finden. Die einzige Person, auf die ich mich verlassen konnte, war ich selbst. Ich musste mich aus dieser Situation befreien.

Atmen. Ich hatte es fast vergessen, aber ich musste atmen. Die moosige Luft des Raumes. Tiefe Atemzüge füllten meine Lungen mit Luft, bis sich langsam Klarheit in meinem Kopf bildete. Die Angst war verschwunden. Alles war verschwunden, außer eine einzige Frage. Was kann ich tun?

Natürlich konnte ich versuchen zu entkommen, aber das wäre in dieser Situation riskant. Ich wusste nicht wo ich war, und ohne Make-up konnte ich mich nicht darauf verlassen, als Prinzessin Leonora erkannt zu werden. 

Leugnen. Eine gute Möglichkeit, wenn Bruce nicht hier wäre. Sie wussten wer ich war, und dagegen konnte ich nichts tun.

Aber wen sahen sie, wenn sie mich anblickten? Sie sahen eine verwöhnte Prinzessin, verängstig, mit tränengetränkter Augenbinde. Wie dachten sie über mich? War ich nur eine Schachfigur, oder konnte ich sie von meiner Menschlichkeit überzeugen? 

Das war meine einzige Chance, schloss ich. Ich musste sie glauben lassen, wir seien auf der gleichen Seite. Aber was war ihre Seite? Sie schienen keine Ziele zu haben, nichts, dass ich ihnen versprechen konnte. Alles was ich von ihnen kannte, war ihr Hass. Gegen mich, meine Eltern... meine Eltern.

Ein Plan formte sich in meinen Gedanken. 

Der Durst machte meinen Schädel bereits dick, als ich wieder Schritte hörte. Die Frau. 

"So, Prinzessin. Zeit für deinen großen Auftritt. Wir wollen sehen, wie Tugendhaft du bist, wenn wir dich aufschneiden"

Ich musste mich nicht um neue Schluchzer bemühen, während ich die Worte der Frau in meinen Gedanken wendete. Großer Auftritt. Ich wollte möglichst wenig Publikum. Je größer das Publikum, desto größer der Schaden, den ich anrichten würde. 

Was war wichtiger? Diese frage stellte ich mir, als ich Treppen nach oben und durch einen Flur gezerrt wurde. Was würde ich für mein eigenes Leben tun? Hatte ich ein Recht dazu? 

Das Zerren an meinem Arm stoppte, und somit auch ich. Einen Moment um zu Atmen. 

"Verehrte Rebellen!", hörte ich die Stimme der Frau. Es war nur leichtes Stimmengewirr zu hören, der Raum konnte nicht sonderlich voll sein. Ich atmete unmerklich auf.

"Ich stelle vor", fuhr sie fort. "Die Prinzessin". Die Augenbinde wurde mir von den Augen gerissen, und ich blickte in ein grelles Licht. Der Raum war nicht sonderlich groß, und gefüllt mit kaum einem duzend Menschen. 

Das war gut. Das war Schaden, den man begrenzen konnte.

"Lächle mal in die Kamera, Prinzessin", sagte ein Mann hinter mir. "Wir sind jetzt live, die ganze Rebellion kann dich sehen. Willst du etwas sagen?"

Es tut mir leid. Es tut mir unglaublich leid, was ich jetzt tun werde. Bitte versteht, ich habe keine Wahl. 

Tränen, Schluchzer, die volle Montur. Die meisten, die sich im Raum befanden, trugen Masken, ich konnte nicht sehen, ob nicht schon jemand Mitleid zeigte.

"Sie haben recht", schluchzte ich. "Sie haben recht"

Mein Blick fiel auf das blitzende Messer in der Hand des Mannes, der sich nun neben mich begab. "Wer hat recht?", fragte der Mann und ließ das Messer an meiner Wange entlang gleiten. Ich spürte das Blut. Es war nur ein kleiner Schnitt, aber ohne richtige Behandlung würde eine Narbe zurück bleiben. 

"Ihr habt recht", schluchzte ich nun und hoffte, sie würden fragen. Sie mussten fragen. 

"Womit haben wir recht?", fragte eine Person im Publikum. Der Druck des Messer ließ nach. Ich hatte sie.

Ich warf dem Mann mit dem Messer einen flehenden Blick zu, aus tränenverschleierten Augen.

"Finden sie mich hübsch?", fragte ich und hielt Blickkontakt. Auch er war maskiert, doch ich konnte sehen, dass er verwirrt war. Ich hatte ihn aus dem Konzept gebracht, er wusste nicht mehr, mit wem er es zu tun hatte. Jetzt war die Zeit, ein neues Bild zu malen.

"Das haben sie mir gesagt. Das ich hübsch bin. Das sagen sie immer, bevor sie...". Wieder herzzerreißendes Schluchzen, während ich in meinen Schoß blickte. Das Messer verschwand von meiner Wange und ein flüchtiger Blick in die Runde zeigte mir, dass eine der Frauen nun fast Mitleidig blickte. 

"Wissen sie, was man mit einer Prinzessin macht? Mit einer hübschen, kleinen, gehorsamen Prinzessin?" fragte ich. Ich blickte nicht einfach in die Runde, sondern blickte einem nach dem anderen in die Augen. Hätte ich meine Hände frei, könnte ich sie nun im Tüll meines Kleides vergraben, um die Andeutung, die ich machte, zu betonen. Doch es würde auch so gehen.

"Ich kann verstehen, dass ihr sie hasst", fuhr ich fort. Ich hatte die ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie hörten mir wirklich zu. "Sie tun furchtbare Dinge, ihr wisst gar nicht wie furchtbar. Bringen sie mich um! Tun sie was nötig ist, um den Adel zu stürzen!"

Mein Publikum zuckte, als meine Stimme laut wurde. 

"Was haben sie gemacht?", fragte die Frau, deren Blick sich als erste mit Sorge gefüllt hatte. Es tut mir leid, so so leid.

"Sie haben... mich...". Ein weiterer Wall von Schluchzern, jetzt durfte kein Zweifel aufkommen. "Es hat weh getan... am Anfang hat es so weh getan, aber es hat nicht aufgehört... es hat nie aufgehört.... Sie haben mir gesagt ich sein hübsch, und sie haben weiter gemacht..."

"Was haben sie gemacht?", fragte der Mann. Er war auf ein Knie gegangen, so das wir auf Augenhöhe waren. Ich hatte ihn. 

"Sie haben mich", ich flüsterte nun, "vergewaltigt"

"Du musst lauter sprechen", sagte der Mann, wie ich gehofft hatte. Für meinen nächsten Satz blickte ich direkt in die Kamera. Es tut mir leid.

"Sie haben mich vergewaltigt"

Der Aufschrei, der durch den kleinen Raum ging, war genug um mir Freiheit zu versprechen. Ich wollte nicht daran denken, wer alles zuhörte. Meine Eltern, die Eltern von Dave, wen sonst noch würde man verdächtigen? Wessen Leben hatte ich so eben zerstört, um das meine zu retten?

Die Kamera wurde ausgeschaltet, meine Fesseln gelöst.

"Es tut mir so leid", sagte die Frau, deren Blick als erstes weich geworden war. Mir auch, wollte ich sagen. Es tut mir leid, so eine Lüge zu erzählen, aber ich musste es tun. Ich will so nicht sterben.


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Hey, ein neues Kapitel! Schreibt mir, was ihr davon haltet, was Leonora getan hat, und was ihr sonst so von diesem Kapitel denkt. 

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