Sieglinde
Unter eines Baums, ein' Linde,
vor Zeiten saß ein schönes Kinde.
Mit einem Namensklang wie rauschend Winde,
den heut noch jeder kennt: Sieglinde.
So saß sie da, tagein, tagaus.
Lauschte des Windes still Applaus.
Schnitt ein Herz in alte Rinde:
„Ach, dass ich die Lieb' doch finde!"
Und dann, vor ungezählten Jahr',
ein' lang Entschluss sie machte wahr.
Und missbrauchte ihren alt Freund, den Baum,
sich zu erfüllen ihren sehnlichst Traum.
So dann an dies Geäst, der Linde
fand man ein selig baumelnd Kinde.
Flüstert's noch heut im rauschend Winde:
„Einst hier sie saß, mein lieb Sieglinde."
© 2021 Johannis Röhrs