5. Kapitel

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Die Konstellation beim Abendessen war sonderbar.

Einerseits war da Fred, der mich konsequent ignorierte.
Dann war da Remus Lupin, ein weiteres Mitglied des Ordnerns, Werwolf und ehemaliger Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste. Neben ihm saß Tonks, die mir ihren Vornamen nicht verraten wollte, weil sie ihn schrecklich fand. Sie besaß eine Metamorphmagus-Begabung, sprich sie konnte ihre äußerliche Erscheinungsform beliebig verändern. Sie war ebenfalls Mitglied des Ordens, genauso wie Mad-Eye Moody, der mir gegenüber saß und dem ich anfangs noch etwas skeptisch betrachtet hatte.

Immerhin war ich zuerst auf eine falsche Version von ihm gestoßen.

Doch sie alle schienen nett zu sein.

"Du bist also bis jetzt in Durmstrang zur Schule gegangen?" fragte Remus, der mich über den langen Holztisch hinweg interessiert ansah. Ich nickte und war erstaunt darüber, wie sehr man sich über meine Schulausbildung interessierte.
Ich war bereits seit Beginn des Abendessens Thema Nummer Eins unter den mir noch relativ unbekannten Mitgliedern des Ordens. "Also bist du in der Anwendung dunkler Künste geübt, nehme ich mal an. Immerhin legt Durmstrang großen Wert auf den Unterricht dunkler Künste" fuhr Remus fort, woraufhin ich erneut nickte.
"Ja, anders als in Hogwarts oder Beauxbatons lernen wir Durmstrang's die Anwendung der dunklen Künste. In einem Duellier-Kurs, den man in der fünften und sechsten Klasse belegen muss, lernt man auch nebenbei die Verteidigung solcher Magie, aber wie gesagt ist der Schwerpunkt eher auf die Praktizierung gelegt. Aus diesem Grund habe ich auch Dumbledore's Angebot angenommen. Ich möchte Aurorin werden und dazu benötigt man ja einen Abschluss in der Verteidigung dunkler Künste" erklärte ich und weckte mit meinem letzten Satz besonders das Interesse von Mad-Eye Moody und Tonks.

"Du möchtest Aurorin werden?" hakte der ehemalige Auror nach, was ich mit einem Nicken kommentierte. "Ich kann für dich ein gutes Wort im Ministerium einlegen, wenn du möchtest. Deine Noten sind hervorragend und durch deine Schulausbildung zweifel ich nicht daran, dass du die Aufnahmeprüfung nicht schaffst."

"Woher wollen Sie wissen, dass meine Noten hervorragend sind?" fragte ich perplex.

Während ich Mad-Eye fixiert hatte, spürte ich die Blicke der Anderen auf mir, doch am deutlichsten fühlte ich Fred's Blick. 
Es war das erste Mal, dass er mich während des Abendessens ansah und sofort schoss ein angenehmes Kribbeln durch meinen Körper. Ich konnte die Stille und die Distanz zwischen uns nicht mehr ertragen, doch andererseits wusste ich nicht, wie ich das zwischen uns wieder gerade biegen sollte. Alles was ich wusste war, dass ich unbedingt mit ihm sprechen musste.

Nur wie und wo sollte ich ihn allein erwischen?

Darüber hinaus wusste ich nicht mal, ob Fred noch die selben Gefühle für mich empfand wie vor zwei Monaten.
Nach Hermine, Ginny und George schien es der Fall zu sein, doch Fred machte es mir ziemlich schwer mit seiner kühlen Art.
Da war nichts. Kein Lächeln, kein intensiver Blickkontakt. Nur jetzt lag sein Blick zum ersten Mal etwas länger auf mir, doch als ich meinen hob und ihn direkt in die Augen sah, wandte er sich wieder von mir ab.

Betrübt lenkte ich meinen Blick wieder auf das Holz des Tisches.

Natürlich entging mir dabei nicht Molly's  Blick, der lautlos seufzend zwischen Fred und mir hin und her schweifte.

"Wundere dich nicht Eleanor. Alastor weiß so ziemlich alles" warf Arthur ein, der am Kopfe des Tisches saß und das Gespräch genauso wie alle Anderen am Tisch verfolgte.

Ich glättete meine gerunzelte Stirn und richtete meinen Blick wieder auf den Ex-Auroren.

"Das ist sehr nett, aber eigentlich wollte ich die Ausbildung im Ministerium bei uns in Bulgarien anfangen" erwiderte ich schließlich, woraufhin Moody verstehend zu nicken begann.
"Falls du deine Entscheidung änderst und doch hier in London anfangen willst, lass es mich wissen" meinte er noch, wobei sein magisches Auge für den Bruchteil einer Sekunde auf Fred fiel.







Am nächsten Tag setzte ich mich nach dem Frühstück an den Schreibtisch in meinem Zimmer und blätterte George's Mitschriften des letzten Schuljahres durch.

Mein Plan war jedes Fach von Hogwarts mit den Fächern in Durmstrang abzugleichen.
Natürlich bestanden viele Parallelen in den einzelnen Fächern, doch gerade die Themen in dem Fach Verteidigung gegen die dunklen Künste unterschieden sich sehr von unserem Fach Dunkle Künste.
Alle anderen Fächer waren, wie ich feststellte, relativ gleich vom Stoff her, sodass ich mich eher mit George's Mitschriften aus dem Fach VgddK beschäftigte.

Durch den Duellier-Kurs war ich, was das Fach anging, nicht komplett aufgeschmissen, aber ich hatte zum Beispiel noch nie das Thema 'Irrwichte' behandelt oder wie man sich generell vor magischen Wesen schützte.

Ich war gerade dabei, mich in ein Thema näher einzulesen, als plötzlich jemand an meiner Zimmertür klopfte.

"Ja?" rief ich laut und keinen Moment später streckte George seinen Kopf ins Zimmer.
"Hey El. Sorry, dass ich dich störe, aber könntest du kurz mit rüber kommen? Ich brauche mal eben deine Hilfe" fragte er und lächelte entschuldigend, während ich skeptisch die Augenbrauen zusammen zog.

Bei was könnte George denn meine Hilfe gebrauchen?

"Kannst du das, wobei du Hilfe brauchst, nicht einfach nach hier bringen?" fragte ich weiterhin skeptisch, woraufhin George seufzte. "Du willst nur nicht mit rüber kommen, weil Fred da ist. Aber keine Sorge, er ist gerade nicht in unserem Zimmer. Also los jetzt, beweg deinen Hintern."

Ich biss mir auf die Unterlippe.

War es so offensichtlich, dass ich Fred nicht begegnen wollte?

"Na gut" gab ich schließlich seufzend nach, denn tatsächlich hatte die kleine Unterbrechung auch etwas gutes.
Ich wusste nicht, wie lange ich bereits mit den Mitschriften beschäftigt war, doch es musste bereits einige Zeit vergangen sein, seitdem ich mich zurückgezogen hatte.
Aus diesem Grund kam mir eine kleine Pause gerade recht. Ich stand also auf und folgte George hinaus auf den Flur. Das Zimmer von ihm und Fred befand sich etwas weiter den Gang hinauf, wie ich bereits nach meinem Toilettengang gestern vor dem Abendessen herausgefunden hatte.

Mit unwohlen Gefühlen dachte ich daran zurück, wie Fred und ich uns nur angestarrt und er mich beim Abendessen wieder ignoriert hatte. Doch bei Merlin, ich konnte ihm das alles nicht einmal übel nehmen.

Immerhin war ich selbst schuld an dem ganzen Schlamassel.

"Lady's first" sagte George grinsend und deutete mit seiner Hand auf die Holztür, hinter welcher das Zimmer von ihm und Fred lag.

Ich zögerte, öffnete dann jedoch die Tür und betrat das Zimmer.

Es sah genauso aus wie meins, nur dass alles zweimal vorhanden war.

Ich erstarrte jedoch im nächsten Moment, als mein Blick an Fred hängen blieb, der auf seinem Bett lag und mich genauso überrascht anschaute, wie ich ihn.
Obwohl mein Blick wahrscheinlich auch erschrocken war, denn George hatte mir eben noch versichert, dass sich Fred im Moment nicht in ihrem Zimmer aufhielt.

Erst dann dämmerte mir so langsam, was hier eigentlich vor sich ging.

Mein Körper wirbelte wie von selbst zu George herum, der im Türrahmen verharrt war und mich nun entschuldigend ansah.

Im nächsten Moment zog er die Tür mit einem lauten Rumps wieder hinter sich zu.

Ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich verstand, was hier gerade abgelaufen war.
Natürlich war es bereits zu spät, doch ich stürzte dennoch fluchend zur Tür, die wie erwartet abgeschlossen war.
"George Weasley! Wenn ich hier raus bin, bringe ich dich um!" rief ich wütend und hämmerte mit den Fäusten dreimal gegen die Tür, doch es tat sich natürlich nichts.
Mir wurde abwechselnd heiß und kalt und mein Puls verhielt sich so, als hätte ich gerade einen Vollsprint über mehrere Meter hingelegt.

"George wird die Tür nicht mehr so schnell öffnen" sagte Fred hinter mir, in dessen Stimme ein angespannter Unterton zu hören war.

Ich fuhr zu ihm herum und lehnte meinen Rücken dabei gegen die Zimmertür, wobei ich hoffte, dass ich wie durch Zauberhand einfach durch die Tür hindurch fallen und mich auf dem Flur wiederfinden würde.

Fred hatte sich mittlerweile von seinem Bett erhoben und stand nun mit verschränkten Armen in der Mitte des Raumes.

Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, dass ich mit Fred eingesperrt war.

Allein.

Longing Lips | Fred Weasley Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt