Herz oder Verstand? Wahrheit oder Lüge?

12.8K 597 47
                                    

Am nächsten Morgen wurde ich durch ein permanentes Ziehen meiner Bettdecke wach. Ich versuchte sie festzuhalten, doch das Ziehen wurde immer eigensinniger. Der Ursacher davon stellte sich als Dobby heraus, der mich mit einem fröhlichen Hallo seiner Pipsstimme begrüßte. Er teilte mir mit, dass meine Eltern soeben durch das Flohnetzwerk in McGonnegals Büro angekommen waren, um mit mir zu reden. Zum einen freute ich mich rießig, dass sie hier waren, zum anderen wurde ich dadruch an die Vorgeschehnisse des gestrigen Abends erinnert. Eine viertel Stunde später war ich auf dem Weg in McGonnegals Büro. Ich war mehr als erleichtert, nicht auf Harry getroffen zu sein. Ich hatte die Informationen über mich einfach noch nicht verarbeitet, um sie nun mit der Gegenwart Harrys konfrontieren zu lassen.
Ich klopfte an der dunklen Eichentür und trat ein. Ehe ich mich an die neue Umgebung des Raumes gewöhnen konnte, hatte mich meine Mutter schon in eine stürmische Umarmung geschlossen und schluchzte: "Oh Schatz! Es tut mir, nein uns, es tut uns so so leid! Aber sei dir versichert, das ändert nichts daran, dass..." Die nächsten zwei Stunden fand eine äußerst theatralische Aussprache zwischen meinen Eltern und mir statt. Ich fühlte mich danach um Welten besser. Dieses Gespräch hat mir klargemacht, dass sie immer noch meine Eltern waren, für mich da sind und ich den Rückhalt bekam, den ich gerade jetzt so brauchte. Es war schwer, sie danach wieder durch den Kamin verschwinden zu sehen, aber dennoch hatte ich nun die Kraft, nach vorne zu schauen.
In der großen Halle traf ich auf Hermine, die schon früher auf war, sodass wir gemeinsam frühstücken konnten. Natürlich war sie brennend darauf interessiert, welches Geheimnis Dumbledore mir gestern über mich erzählt hatte. "Sieh mal...", sagte ich und sah ihr bittend in die Augen. "Ich kann dich wirklich verstehen, dass du es wissen willst, ich wäre an deiner Stelle genauso neugierig darauf wie du. Aber ich darf es niemandem sagen." Ich kann es niemandem sagen, dachte ich mir im Stillen. Hermine nahm meine Hand. "Was es auch ist, ich bin für dich da. Komme mit dir selbst erst einmal ins Reine." Ich sah sie dankbar an. "Danke, das hilft mir sehr." Hermine schaute plötzlich auf. "Oh, sieh mal, da kommt Harry!" Ich sah gerade einen schwarzen Haarschopf vom anderen Ende der Halle, als ich reflexartig aufsprang. "Ich muss los.", sagte ich und nahm meine Tasche. Hermine sah mich verwirrt an. "Aber du hast doch noch gar nicht aufgegessen! Warte doch..." "Ich habe vergessen, dass der Unterricht schon früher anfängt heute.", stammelte ich und mischte mich unter einen Haufen voller Ravenclaws. Ich dachte, Hermine noch meinen Namen hinter mir rufen zu hören. Als ich es aus der Halle geschafft hatte, lehnte ich mich erschöpft gegen die nächste Mauer. Sollte es das jetzt sein? Jedes Mal, wenn ich Harry sah, würde ich weglaufen? Jedes Mal würde ich vor Schuldgefühlen aufgefressen werden, da ich ihm etwas vorspielen müsste? Ich vergrub das Gesicht in den Händen. Die Schulglocke riss mich jäh aus meinen Gedanken. Mist, die erste Stunde fing tatsächlich schon an. Ich lief, so schnell ich konnte zu Professor Lupins Büro. "Entschuldigung.", keuchte ich, als ich laut atmend angerannt kam. "Mach doch nichts.", meinte Lupin freundlich und trank einen Schluck Tee. "Wie geht es dir?", fragte er. "Mir...gut, danke.", murmelte ich. "Bist du dir sicher?", fragte er mich. Wollte er auf irgendetwas spezielles hinaus? "Du hattest doch gestern dein Gespräch mit Professor Dumbledore, oder etwa nicht?", fragte er. "Ich... doch, hatte ich, ja. Woher wissen sie...", setzte ich an, doch er unterbrach mich. "Als stellvertretender Leiter des Phönixordens hat mich Dumbledore natürlich informiert. Mach dir keine Gedanken, dein Geheimnis ist bei mir sicher. Aber ich frage dich noch einmal: Geht es dir wirklich gut?" Lupin klang nicht etwa wie die anderen neugierig, vielmehr hörte ich Verständnis in seiner Stimme. Ich schüttelte betreten den Kopf. "Ich kann verstehen, wie es dir geht. Ich weiß nur zu gut, wenn plötzlich die eigene Identität auf den Kopf gestellt wird. Aber weißt du, was ich nach all den Jahren des Grübelns gelernt habe?" Ich sah auf und schaute ihm fragend in die braunen Augen. "Bleib dir selbst treu. Niemand anderes oder etwas anderes kann vorgeben, wer du bist, oder wie du dich zu verhalten hast. Dein Leben, deine Regeln." Ich lächelte ihn etwas verlegen, aber dennoch dankbar an. "Danke, Professor. Es ist nur alles sehr viel im Moment, wissen Sie." Lupin nickte. "Ich weiß. Deswegen lassen wir den praktischen Teil heute auch. Es ist nicht gut, mit so viel gemischten Emotionen zu zaubern. Ich würde sagen, du bekommst den Rest der Stunde frei und siehst dir dafür magische Unterwasserwesen Teil 3 genaustens bis zum nächsten Mal an." Er zwinkerte mir aufmunternd zu, und das erwiderte ich.
Etwas bestärkt verlies ich das Klassenzimmer. Ich wusste nicht wirklich, was ich jetzt in der gewonnenen Zeit tun sollte, und so beschloss ich mal wieder das Schloss etwas genauer zu erkunden. Ich kannte mich, was ich selbst nie für möglich gehalten hätte, nun doch schon ziemlich gut aus. Allerdings gab es immer wieder neue Dinge, die Hogwarts von sich offenbarte. Ich bog in einen breiten Korridor mit zahlreichen Bildern voller alter Magier ein. "Sidney!", hörte ich ein Stimme hinter mir rufen. Die Stimme kam mir vertraut vor...viel zu vertraut. Mir all meiner Willenskraft riss ich mich zusammen, und versuchte das Rufen nach mir zu ignorieren. "Sidney, Sidney, jetzt warte doch mal!" Eine Hand berührte mich an meiner Schulter, was mich dazu veranlasste anzuhalten. "Oh, Harry, du bist's.", sagte ich tonlos. "Hast du mich nicht gehört?", fragte er und sah dabei so verwundert wie ein lernendes Kind aus. "Ich hatte es eilig...", murmelte ich. Es zeriss mir das Herz, so mit ihm zu reden, wirklich. Aber ich hielt es für richtiger, wie wenn ich ihm etwas vorspielen würde. "Ich habe dich heute beim Frühstück gar nicht gesehen." Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Ich nahm all meine Willenskraft und Verstand zusammen, um die nächsten Worte zu ihm zu sagen: "Kann sein.", meinte ich knapp. "Ich muss jetzt los, und du hältst mich gerade ehrlich gesagt nur auf. Wenn du sonst nichts zu sagen hast, würde ich jetzt ganz gerne gehen."
Ich will bei dir sein! Ich will dir nahe sein! Aber ich bin die Schwester von dem Mann, der deine Eltern umgebracht hat und dessen größtes Ziel es ist, dich umzubringen,
dachte ich mir dazu. Die Schärfe in meiner Stimme überraschte mich mehr als ich es erwartet hätte. Harry sah mich wie ein Hund, dem gerade die Familie genommen wurde, mit weiten Augen an. "Sidney, ich...", sagte er und machte den Mund dann wieder zu. Seine Stimme schien ihm versagt zu haben. "Lass es gut sein Harry, bitte." Wie gern würde ich dir die Wahrheit sagen. Aber es wäre falsch. Du hast jemand besseren verdient. Jemanden, der dich nicht anlügen muss, weil die Wahrheit noch schlimmer als die Lüge ist. "Du tust mir einfach nicht gut. Deine ständigen Launen sind unerträglich. Ich brauche jemanden, der normal ist. Jemanden wie...jemanden wie Ron." Ich wusste, dass das Letzte, was ich sagte, das Schlimmste war. Ich kam mir ungeheuer grausam vor. Aber Harry hatte etwas Besseres verdient. Nur so konnte ich es ihm begreiflich machen, dass er mich loslassen sollte, in dem er so ein schreckliches Bild von mir bekam.
Es kostete mich all meine Kraft, ihm in seine Augen zu schauen. Seine grünen, entsetzten Augen, die mich fassungslos traurig anstarrten. "Sidney...", flüsterte er. Ich drehte mich um, da ich den Anblick nicht länger ertragen konnte, ohne auf der Stelle losheulen zu müssen. Ich war schon ein paar Meter gegangen, als Harry mit zittriger, brechender, aber entschlossenen Stimme mir hinterher rief. "Nein! Sidney, bitte, tu das nicht.", er klang flehend. "Es geht doch nicht, dass...bitte Sidney, lass uns reden. Hat es etwas mit dem Gespräch mit Dumbledore zu tun? Ist etwas passiert?" Ich drehte mich um, mit Tränen in den Augen und verzweifeltem Gesichtsausdruck. "Bitte, Harry...", diesmal war es meine Stimme, die flehend klang. Harry schien sich zu sammeln. "Nein, ich werde es nicht so einfach gut sein lassen. Du weißt, du kannst mir alles sagen." Er schien zu zögern, ehe er fortfuhr. "Heute Abend am Hügel. Dort kannst du es mir erklären. Bitte komm, Sidney." Er sah mir bittend in die Augen, dann machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand zügigen Schrittes im langen Korridor. Ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. So schnell ich konnte, lief ich zur nächsten Toilette und sperrte die Tür ab. Die Tränen flossen in Strömen und ich schluchzte unaufhörtlich. Nie hätte ich es für möglich gehalten, wegen einer Person derartig heftige Emotionen und Reaktionen zu erleben. "Ich weine hier auch oft, weißt du." Der Geist eines Mädchens mit zwei Zöpfen und einer Hornbrille schwebte klagend durch den Raum. "Du bist die maulende Myrte.", stellte ich schniefend fest. "So nennt man mich, ja...", säuselte sie. "Es ist doch immer das Selbe mit den Männern. Erst spielen sie uns den perfekten Traummann vor, und dann entpuppen sie sich doch als hässlicher Frosch." Myrte klang höhnisch. "Nein, das ist es nicht.", sagte ich. "Oh nein, natürlich nicht!", Myrte grinste selbstgefällig und flog mit lautem Gackern ins nächste Klo, wo sie mit einem Platschen verschwand. Ich tupfte mir mit einem Taschentuch gerade die Augen trocken, als plötzlich eine Durchsage erklang und ich McGonnegals Stimme erkannte: "Alle Schüler versammeln sich vor der Mittagspause in der großen Halle. Es gibt etwas anzukündigen. Ich wiederhole, alle Schüler..." Ich sah auf meine Uhr. Eine halbe Stunde hatte ich noch Zeit. Ich nutzte sie, um wieder halbwegs normal und nicht wie ein aufgequollener Tintenfisch bei der Versammlung auszusehen.
Eine halbe Stunde später mischte ich mich in der großen Halle unauffällig unter die anderen Schüler. Alle tuschelten schon aufgefregt, was wohl der Anlass sei. Endlich ging McGonnegal in Richtung Podium und räusperte sich. "Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? Ja, auch ihre, Mr. Lee.", wies sie den kichernden Lee Jordan an, der sich mit Fred und George über irgendetwas lustig machte. "Nun...", McGonnegal lies gebieterisch ihren Blick durch die Menge schweifen. "Wie Sie alle wissen, sind es nur noch wenige Wochen bis Weihnachten. In den letzten zwei Jahren bekamen wir einige Nachfragen von Schülern, vorallem Schülerinnen-", sie zog skeptisch eine Augenbraue hoch, "-einen Weihnachtsball zu veranstalten. Da die Nachfrage auf einen Ball, aufgrund einer Idee des erfundenen vierten Harry Potter Teils so groß war, haben wir die Genehmigung beim Ministerium beantragt." Die Schüler starrten sie neugierig und erwartungsvoll an. Dann fuhr sie fort. "Wir haben die Genehmigung beim Ministerium beantragt und sie wurde...stattgegeben." Das letzte Wort ging in einem Schwall voller Jubel unter. Einige Mädchen kicherten sich euphorisch an. "Ruhe, Ruhe bitte!", rief McGonnegal über die Menge hinweg. "Der Ball findet am Tag vor Heiligabend statt. Es ist zu erwarten, dass sie alle in Festtagsrobe und mit Partner erscheinen." Ein aufgeregtes Wispern ging durch die Runde, welches McGonnegal kritisch zur Kenntnis nahm. "Für alle, die es nicht wissen, aber auf einem Ball werden Grundkenntnisse in Tanz erwartet. An der Eingangstüre hängen Listen, in die sich die Leute eintragen können, die Tanzunterricht nehmen wollen. Dort stehen auch die genauen Termine. Und jetzt wieder in den Unterricht, husch!", sagte sie. Man merkte ihr an, dass sie der Idee eines Balles kritisch gegenüber stand. Ich wusste nicht, wie ich auf die neue Nachricht reagieren sollte, denn ein Wort hatte mich ganz besonders erschreckt. ...mit Partner erscheinen.
Der Nachmittag verlief ohne große Vorkommnisse. McGonnegal fragte mich viel Theoretisches aus, das sie mir aufgegeben hatte und schien äußerst zufrieden mit mir. Zaubertränke mit Snape war schrecklich, denn hier half auch die größte Magie nichts, man musste das Brauen einfach können, und schnell stellte sich heraus, dass das bei mir nicht der Fall war. "Privat Unterricht verlangen, aber nichteinmal den einfachsten Schlaftrunk brauen können, so, so...", zischte Snape genüsslich, als er meinen matschfarbenen Brei begutachtete. Ich funkelte ihn böse an.
Das Abendessen verschlang ich so schnell ich konnte, damit ich Harry nicht begegnen musste. Doch danach stand ich ratlos in meinem Schlafsaal. Sollte ich zum Hügel gehen? Harry würde versuchen, herauszufinden was los ist, ganz klar. Dann konnte ich ihm nur wieder Abweisung entgegen bringen. Aber wenn ich nicht gehen würde, könnte ich ihm auch nicht die nächsten Schuljahre durchgehend aus dem Weg gehen, und würde das nicht alles noch schlimmer machen? Nach minutenlangem Abwägen von Vor-und Nachteilen, entschied ich mich, dazu zu gehen. Manchmal musste man eben mehr auf das Herz, als auf den Verstand hören. Es dämmerte schon, als ich den Hügel hinaufging. Vereinzelt sah man Sterne am Himmel blitzen, und der Mond hatte fast seine volle Form erreicht. Ganz oben sah ich Harry, der nachdenkend in den Himmel schaute. "Eine schöne Nacht heute...", bemerkte ich, als ich mich neben ihn stellte. Er drehte sich aprupt um, anscheinend hatte er mich nicht kommen hören. "Du bist da...", flüsterte er erstaunt. Ich sagte nichts, sondern sah ihn nur an. Er tat das Selbe, und eine merkwürdige Atmosphäre umgab uns. Als er anfing zu sprechen, brach plötzlich wieder die Realtität ein. "Bitte Sidney, sag mir was los ist. Ich mache mir schon den ganzen Tag Gedanken. Habe ich etwas falsch gemacht? Wenn ich das habe, dann bitte sag es mir..." Ich unterbrach ihn. "Nein...nein, du hast nichts falsch gemacht...ich..." Doch nun war er es, der mich unterbrach. "Was ist es dann? Bitte, du kannst es mir sagen, aber ich halte es nicht aus, wenn du..." Er stoppte kurz, dann fragte er ernst. "Hat es etwas mit dem Gespräch mit Dumbledore zu tun?" Er schaute mir tief in die Augen. Ich konnte nicht lügen. "Ja.", hauchte ich. Harry schluckte und versuchte, die Situation so gut wie möglich zu bewältigen. "Was hat er dir gesagt? Was hat er dir gesagt, dass du deine Meinung mir gegenüber so änderst?" Er klang verängstigt. Ich schüttelte zu Boden schauend den Kopf und versuchte meinen Klos im Hals verschwinden zu lassen. "Meine Meinung zu dir hat sich nicht verändert.", meine Stimme glich viel mehr einem Flüstern, als normalen Worten. "Das hat sie nie. Aber gerade deswegen musst du mich vergessen. Es geht nicht..." "Nein!", rief Harry. "Egal, was es ist, du kannst es mir sagen. Bitte Sidney, nicht was du sagst, kann mich von dir in irgendeiner Weise abschrecken." Ich lachte verzweifelt. Oh Harry, wie sehr du dich täuschst. "Ich kann es dir nicht sagen. Es geht nicht.", erwiderte ich. "Sidney, bitte, tu es.", nun flüsterte er, als er hinzufügte. "Ich kann mich nicht mehr von dir fernhalten." Ich sah ihm in seine aufrichtigen Augen. Verstand oder Herz? Verstand oder Herz? Verstand oder Herz? Verstand oder... "Dumbledore hat mir gesagt, dass...", fing ich an, während ich verzweifelt nach einer passenden Ausrede suchte. "Ja?", fragte Harry angespannt. "Er hat gesagt, dass...dass wenn Voldemort...also, wenn er von meiner Macht erfährt, es auf mich absehen wird, damit er unbesiegbar bleibt. Wenn er zudem noch erfährt dass wir beide...du wirst nur noch mehr in Gefahr sein, als du es ohnehin schon bist." Ich war selbst verblüfft über meine plausible Lüge. Und so ein bisschen stimmte es ja auch... Harry starrte mich fassungslos an. Dann hellte sich seine Miene schlagartig auf. "Das ist also der Grund? Deswegen wolltest du mir aus dem Weg gehen?" Ich sah peinlich berührt zu Boden. "Du bist mir viel zu wichtig, als dass ich riskieren würde, dass dir wegen mir etwas zustößt.", flüsterte ich betreten. War es okay, was ich gerade tat? Ihm nur die halbe Wahrheit zu sagen? Aber ich hatte mich für mein Herz entschieden und wie Dumbledore mir schon erklärt hatte, es würde nichts ändern, dass ich Voldemorts Schwester bin. Er wäre so oder so hinter mir her, und das hatte ich Harry ja gerade selbst erklärt. Ich wusste, dass ich mich im Grunde selbst belog und mir nur etwas einredete, aber für den Moment sollte das genügen. Herz...
Harry nahm mich an den Händen, immer noch sehbar erleichtert. "Sidney, wie ich dir gesagt habe, nichts könnte mich von dir fernhalten. Ich würde jedes Risiko dafür tragen. Bis jetzt habe ich es auch immer geschafft, ihn nicht siegen zu lassen, ich kann wirklich auf mich selbst aufpassen." Ich lächelte verlegen und gleichzeitig pochte mein Herz wie wild unter der Berührung seiner Hände. "Was ich heute im Korridor zu dir gesagt habe...Nichts davon ist war, weißt du." Ich hoffe, dass er verstand, worauf genau ich anspielen wollte. Er zog mich in eine innige Umarmung und ich vergrub mein Gesicht in seinen Schultern. "Jetzt weiß ich ja, was los war. Alles wird gut, Sidney." Es fühlte sich so richtig an, hier in seinen Armen zu liegen. Schließlich lagen wir an unserem Hügel und schauten in die Sterne. Wir sahen die skurrilsten Sachen darin, sodass wir stundenlang einfach nur dalagen und über unsere Vorstellungen lachen mussten. Irgendwann hörte Harry auf zu lachen, sah in den Himmel und ich spürte, dass er etwas nervöser wurde. "McGonnegal hat ja heute den Ball angekündigt...", meinte er.Ich sah ihn an. "Weißt du, ich habe mir überlegt..." Ich lachte ihn an. Es war irgendwie süß, ihn so herum stottern zu sehen. "Ja?", fragte ich. Er atmete einmal tief ein. "Willst du mit mir auf den Ball gehen, Sidney?", fragte er und konnte nicht verhindern, dass seine Stimme die Wörter viel zu schnell aussprach. Ich lächelte und drückte seine Hand, selbst überrascht, wie entspannt ich mit der Situation umging. Innerlich führte ich kichernde Freudentänze auf. "Ja.", flüsterte ich. Nun breitete sich auch auf seinem Gesicht ein Lächeln aus. "Puh. Das ging mir schon den ganzen Tag im Kopf herum." "Obwohl ich so gräßlich zu dir war?", neckte ich ihn. Er lachte. "Ich kann dir nicht böse sein.", stellte er fest. Wir lagen noch ein paar Minuten so da, ehe er wieder das Wort ergriff. "Hör mal, das kommt jetzt vielleicht ein bisschen unpassend, aber...bitte sag Ron noch nicht, dass wir gemeinsam auf den Ball gehen." Er fügte schnell hinzu: "Nicht, dass ich nicht will, dass jemand erfährt, dass wir gemeinsam hingehen. Im Gegenteil. Es ist nur...ich muss mir noch überlegen, wie ich ihm es möglichst schonend beibringe. Er ist mein bester Freund.", meinte er nachdenklich. "Harry, natürlich nicht. Ich verstehe dich. Mach dir keine Sorgen, ich werde ihm nichts sagen. Aber sieh zu, dass er es bald erfährt, irgendwann kommt die Wahrheit immer ans Licht..." Meine letzten Worte erinnerten mich wieder an eineSache, aber ich verdrängte diesen Gedanken schnell. Drinnen im Schloss ertönte die Glocke für die Nachtruhe. "Oh je, wie spät ist es?", fragte ich erschrocken. "Keine Sorge, ich kenne eine Abkürzung.", meinte Harry. Er zeigte mir einen Geheimgang am Fuße des Hügels, der uns wieder ins Schloss führte, direkt durch ein Portrait, dass an der Wand der Treppe hing, die zum Gryffendorturm hinaufführte. Als wir im Gemeinschaftsraum ankamen, war noch viel los. Die Neuigkeit des Balls schien alle in helle Aufregung versetzt zu haben. Hermine kam freudig auf mich zugelaufen. "Ernie McMillen hat mich gefragt, ob ich ihn auf den Ball begleiten will!", pipste sie voller Freude. Ich schrie vor Begeisterung auf und umarmte sie. Vor ein paar Tagen hatte sie mir anvertraut, dass sie seit längerer Zeit ein Auge auf Ernie geworfen hatte. "Ich muss dir später auch noch etwas erzählen. Alleine.", sagte ich ihr mit bedeutendem Blick. Sie lächelte mir verschwörerisch zu. "Da bin ich ja gespannt. Bis später dann, ich freu mich.", sagte sie und hüpfte vergnügt wieder in die Menge. Ich musste lächeln, so frei und locker sah man Hermine nicht oft. "Ich habe auch schon ein Date für den Ball.", flüsterte mir Harrys Stimme, der sich hinter mich gestellt hatte, in mein Ohr. Ich grinste verschmitzt. "Die Glückliche.", antwortete ich schlagfertig. "Gute Nacht, Sidney. Träum schön.", flüsterte er nochmal und streifte im Vorbeigehen meine Hand. Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus.

Harry's Sicht:
Ich fühlte mich so gut wie lange nicht mehr. Ich hatte das Glück in mir, als würde ein Patronus direkt in meiner Brust toben. Ich hatte mir umsonst Sorgen gemacht, Sidney schien mich auch zu mögen und sie hatte Ja gesagt! Vor mich hinsummend zog ich meinen Schlafanzug an und legte meine Klamotten auf einen Stuhl. "Na, da ist aber einer gut gelaunt.", sagte Ron, der gerade ins Zimmer kam und meine Euphorie verwandelte sich in drückende Schuldgefühle. "Quidditch Training lief echt gut heute.", log ich. Verdammt, reiß dich zusammen, dachte ich mir. "Ich wusste gar nicht, dass es heute war...", meinte Ron beiläufig aber schien sich nicht großartig damit weiter zu beschäftigen. Wir lagen nun beide in unseren warmen Betten, nur das schwache Licht meiner Nachttischlampe war noch an. "Und, was sagst du zu dieser Ballgeschichte?", fragte Ron. Meine Muskeln verkrampften sich. "Ähm...", fing ich an doch Ron redete schon weiter. "Ziemlich kitschig eigentlich, oder?" Schweigen. "Weißt du schon, wen du fragst?", fügte er schließlich hinzu. Meine Muskeln verhärteten sich schon beinahe. "Ähm...nein.", meinte ich, bedacht darauf ihn nicht das Selbe zu fragen und redete schnell weiter, um das Thema zu wechseln. "Ich hoffe, wir schlagen Slytherin bei dem Spiel nächste Woche. Aber das Training lief echt gut." Ich hasste es zu lügen, noch dazu bei meinem besten Freund. Ich lag in einem Bett voller Schuldgefühlen. "Jaah, das schafft ihr schon.", meinte Ron loyal. "Gute Nacht.", sagte ich und machte das kleine Licht aus. "Schlaf gut, man.", meinte Ron. Als es wieder dunkel war und ich die Anwesenheit Rons  mit viel Mühe ausblenden konnte, lies ich mir nocheinmal die Geschehnisse von vorhin durch den Kopf gehen. Sidney sah so unglaublich schön aus, als sie auf dem Hügel lag und die Sterne bewunderte. Ich bewunderte jedoch ihre Augen, die noch um ein tausendfaches schöner waren, als jeder Stern der Welt. Ich erinnerte mich daran, wie sie lächelnd Ja gesagt hatte und wie mich diese unglaubliche Erleichterung und das damit verbundene Glücksgefühl durchströmte. Dieses Gefühl war stärker als meine Schuldgefühle für Ron, und so schlief ich, auch wenn ich wusste, dass ich anders empfinden sollte, mit einem Lächeln glücklich ein.

Plötzlich in Hogwarts - Harry Potter FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt