Kapitel 26 (Archie's Sicht)

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Als ich am frühen Samstagabend an meinem Schreibtisch in meinem Zimmer sitze, kann ich an nichts anderes mehr denken als an sie.
Wie gebannt starre ich in Betty's dunkles Zimmer, als würden die Lichter gleich angehen.
Aber das tun sie nicht.
Seit Tagen ist ihr Zimmer dunkel, unbewohnt. Zum Glück sind die Vorhänge nicht zugezogen, so dass ich immer noch einen kleinen Blick in das Zimmer mit der rosa Blümchentapete werfen kann.
Wie viele Nachmittage habe ich wohl schon in diesem Zimmer verbracht? Ob Mathe, Geschichte, Englisch oder Bio, Betty hat mir immer geholfen.
Schon in der 2. Klasse ist sie für mich da gewesen. Ich konnte nicht lesen und wäre deswegen fast sitzen geblieben. Ich habe immer nur dieses Meer aus Buchstaben gesehen und konnte nie einen Satz herausfischen. Meine Eltern und meine Lehrerin wollten, dass ich das Schuljahr wiederhole, doch Betty war sofort dagegen!
Ab diesem Tag an hat sie jeden Tag mit mir in ihrem Zimmer gesessen und mir das Lesen beigebracht. Jeden Nachmittag haben wir in Nancy Drew, ihrem Lieblingsbuch, gelesen.
Und dann, na ja, dann hat es irgendwie geklappt. Statt wirre Buchstaben sah ich ganze Sätze. Unsere Lehrerin, meine Eltern, alle waren erstaunt. Außer Betty. Sie hat gesagt, sie wusste, dass ich es schaffe.
Dann habe ich sie geküsst.
Es war kein richtiger Kuss, eher so was wie ein flüchtiger, schneller Kuss. Aber es war mir ernst. So ernst, dass ich sie gefragt habe, ob sie mich heiraten will.
Ich schüttele den Kopf und lache leise, als ich mich an diesen Moment erinnere.
„Frag mich wieder, wenn wir 18 sind und ich sag Ja."
Ihr Geburtstag ist am 29.Juni. Dann wird sie 18. Das ist fast nur noch einen Monat hin.
Ob sie sich noch daran erinnert? An meine Frage und an ihre Antwort?
Das bezweifele ich. Sie ist so glücklich mit Jughead. Und das freut mich für sie. Sehr sogar.
Nachdem ich Betty so schlecht behandelt hatte, ist es eins der vielen Dinge, die sie verdient.
Aber, warum hat sie Jug dann nicht von den Wunden auf ihren Händen erzählt? Das war keine "einmalige Sache".
Ich kenne Betty seit wir vier Jahre alt sind. Ich sehe es ihr an, wenn es ihr schlecht geht.
Ich knipse die Lampe an, die auf meinem Schreibtisch steht. Trotzdem blendet mich das grelle Licht meines Smartphones, als ich es anschalte.
Ich gehe auf meine Kontakte und scrolle runter bis ich bei „B" ankomme. Dann tippe ich eine Nachricht an sie:

Hey, Betty.
Hör zu, es tut mir leid, was heute in der Schule passiert ist. Ich mache mir bloß Sorgen, das ist alles.
Wie auch immer, ich werde es keinem erzählen. Aber bitte rede mit Jug darüber. Vielleicht ist er es, der dir helfen kann.
LG, A.A

Ich drücke auf „Senden" und schalte die Lampe dann wieder aus. Es ist noch viel zu früh, um schlafen zu gehen, trotzdem bin ich total müde. Normalerweise treffe ich mich Sonntags immer mit den Bulldogs, den Footballspielern der Riverdale High. Unfassbar, dass dies mein letztes Jahr als Quarterback sein wird.
Ich habe noch nicht viele Collegebewerbungen rausgeschickt, bisher nur ans RCC, das Riverdale Community College.
Betty's größter Traum ist es, an Yale zu studieren. Jug wird es ihr vermutlich gleich tun, er würde es nicht aushalten, von ihr getrennt zu sein.
Veronica will nach Harvard oder nach New York. Reggie plant beim RCC angenommen zu werden, momentan sieht es eher schlecht aus. Moose wird zur Army gehen, Kevin will eine Schauspielausbildung machen.
Was ich will, weiß ich noch nicht. Die Army kann ich mir nicht vorstellen. Andererseits sehe ich mich auch nicht am RCC studieren. Nach Yale oder Harvard schaffe ich es sowieso nicht.
Vermutlich bleibe ich einfach hier in Riverdale, der Stadt mit PEP! wie es ein Schild zur Grenze von Greendale verrät.
Irgendjemand muss ja Dad's Firma übernehmen, und da ich sein einziger Sohn bin, fällt die Wahl wohl auf mich.
Ich seufze und genau in dem Moment leuchtet das Display meines Handys auf.

Hi.
Bin im Pop's, kannst du vorbeikommen?
-Betty.

Sofort greife ich nach meinem Smartphone und tippe eine Nachricht:

Cool. Bin unterwegs, in 5 min. da.
A.A

Ich schnappe mir meinen Geldbeutel und verstaue ihn in meiner blau-goldenen Mannschaftsjacke.
Ich poltere laut die Treppe herunter, unten vor der Haustür erwartet mich Vegas, mein Hund. Er ist schon alt, trotzdem hechelt er aufgeregt mit der Zunge, als er mich sieht.
Ich kann es mir nicht verkneifen und graule ihn schnell hinter den Ohren. „Na, mein Großer?", sage ich und fahre durch sein weiches Fell.
„Bist du mit den Jungs verabredet?"
Dad kommt aus der Küche, ein Pfannenwender in der Hand. Es riecht nach gebratenem Speck und ich kann die Spiegeleier in der Pfanne brutzeln hören. Komischerweise macht mein Dad immer gerne Frühstücksgerichte zum Abendessen, aber das ist mir egal, es schmeckt immer sensationell.
„Nee, ich treffe mich nur kurz mit ... Betty. Hausaufgaben", murmele ich und kraule Vegas zum letzen Mal. Ich hasse es, wenn ich Dad anlügen muss. Und das musste ich in letzter Zeit viel zu oft.
„Bring sie doch zum Abendessen mit", schlägt mein ahnungsloser Vater vor. „Und Jughead gleich auch. Hab gehört, dass sie seinen Vater weg sperren, der arme Junge."
„Was?", frage ich erschrocken. Vegas jault und bettelt nach mehr Streicheleinheiten.
„Ich hab Sheriff Keller letztens getroffen, er hat's mir erzählt. Kaum zu glauben, früher war FP so ein guter Junge. In der Highschool, da sah er genauso aus wie Jughead, nur mit der Bulldogs-Jacke, statt einer mit einem Schlangenlogo drauf. Aber das ist ja auch egal, Jacke wie Hose, hab ich recht?"
Dad lacht sein herzliches Lachen und verschwindet dann wieder in der Küche. Er ist ein herzensguter Mensch, mein Dad. Ihm ist es egal, wie Menschen aussehen und was sie tragen. Er kennt FP gut, sie waren quasi unzertrennlich in der Highschool. Ich kann's nicht glauben, dass Jug mir nicht erzählt hat, dass sein Dad im Gefängnis sitzt.
„Ich weiß noch nicht, wann ich wieder da sein werde, okay? Ich versuche pünktlich zum Abendessen da zu sein", rufe ich und schnappe mir vorsichtshalber den Hausschlüssel ein.
„Keine Sorge, mein Junge", ruft Dad aus der Küche. „Dann verfüttere ich den Speck an Vegas."

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