| 60. Kapitel |

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Der Spätsommer hatte das Land nun schon lange verlassen, und der Herbst hielt Einzug über Schottland. Die Blätter der peitschenden Weide hatten sich rostig Rot verfärbt und erinnerten mich Tag für Tag an Freds Haare, durch die ich so gerne gefahren wäre. Selbst Ginny in meinem Unterricht sitzen zu sehen, brachte viele Erinnerungen hervor, dass ich am liebsten ihre Klasse an Professor Slughorn übergeben hätte. Doch das konnte ich nicht. Wenn die Carrows mitbekommen würden, dass ich eine Klasse abgab, so würden sie fragen, warum. Und diesem Verhör wollte ich unbedingt entgehen.

Ich saß in meinem Zimmer, das Fenster, das mir einen ziemlich guten Blick in den schwarzen See preisgab. Ich lächelte ein wenig und dachte an Freds und mein Treffen am Weihnachtsball. Damals hatte ich mich noch gewundert, wie er mit seinen langen Füßen auf die zugefrorene Oberfläche kommen konnte, doch jetzt hoffte ich, dass unser Kind seine und nicht meine Körpergröße annahm. Es würde es deutlich einfacher im Quidditch haben als wir. Außer es wollte Sucher werden, so wäre meine Größe wohl besser.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als es an meiner Zimmertür klopfte. Ich bat die Person herein und erkannte überrascht, dass es sich um Minerva handelte. Mit einem schmalen Lächeln trat sie ein, flüsterte jedoch so gleich: „Muffliato." Fragend sah ich zu ihr auf und deutete ihr, sich auf meinem Bett niederzulassen. Die Verwandlungslehrerin seufzte schwer und ich lächelte traurig. „Wie geht es dir?", fragte sie mich, und ich setzte mich neben sie. Ich zuckte mit den Schultern. Die Morgenübelkeit war vorbei, stattdessen wuchs mein Bauch nun Stück für Stück. Ich meinte, fast täglich einen breiteren Umfang zu erkennen. Doch im Moment wussten nur Narzissa Malfoy, Severus Snape und Ginny von meinen besonderen Umständen. Soweit sie niemanden davon erzählt hatten. „Professor Flitwick und ich machen uns Sorgen um dich", fügte sie an und musterte mich besorgt von der Seite. Schmal lächelte ich sie an. „Minerva, wie sollte es mir schon gehen?", antwortete ich schmal und faltete meine Hände auf meinem Schoß. Ich sah darauf.

Lange erwiderte Minerva nichts, doch dann sagte sie das sonst Unausgesprochene: „Du vermisst Fred." Ich zuckte ich zusammen, nickte jedoch. Ich vermisste Fred mehr wie alles andere, und dennoch konnte ich nicht einfach zu ihm gehen und ihn in meine Arme schließen. Vermutlich würde er mich selbst vorher umbringen. Ich hatte ihm das Herz gebrochen und ihn einfach so stehen lassen. Ginnys Worte kamen mir wieder in den Sinn. Er hatte mich mehr wie die Scherzartikel geliebt. Einen größeren Liebesbeweis von einem der Weasley-Zwillinge würde es wohl nicht geben. Jeder im Land wusste, dass es nichts größer für die beiden gegeben hatte als ihre Scherzartikel und die Streiche, die sie mit Peeves ausgeheckt hatten. „Natürlich vermisse ich ihn", antwortete ich der Lehrerin und schluckte schwer. „Ginny Weasley hat mir erzählt, unter welchen Vorwänden du gegangen bist. Mal wieder war es sehr edelmütig von dir, sie allein zu lassen, da du ganz sicher ein größerer Sicherheitsfaktor für sie dargestellt hast als sonst", sie legte mir ihre Hand auf den Arm. Es spendete Trost, entsprach jedoch nicht ganz der Wahrheit. Ein noch größerer Teil war es gewesen, das Kind in mir zu schützen.

Ich schluchzte auf. Lange hatte ich all diese Emotionen unterdrückt, doch jetzt wollten sie meinem Körper entfliehen. Sie wollten hinaus in die weite Welt geschrien werden, sodass jeder in diesem bei Merlin verfluchten Schloss mitbekam, wie schlecht es mir ging. Ich hatte die Liebe meines Lebens verloren, indem ich mich einfach so von ihm entfernt hatte. Ich hatte ihm so sehr weh getan, dass er mich sicherlich nicht mehr zurücknehmen wollte, auch wenn ich unser Kind austrug. Vielleicht würde er es annehmen, doch mir würde er wohl niemals ganz verzeihen können. Ich schluchzte so sehr, dass ich gar keine Luft mehr bekam und Minerva ihre zierlichen Arme nur schwer um mich schlingen konnte. Und ich weinte. Weinte, was das Zeug hielt. Weinte um Fred, meine verlorene Identität und das Leben, das ich mir ausgesucht hatte. Ich hatte versagt, und das auf ganzer Linie.

Es dauerte lange, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Irgendwann hatte Minerva Taschentücher herbeigezaubert und sie mir nach und nach gereicht. Als alle Tränen versiegt waren, sah ich verheult auf und strich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie waren von meinen Tränen ganz an mein Gesicht hin geklebt und lösten sich schwer.

„Wie wäre es, wenn du nach ihm suchst? Vielleicht ist er ja noch immer bei seiner Familie", schlug Minerva vor, doch ich ließ nur meine Schultern hängen. „Er wird mich bestimmt nicht mehr sehen wollen. Dafür habe ich ihm wohl zu sehr weh getan", wehrte ich ab, verschwieg aber, dass ich einfach zu viel Angst hatte, ihm wieder gegenüber zu stehen. Bestimmend schüttelte Minerva ihren Kopf. „Das glaubst du wohl selbst nicht. Weißt du nicht, welch eine Freude es mir bereitet hat, meine beiden Schüler zu sehen, wie sie sich ineinander verliebten? Wie sehr wir es im Lehrerzimmer gefeiert haben, in der Hoffnung, dass die Zwillinge jetzt endlich weniger Streiche fabrizierten? Stattdessen haben sie dich auch noch dazu angesteckt. Und Kate, glaubst du nicht, dass mir nicht aufgefallen ist, was mit dir gerade geschieht?", sagte sie und überrascht blickte ich auf. Woher wollte sie bitte schön wissen, dass ich schwanger war? Meinen Bauch hatte ich doch gut unter den ganzen Roben verstecken können. War es schon so offensichtlich? „Du hast immer mehr abgenommen. Du siehst krank aus. Noch kränker, als du es in der Anfangszeit getan hast. Versprich mir, dass du dich ein wenig um dich kümmerst. Und glaub mir, dass ein Besuch bei Fred dir sicherlich guttun würde. Ich glaube nämlich nicht, dass er dich abweisen würde. Dafür ist es zu sehr in dich verliebt. Denke an die Geschichte mit deinem Patronus. Es ist nicht einfach nur so eine Sage", sagte sie und stand auf. „Falls etwas sein sollte, ich dir bei irgendetwas helfen kann, dann melde dich bei mir. Ich hoffe noch immer, dass du auf der richtigen Seite stehst und noch nicht ganz dem dunklen Lord untertan bist."

Sie verschwand und ließ mich allein in meinem Zimmer zurück. Zitternd atmete ich aus. Noch eine Weile saß ich gedankenversunken auf dem Bett herum, streichelte meinen kleinen Bauch und fasste einen Entschluss. Ich würde in den Weihnachtsferien nach Fred suchen. Koste es, was es wolle. 

Königsblau | Fred WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt