Kapitel 45

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19. November 1994
„Heilerin?“ Wir sind letztlich bei meinen Neuigkeiten angekommen. Ich nicke. „Klingt gut!“ Er lächelt mich an – endlich ist sein Lächeln wieder echt und er sieht wieder besser aus. „McGonagall hat mich bei der Berufsberatung drauf gebracht – ich hab da vorher gar nicht drüber nachgedacht – aber ich fand den Gedanken wirklich klasse.“ Remus strahlt. „Das wäre perfekt.“ Er sieht so begeistert aus, das macht mich glücklich. „Tust du denn auch was an deinen Noten?“ – „Jetzt lass nicht den Vater raushängen!“, rüge ich ihn, lache dann aber. „Aber ja, ja mache ich! Ich bin quasi nur noch am lernen und Hausarbeiten am Schreiben.“ – „Löblich, löblich.“ Er nimmt einen Schluck von seinem Butterbier. „Und sonst, was gibt es neues?“ Ich überlege kurz. Sollte ich ihm von Fred und mir erzählen? Er ist immerhin mein Vater… Aber auf der anderen Seite… IST ER MEIN VATER. Es gibt die eine Art von Menschen, die ihren Eltern immer sofort alles erzählen, und die andere, die ihren Eltern so Sachen als letztes erzählen. Zu welchem Typ Mensch ich gehöre? Keine Ahnung, ich hatte schließlich bis letztes Jahr keine Eltern.
Der Gedanke an Fred macht mich traurig. Meine Mutter hat seine Onkel auf dem Gewissen. Sollte ich es ihm erzählen? Vielleicht weiß er es auch schon? Aber nein, woher denn? Fragen über Fragen… Aber viel zu wenig Antworten. Ich seufze.
„Emilia?“ Ich blicke auf. „Was? Oh, Sorry, ich war nur in Gedanken.“ – „Kein Problem. Ist vielleicht gut, dass du es überhört hast“, lacht er. „Jetzt werde ich neugierig.“, grinse ich gespannt und versuche ihn dazu zu bringen, sich zu wiederholen. „Sag schon!“ Ich nippe an meinem Butterbier - „Ich hab gefragt, ob du schon einen neuen Freund hast.“ – und spucke es über den gesamten Tisch. Hustend versuche ich, den Tisch mit meiner Serviette sauber zu wischen, bis Remus seinen Zauberstab herausholt und alles mit einem einfachen Zauber trocknet. Auf seinen Lippen ruht ein stilles Grinsen. „Erwischt?“, fragt er und ich laufe knallrot an. „Du musst es mir nicht erzählen. Ich versteh schon.“, sein Grinsen wird ruhiger, irgendwie trauriger, was mich wiederum traurig macht. „Also… Ehm…“- „Deine Mutter ist auch immer so rot geworden.“ - „Echt?“ er nickt. Da weiß ich zumindest mal, von wem ich das hab. Er schaut nachdenklich aus dem Fenster. Kurz herrscht Stille. „Es ist Fred.“, murmle ich dann und verwundert schaut er mich an. „Fred Weasley?“ Ich nicke. Seine Verwunderung weicht einem zufriedenen Lächeln. „Das wurde aber auch mal Zeit.“ Meine Kinnlade klappt herunter. „Bitte was?“ Er lacht auf. „Das war doch offensichtlich.“ – „Warum war das für alle so offensichtlich, aber für uns nicht?“, lache ich und wir grinsen beide. „Weil das Herz nicht sieht, was der Kopf versperrt.“ – „So philosophisch.“ – „Ich freue mich für dich.“ Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Fred ist mir so viel lieber als dieser Slytherin Junge.“ Ich schürze die Lippen. „Und mir erst.“ – „Ich mochte ihn nicht.“ – „Ich auch nicht.“, gluckse ich, was vielleicht nicht ganz der Wahrheit entspricht, aber auch nicht richtig gelogen ist. Bei dem Gedanken an Beck wird mir schlecht, wie konnte ich mich auf diesen Jungen einlassen? Das erinnert mich irgendwie an die Geschichte zwischen meinen Eltern – nur dass das zwischen Beck und mir nicht so ernst war.
Mit einem Kopfschütteln verbanne ich den Slytherin aus meinem Kopf und schenke meinem Vater ein freudiges Lächeln.


26. November 1994
„Oh, das ist ja schrecklich…“, flüstert Hermine, als ich ihr von der Geschichte über meine Mutter und den Onkel der Weasleys erzähle. Ich nicke und mein Blick ruht auf Ginny, die – außerhalb unserer Hörweite - Kleider an Stangen hin und herschiebt. „Was ist mit dem grünen hier?“, ruft sie uns zu und hält uns ein Kleid entgegen. „Was ist los, ihr schaut, als wäre jemand gestorben.“ Ich schlucke. „Nichts Ginny, aber das Kleid gefällt mir nicht.“ Sie nickt und hängt es zurück.
Wir sind in Hogsmead, ein bisschen außerhalb als normal, und suchen nach Kleidern für den Weihnachtsball. „Deine Mutter hat das aber sicher bereut. Sie war einfach einsam, als Lupin weg war… Ich meine…“ – „Das kann man nicht verzeihen.“, seufze ich leise und ziehe ein pinkes Kleid von der Stange. Nach einem kurzen Blick darauf, hänge ich es mit einem angewiderten Blick sofort wieder zurück. Hermine steht still und blickt mich durchdringend an. Ich versuche ihren Blick zu meiden. Gefühle kommen in mir hoch. Gefühle, die ich bis dato nicht wahrhaben wollte. Ich schlucke und schiebe nervös Kleider hin und her. „Du musst nicht so stark tun.“, flüstert Hermine und legt mir eine Hand auf die Schulter. Ginny ist gerade in der Umkleide – sie soll davon nichts mitbekommen.
Ich ziehe Hermine in eine Umarmung und vergrabe mein Gesicht in ihren langen, lockigen Haaren. In diesem Moment verstehe ich nicht, wie ich letzte Woche nicht in Tränen ausgebrochen bin, als mein Vater mir die Geschichte meiner Mutter erzählt hat. Dafür laufen jetzt die Tränen und Hermine drückt mich feste an sich. „Tut mir leid“, murmle ich aber Hermine schüttelt den Kopf. „Schon gut…“ Sie ist nur wenige Zentimeter kleiner als ich und fährt mir mit ihren weichen Händen über den Rücken. Es tut gut, eine Freundin zu haben. Ich möchte Fred damit nicht zu heulen… Es interessiert ihn sicher eh nicht, er hat momentan seine eigenen Sorgen, da Bagman ihm und George immernoch nicht seine Schulden begleicht hat. Ich löse mich von Hermine und lächle sie dankbar an.
„Was haltet ihr hierv- Em, was ist los?“, quiekt Ginny und kommt in einem rosa Kleidchen auf uns zugeeilt. „Ist schon gut, Ginny.“, murmelt Hermine und ich wische mir mit meinen Pullover-Ärmeln die Tränen aus den Augen. „Ist es wegen Fred?“, keucht sie und schaut böse drein. „Wenn es wegen Fred ist, dann reiße ich ihm die-“ – „GINNY!“, pruste ich, halb amüsiert. „Ich will gar nicht wissen, was du ihm ausreißen willst, aber es ist nicht wegen Fred.“ Ginnys Gesichtsausdruck wird weicher. „Oh… ok… was hast du dann?“ – „Es ist nur wegen meiner Mum…“ – „Oh… ooooh.. oh.“, macht sie und nimmt die Hände vor den Mund.
Ich betrachte sie, wie sie so da steht. Sie sieht so süß aus, in dem Kleid. „Ginny, das Kleid solltest du nehmen.“, meine ich und lächle sie an. Sie lässt ihre Hände sinken und wendet sich einem Spiegel zu. „Meinst du?“ Hermine und ich stellen uns hinter sie und wir drei betrachten die jüngste von uns im Spiegel. „Du siehst hübsch aus.“, meint Hermine freundlich und ich nicke zustimmend. „Du wirst Harry sooo den Kopf verdrehen.“, grinste ich und kassiere dafür einen Faustschlag auf den Oberarm. „Halt die Klappe.“ Ich schiebe sie von mir weg und Hermine grinst ebenfalls.

„Was ist? Hab ich irgendwo was?“ ich wische mir über die Wangen und streiche das Kleid glatt. Nach gefühlten 1.867 Anproben stecke ich jetzt in einem beigen, trägerlosen Kleid, das samtweich bis zum Boden fällt. Hermine und Ginny stehen mit geweiteten Augen vor mir und Ginny beginnt zu quieken. „Das ist es! Das ist es!“ Sie klatscht in die Hände und wippt auf und ab, wie ein kleines Kind, das sich über ein Weihnachtsgeschenk ganz besonders freut. Ich hebe das Kleid an, damit der Saum nicht über den Boden schleift und gehe zum Spiegel. Als ich davor stehe, verschlägt es mir die Sprache. „Du siehst bezaubernd aus.“, meint Hermine zufrieden. „Bezaubernd? Du bist wunderschön!“, grinst Ginny immernoch auf und ab wippend. Und sie hat Recht. Das Mädchen, das mich da schüchtern aus dem Spiegel her anlächelt sieht einfach perfekt aus. Das Kleid betont ihre gebräunte Haut und ihre langen lockigen Haare. Es sitzt einfach perfekt und ich fühle mich wie eine Prinzessin. „Ich freu mich schon auf Freds Gesicht.“, lacht Ginny. „Der wird ganz aus dem Häuschen sein.“ Sie setzt sich auf einen Hocker und klatscht in die Hände. Ich betrachte mich und schmunzle. „Er wird seine Hände gar nicht von dir lassen können.“, kichert Hermine und Ginny hält sich die Ohren zu. „Lalalalalalala… Nicht zu viele Infos, bitte.“ Ich grinse und streiche über den Stoff des Kleides. Der Ball kann ja nur perfekt werden.

Am Abend haben wir Tanzunterricht bei McGonagall. Auch wenn die Jungs erst nicht sehr begeistert darüber erscheinen (außer Neville, der ist von Anfang an mit vollem Elan dabei), wird es für alle ein wirklich spaßiger Abend. „Verrätst du mir, wie dein Kleid aussieht?“, grinst Fred und dreht mich gerade in ein Damensolo. Er tanzt wirklich gut. Ich schüttle den Kopf und drehe mich unter seinem Arm hindurch. „Nope.“ Als er mich wieder an sich heranzieht, zieht er einen Schmollmund, doch ich bleibe standhaft. „Das wird eine Überraschung.“ – „Ach komm schon.“, nörgelt er, doch ich schüttle den Kopf. „Farbe?“ Ich schweige. „Länge?“ Ich schweige. „Keine Farbe, keine Länge. Gehst du nackt?“ – „Was? NEIN.“ – „Das wäre eine große Überraschung.“, lacht er und handelt sich einen scharfen Blick von mir ein. Das Lied geht zuende und Fred dreht mich aus.
„Sehr gut, das sieht doch schon sehr vielversprechend aus. Wir üben das trotzdem nocheinmal.“ Hier und da stöhnt ein Junge auf oder ein Mädchen grinst erfreut. Ich liebe das Tanzen – im Waisenhaus durfte ich einen Tanzkurs machen und habe immer mit Charlotte getanzt. „Gehen Sie bitte wieder in Tanzhaltung.“, bittet unsere Hauslehrerin uns in lautem Tonfall. Fred legt seine rechte Hand auf meine Hüfte und nimmt mit seiner linken Hand meine rechte hoch. Als das nächste Lied langsam startet, platziere ich meine linke Hand auf seiner Schulter und beginne den Takt anzuzählen.
„Meinst du Snape übt auch mit den Slytherins?“, flüstert Fred grinsend und schaut in Richtung McGonagall, die gerade Ron versucht zu zeigen, wie es richtig geht. „Gute Frage… Der kann doch sicher nicht tanzen. Der Mann hat einen gewaltigen Besen in seinem Allerwertesten stecken.“ Fred schaut verwirrt zu mir herunter. „Bitte was?“, grinst er. „Das… Muggel.“, lache ich und Fred schüttelt belustigt den Kopf. „Muggel…“, murmelt er und wir drehen uns.

𝕝𝕠𝕤𝕥 𝕒𝕟𝕕 𝕗𝕠𝕦𝕟𝕕 - die Tochter des letzten Rumtreibers ➵ Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt