Kapitel 1

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Ben

Normalerweise mochte er Englisch Unterricht nicht. Er hatte einen guten Sprachumfang, und seine Artikulation ließ ihn oft gebildeter wirken als er es wirklich war, doch das blanke lesen und analysieren von mainstream Texten hatte ihm noch nie gefallen. George Orwell, Dickens, Huxley, er besaß Anerkennung für die Art wie ihre Wörter die Welt beeinflusst hatten doch das endlose Behandeln von Texten anderer Epochen schien ihm entbehrlich und krampfhaft nostalgisch. Vielleicht war es einer der Gründe warum Ren Wissenschaft bevorzugte. Im Mittelpunkt von Wissenschaft stand Innovation auf Basis von alten Forschungen. Doch diese wurden nicht überanalysiert, es wurde auf diesem Wissen aufgebaut. Hier schien jeder Prof die Vergangenheit zu romantisieren und für ihn hatte das Vergangene keinen weiteren Nutzen, als ihn nach vorne zu treiben. 

Doch vielleicht war er auch nur ein Heuchler und hasste schlicht die Art und Weise wie sein Amerikanischer Akzent ihn auffallen ließ und irgendwie zusätzlich von der Masse isolierte. Es war ein dramatischer Ausdruck, gerade weil nichts wirklich negatives mit ihm assoziiert wurde, höchstens die kontroverse Politik seiner Mutter und seine Herkunft hatte wohl wenig mit seiner Abgeschiedenheit zu tun, es war eher seine Wahl. Eigentlich wollte er es gar nicht anders.  So Amerikanisch war er auch nicht wirklich. Den Großteil seines Lebens hatte er bei seinem Onkel in Schottland verbracht. Eine Tatsache die seinen Hass gegen Großbritannien stützte. Gott, er hasste diesen Ort. Das Essen, die Arroganz, die Ladenpreise, die Obsession mit Tee wenn Kaffee eindeutig wirksamer war. Aber es war eine gute Schule und seine Eltern hatten viel bezahlt damit er dieses Internat hatte besuchen können. Er schämte sich im Wissen, dass seine schulischen Fähigkeiten alleine ihm nie einen Platz hier hätten sichern können. Er war nicht dumm, in seinem narzisstischen Denken würde er sich selbst teilweise sogar als hoch Intelligent betiteln, aber staatliche Bildung schien ihm zum Teil zu sinnlos als dass er mehr Zeit in sie investieren würde als notwendig. 

"Ren. Was ist die zentrale Aussage hinter der utopischen Darstellung von Huxleys Welt?" 

In der Grundschule war er nicht im Stande gewesen ein B zu schreiben und hatte stattdessen ein R geschrieben. Der Unterschied war ihm nicht ersichtlich gewesen. Als es eine Regularität geworden war, hatten die Lehrer aufgehört nachzufragen und er war von allen Ren genannt worden. Es hatte ihm seltsamerweise gefallen. Die Distanzierung von seinem Geburtsnamen und somit seinen Eltern. Das Erschaffen einer eigenen, unabhängigen Identität, die nicht an jene Erinnerungen von zuhause gebunden war. Und somit war er Ren geblieben, absichtlich. Es war etwas lächerlich aber gut. 

"Dass die Vorstellung der Zukunft euphemistisch dargestellt wird und Fortschritt nicht direkt im positiven Kontext stehen muss"

"Eine interessante Aussage im generellen, aber im Bezug auf den Roman eher unpassend"             Er ließ seinen Kopf schweifen. Ein Mädchen hatte ihren Arm halb ausgestreckt. Weniger penetrant als andere Schüler, aber trotzdem bestimmt. Er nickte. 

"Ja, Miss Niima, vielleicht können sie ihm ja aushelfen" 

Ren schnaubte leise. Das Mädchen, Miss Niima, richtete sich leicht auf

"In einer Welt in der alles zugänglich und möglich ist, hat nichts eine Bedeutung"  

Sie räusperte sich leise. "Es basiert auf dem Gedanken, dass das angestrebte Glück, dass im Glauben durch Konsum, Unbeschwertheit und Befriedigung...Sex, kein wirkliches Belangen hat und zu keiner Vollkommenheit führt"

Er starrte ihren Hinterkopf an. Ihr Haar war etwas kürzer als Schulterlänge. Ihre Schultern waren breiter, obwohl ihre Silhouette eher schmal wirkte. Sie schien angespannt. Ihr Oberteil war weiß und eng. Er konnte träger durch das etwas transparente Material erahnen. Schwarze Spitze?...        Er riss seinen Blick von ihrem Nacken

I am nothingWhere stories live. Discover now