Und was danach?

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„Dad, wir sollten mal darüber reden, auf welche Schule ich nach den Ferien gehen werde. Ich kann ja nicht wieder auf die alte, oder?", fragte Elliot und sah seinen Vater erwartungsvoll an. Sein Vater schaute kurz gedankenverloren in die Luft, trank dann sein Glas in einem Zug aus. „Also, ich habe da schon etwas gefunden, was vielleicht etwas für dich sein könnte. Ich bin mir aber nicht sicher was du davon halten wirst." Elliot schob seinen Teller zur Seite, zog seine Augenbrauen hoch und erwiderte: „Ich dachte zwar ich gehe einfach auf eine ganz normale Schule, aber erzähl." „Naja, Dr. Warren hat mir da etwas empfohlen, ein Internat. Zirka eine Stunde entfernt und..." „Du willst mich in ein Internat schicken?! Ist es wirklich so schlimm mit mir?", unterbrach Elliot seinen Vater und schaute ihn entsetzt und leicht panisch an. „Nein, nein, es ist nicht irgendein Internat, und es ist nicht wegen mir, sondern weil es gut für dich wäre. Lass mich doch erst einmal fertig reden, okay?", antwortete dieser schnell und legte seinem Sohn die Hand auf die Schulter. „Also, dieses Internat ist für Menschen mit psychischen Problemen, nach einem Psychiatrie Aufenthalt. Mum war doch nach ihrer großen Operation in einem Kurhotel, so in der Art ist das. Du gehst dort ganz normal zur Schule, aber zusätzlich gibt es dort auch diverse Therapien und du wirst besonders unterstützt, in den Bereichen in denen man eben Unterstützung braucht.", als er seine Erzählung beendet hatte, schaute er Elliot erwartungsvoll an. „Das könnte vielleicht wirklich ganz sinnvoll sein, ich würde auf einer normalen Schule bestimmt wieder Probleme bekommen. Die Versagensängste und Panikattacken, du weißt es ja selbst am besten.", murmelte dieser und sah beschämt auf den Tisch. „Wirklich? Das überrascht mich, ich hatte mit großem Protest gerechnet. Dr. Warren hat schon mit dem Schulleiter telefoniert, der hat mir dann eine E-Mail geschrieben, willst du sie mal lesen?", fragte sein Dad und gab ihm sein Handy, ohne auf eine Antwort zu warten. Elliot begann zu lesen:

Sehr geehrter Henry Adams,

der Psychiater ihres Sohnes hat mich kontaktiert, es wäre noch ein Platz für ihn bei uns frei. Ich habe auch erfahren, dass sie mit ihrem Sohn noch nicht darüber gesprochen haben, ich würde sie bitten, das so schnell wie möglich zu machen. Es wäre gut, wenn sie mir in den nächsten Tagen zu- oder absagen könnten, die Warteliste ist lang.

Wichtige Informationen im Falle einer Zusage:

Das Semester startet am 13. September, Ankunft der Meisten ist aber der 12. Elliot würde sich mit einem anderen Jungen in seinem Alter ein Zimmer teilen, bei gröberen Problemen ist aber natürlich die Verlegung auf ein Einzelzimmer möglich. Zwei Zimmern (jeweils 2 Pers.) ist eine eigene Lehrperson zugeteilt, deshalb ist die maximale Anzahl an Schulstunden an einem Tag auch nur 4 Stunden. Die Gestaltung der Nachmittage wird den Jugendlichen meist selber überlassen, allerdings finden dort auch die Therapiestunden statt. Elliot hat an den Wochenenden die Möglichkeit nachhause zu fahren, viele der Jugendliche sind allerdings nicht jedes Wochenende bei ihren Familien.

Herzliche Grüße,

Mr. Dalton

Als Elliot fertiggelesen hatte, kratze er sich am Kopf und schwieg ein paar Sekunden. Ihm war unwohl bei dem Gedanken, wieder auf eine ganz normale High-School zu gehen, um ehrlich zu sein freute er sich auf dieses Internat. „Du kannst dem Mann zusagen, ich werde auf diese Schule gehen.", sagte Elliot, gleichzeitig entschlossen und unsicher, während er versuchte den Blicken seines Vaters auszuweichen. Sein Vater aber nahm ihn in dem Arm und murmelte: „Ich bin so stolz auf dich, mein Großer, du wirst das super hinkriegen." Normalerweise hätte Elliot genervt auf das „mein Großer" reagiert, aber jetzt stand er einfach nur da und war dankbar, seinen Vater umarmen zu können.

An diesem Abend lag er lange wach und überlegt, was sich nach den Ferien alles ändern würde. Er würde seinen Vater nicht mehr sehen, oder eben nicht so oft. Das machte ihm ein wenig Angst, sein Dad war, seit dem Tod seiner Mutter, die einzige Konstante in seinem Leben. Tatsächlich gab es aber sonst nicht viele Personen, die es wert waren, sie zu vermissen. „Freunde habe ich ja nicht wirklich.", sagte Elliot laut zu sich selber. Aber wie sollte das auch gehen, bei den ständigen Psychiatrieaufenthalten war es schwer, Freundschaften warm zu halten. Alle seine ehemaligen Freunde lebten ihr Leben, ohne ihn. Oft fragte er sich, ob sie ihn wohl manchmal vermissten, oder wenigstens mal einen klitzekleinen Gedanken an ihn verschwendeten. Was hatte der Mann in der E-Mail nochmal geschrieben? 4 Stunden Schule am Tag, zu viert? Das klang sehr angenehm. Elliot hasste es, in großen Menschenmengen zu sein. Sogar seine alte Klasse, Mit 35 Schüler*innen, zählte für ihn schon als „zu große Menschenmenge". „Hoffentlich verstehe ich mich mit dem Typen in meinem Zimmer.", dachte er, es wäre schön, ein paar echte Freunde zu finden. „Das wird schon, ich freunde mich bestimmt mit ihm an und mit ganz vielen anderen auch. Und alles wird gut laufen, ich schaffe das, es ist das Beste für mich und Dad", Elliot versuchte, sich selber Mut zu machen. Es brachte nichts, Angst zu haben, er musste einfach alles auf sich zukommen lassen. Alles auf sich zukommen zu lassen gehörte dummerweise nicht gerade zu seinen größten Stärken, er fühlte sich in solchen Situationen immer, als würde er die Kontrolle verlieren. Die Kontrolle über sein Leben, über seine Gedanken, einfach über alles was passierte.

Beste Freunde?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt