Existenz: Raupe

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Du und ich, wir beide, egal ob wir uns nun kennen oder nicht, wir haben eine wichtige Sache gemeinsam. Wir existieren nur per Zufall. Wir sind irrelevant für diese Welt, sind entbehrlich, um nicht sagen zu müssen das wir eine regelrechte Plage für diese Welt sind, und trotzdem gibt es so viele da draußen die  sich unbegründet das Recht nehmen sich und ihre Bedürfnisse über die der Anderen zu stellen. Keiner denkt daran wie es wäre an der Stelle des Anderen zu sein. Wir Menschen sind eine Rasse die sich, nur um an etwas zu kommen das keinerlei Wert hat, gegenseitig nieder trampelt. Wir laufen über Leichen um an den neusten Fernseher zu kommen und selbst wenn wir sie nicht direkt töten, wir sind der Grund das sie sterben. Sie sterben damit wir morgens in unserem warmen Bett aufstehen können und uns ein gemütliches Frühstück  genehmigen nur um die Hälfte weg zu schmeißen. 
Wir sind eine armselige Rasse.
Und die jenigen von uns, die per Zufall  ausgelost wurden ein gutes Leben zu führen, sind die die dieses Glück mit Füßen treten. 

Wir haben einfach nur Glück gehabt, mehr nicht. Also, warum wir? Ich weiß es nicht. Wir werden geboren um uns durch zu fressen. Wir essen und essen und essen ohne Sinn und ohne daran zu denken wie es den Menschen geht, die weniger Glück gehabt haben, schmeißen wir das Meiste weg.

Und hier ist der Punkt:
Ich bin nicht besser. Ich nehme mir die Freiheit heraus all die Leute zu kritisieren und bin selber keinen Deut anders. Es widert mich an. Tag für Tag laufe ich an unzähligen Menschen vorbei und habe keine Ahnung was sie in ihrem Leben durchmachen. Tag für Tag laufe ich an unzähligen Menschen vorbei und weiß nicht ob sie heute sterben werden.
Ich lebe mein Leben, welches ich durch pures Glück bekommen habe, und habe nicht mal ein bisschen Kleingeld für die Dame um die Ecke, weil Obdachlose keine Karte annehmen. 
Ich blicke in den Spiegel und ekel mich. Es ist wie ein kaltes Messer in meinem Magen, das mich langsam umbringt.

Aber:
Ich bin mir dessen bewusst.
Ich bin mit der Gabe geboren zu verstehen, zu denken.

Ich fresse mich Tag für Tag durch mein sinnloses, von Glück geprägtes Leben und weiß nicht wofür.
Dieses Messer in meiner Magengrube schmerzt, aber es ist die Bürde des Glücklichen.

Und ich stehe hier, weit oben, abseits von allem und jedem, und beobachte das Geschehen so tief unter mir.
Es gibt nur noch wenige Menschen mit der Gabe zu verstehen und es werden immer weniger.
Die, die nicht verstehen nehmen uns den Raum. Sie  machen uns das Leben zur Hölle.
Wir, ich sterbe aus.

Was ich tue oder nicht tue ist keine Entscheidung, die ich leichtfertig treffe.
Die Welt wurde von unserer Gesellschaft geformt. Was sie für richtig oder falsch halten ist Gesetz.
Ich habe keine Ahnung, was richtig oder falsch ist und ich werde es wahrscheinlich nie wissen. Vielleicht ist dieser Text ja falsch.
Die Welt ist ein grausiger Ort, die Menschen sind grausam und was richtig oder falsch ist ist mir schleierhaft, also handele ich einfach so wie ich es in diesem Moment für richtig halte. 

Ist es richtig, schmerzerfüllt, an dieser um Hilfe bettelnden Dame vorbei zu gehen? Ich habe verdammt noch mal keine Ahnung. Ich hasse mich selber dafür. Wieso trage ich die Bürde des Verstehens? Kann mir nicht ein anderer sie  abnehmen? Ist es fair dies zu erbitten?  
Hilfe.

Meine eigentlich wichtigste Frage ist, schaffe ich es mit dieser Bürde, die gleichzeitig Segen sein kann, was zu erreichen? 
Ich bin nicht der einzige der sich das fragt und war es nie, werde es nie sein.
So viele Menschen standen vor der gleichen Frage.

Das Messer der Revolution steckt nicht nur in mir. Es steckt in jedem einzelnen, nur wurde es bisher immer von den Falschen geführt.
Ich ersehne eine Welt in der die Kluften zwischen den einzelnen Menschen verschwinden. Liebe und Frieden für jeden wäre zu viel verlangt, aber einfach mehr Menschlichkeit unter einander..
Ich will doch nur das mehr Menschen verstehen, verstehen wollen.

Es ist Zeit diese Klinge zu führen und die Fesseln des Stumpfsinnigen zu durchtrennen. Zeit zu Leben. Zeit was zu verändern.

Aber wer bin ich von großen Veränderungen zu reden, wenn ich es nicht einmal schaffe diese Klinge aus mir rauszuholen. 

Wer bin ich über sie alle zu richten und zu sagen ihre Leben seien nicht lebenswert.

Wer bin ich? Jetzt und Morgen? Wer werde ich sein? Ich weiß es nicht. Ich bin nur die Stimme in mir, die mein Leben lang darum kämpft wahrgenommen zu werden.

Ich kämpfe trotz des mir überlieferten Glückes.


SchmetterlingWhere stories live. Discover now