Kapitel 2

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Amber war alles andere als ausgeschlafen, als sie sicham nächsten Morgen auf den Weg zum Geschichtsunterricht machte. Ihre erste Schulstunde verging so langsam, dass sie anfing die Minuten runterzuzählen.

Am liebsten wäre Amber wieder nach Hause gefahren und in ihr Bett gekrochen, doch der Gedanke, dass die nächste Stunde Geschichte war munterte sie ein wenig auf.

Sie liebte schon immer Geschichte. Nichts war für sie interessanter als in andere Zeiten einzutauchen und sich vorzustellen, wie Menschen zu verschiedenen Zeiten gelebt hatten.

Da es die erste Geschichtsstunde des neuen Schuljahres war, konnte sie sich ihren Sitzplatz noch aussuchen. Als sie die Türschwelle erreichte und die ersten Schüler im Klassenraum sah, fand sich ein kleines Lächeln auf ihren Lippen wieder.

In der dritten Reihe strahlte sie ein liebes Gesicht mit blonden Locken an. Jessica zeigte flüchtig auf den freien Platz neben ihr, den Amber zufrieden annahm.

Amber hatte nicht wirklich Freunde an der Highschool. Ihre gesamte Kindheit und Jugend verbrachte sie in Turnhallen und bei Wettbewerben, dass kaum Zeit blieb sich mit Leuten aus der Schule anzufreunden. Deswegen blieb es meist bei Leuten wie Jessica, die sie total gern hatte und sie sich auch super verstanden, aber sich außerhalb der Schule nie sahen.

„Wie waren deine Ferien?", fragte Jessica mit Freude in der Stimme, als Amber sich auf den alten Plastikstuhl setzte.

„Ach, nichts Besonderes, hab viel Zeit zuhause verbracht", antwortete Amber mit gespielter Gelassenheit. Wie hätte sie bloß ihren Sommer Jessica erklären sollen? Dass für ihre Mutter gefühlt die Welt zusammengebrochen war und Amber die letzten Wochen der Ferien allein und völlig gelangweilt in ihrem Zimmer verbracht hatte?

Bevor Jessica mehr wissen wollte, versuchte Amber von sich abzulenken.

„Ich wette dein Sommer war viel spannender", versuchte es Amber, was auch gut funktionierte, denn kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, fing Jessica schon an freudestrahlend von ihren letzten Wochen zu erzählen.

„Oh Gott, ok, wo fang ich am besten an..." Mit einem Lächeln im Gesicht – dass sie scheinbar niemals ablegen würde – strich sich Jessica eine blonde Haarsträhne hinters Ohr, bevor sie mit ihrem Bericht loslegte.

Amber versuchte bei der Sache zu bleiben. Sie wollte wirklich zuhören. Doch als sie aus dem Augenwinkel beobachten konnte wie der neue Schüler den Klassenraum betrat, waren Jessicas Geschichten von ihren Sommerferien – die sie wohl ausschließlich mit ihrem Freund Logan verbracht hatte - nur noch Hintergrundgeräusche.

Ambers Blick wanderte zur Tür. Sie war froh, dass sie nicht mehr eine Autoscheibe zwischen ihr und dem Unbekannten trennte, denn so konnte sie viel besser sehen, wie attraktiv er in Wirklichkeit war. Sein einfarbiges schwarzes T-Shirt war an den Oberarmen ein wenig Eng, was Amber versuchte vergebens zu ignorieren. Seine Augen waren nicht mehr vom Stress getrübt, als sie plötzlich ihre fanden.

Ihr Herz machte einen kurzen Sprung, ehe es doppelt so schnell wie noch vor ein paar Sekunden in ihrer Brust hämmerte. Sie versuchte ihr pochendes Herz zu ignorieren, als sie mit rosa Wangen wieder zu Jessica schaute.

***

Owen wusste nicht was er an seinem zweiten Schultag erleben würde. Er hatte gerade seine erste Schulstunde überstanden, als er zu seinem Schließfach lief um sein Geschichtsbuch zu holen.

Um ihn herum waren viele Stimmen zu hören, die er nicht einsortieren konnte. Er war so ziemlich der Einzige, der alleine durch die Gänge ging und niemanden hatte, den er im Gang begrüßen konnte.

Auf seiner alten Schule kannte er das gesamte Footballteam, daher fehlte es ihm dort nie an Freunden. Auch wenn es auch nur flüchtige Freundschaften waren. Immerhin hatte er Leute.

Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in Owen breit. Er wusste, dass er hier nicht hingehörte. Keinem würde es auffallen, wenn er einfach die Schule verlassen würde.

Er atmete tief durch, schloss seine Spindtür und machte sich auf die Suche nach seinem Klassenzimmer. Die Schule war nicht riesig, aber dennoch groß genug, dass man sich verlaufen konnte.

Als er endlich die richtige Zimmernummer neben einer Tür erkennen konnte, ging er schnurstracks auf sie zu. Seine Augen suchten nach einem passenden freien Platz, als er in der dritten Reihe auf neugierige Augen traf. Owens Atem stockte kurz, bevor ein Lächeln auf seinen Lippen spielte.

Ihre braunen Augen blickten verlegen von ihm zu ihrer Sitznachbarin, ihre Wangen verfärbten sich in ein helles Rosa. Wärme machte sich in Owen breit. Zum ersten Mal fand er sich auf der neuen Schule mit einem Lächeln im Gesicht wieder.

Sein Lächeln wurde nur noch größer, als er erkannte, dass der Platz hinter dem hübschen Mädchen mit den großen braunen Augen noch frei war. Sie schenkte ihm keine Aufmerksamkeit mehr. Auch nicht, als er an ihr vorbeiging, um sich auf den Platz direkt hinter ihr zu setzten.

„Ist hier noch frei?", Owen zeigte auf den freien Platz, seine Frage auf seinen potentiellen blonden Sitznachbarn gerichtet.

„Klar!", voller Freude schob der Mitschüler seine Sachen zur Seite um Owen Platz zu machen. Owen entspannte sich angesichts der Freundlichkeit ein wenig.

„Du bist neu hier oder?", Owen war noch damit beschäftigt seine Sachen auf dem Tisch abzulegen, als er die volle Aufmerksamkeit seines Tischnachbarn auf sich spürte.

„Ähm, ja" Owen atmete kurz ein, richtete dann seinen Blick auf den blonden Schüler neben sich. „Ich bin Owen." Er blickte in nette Augen. Vielleicht würde sein zweiter Schultag ein wenig besser werden als der zuvor.

„Matthew", begann der Sitznachbar, „aber nenn mich einfach Matt, Matthew nennt mich hier eigentlich keiner."

Owen musste ein bisschen lachen. Nicht nur, weil Matt sich scheinbar riesig freute jemanden kennenzulernen, sondern auch weil Owen nicht erwartet hatte, dass er in Huntsville überhaupt von Jemandem mit Freude aufgenommen werden würde. „Alles klar Matt, merk ich mir", versicherte Owen ihm.

Matt wollte gerade noch was sagen, sein Mund war schon geöffnet, als das Klingeln der Schulglocke den Start der Unterrichtsstunde verkündete und die Lehrerin keine Sekunde verpasste um direkt mit dem Unterricht zu beginnen.

Halbherzig hörte Owen der Lehrerin zu, die - wie jeder andere Lehrer auch - zu Beginn des Schuljahres erstmal den Plan des Jahres durchging und auch wirklich jedem Letzten verklickern wollte, dass dieses Jahr kein Scherz sei und sie auch von Anfang an Disziplin erwartete.

Owen war gerade damit beschäftigt unbedeutende Muster auf sein Notizheft zu kritzeln, als die Lehrerin plötzlich seine gesamte Aufmerksamkeit hatte.

„Der erste Teil des Jahres besteht somit aus einer Gruppenarbeit, ihr arbeitet in vierer Gruppen", verkündete Mrs White. Mit schnellem Herzschlag schaute er zu seiner Lehrerin. Er war noch nie Fan von Gruppenarbeiten gewesen. Viel lieber hätte er einfach seine Aufgaben alleine erledigt.

Außerdem hatte er das Gefühl, dass wer auch immer mit ihm in einer Gruppe arbeiten musste nicht sonderlich erfreut darüber sein würde. Bevor er Matt getroffen hatte, hatte niemand mit ihm gesprochen. Im Gegenteil. Sie schauten ihn nur mit schiefen Blicken an.

Mrs White nahm eine Liste in die Hand und teilte die Schüler in vierer Gruppen ein. Owen stützte sein Kinn auf seiner Hand ab, sein Atem ging schneller. Endlich war die Lehrerin bei ihm angekommen. Anstatt Owen vor der Klasse vorzustellen, deutete sie nur auf seinen Tisch.

„Ihr zwei", den Stift, den sie in ihrer Hand hielt, zeigte von Owen auf Matt, „arbeitet mit den zwei Damen vor euch."

Hail Mary | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt