0 - Prolog

50 9 0
                                    

Dunkle Wolken verdecken die drei Monde Arlemias. Es herrscht eine drückende Ruhe über der Stadt, die Art von Ruhe, die einem Sturm voran geht und jedem Lebewesen verrät, dass ein Gewitter aufzieht.

Als Mitternacht kommt und geht und die ersten Tropfen die hellen Steine der Hauptstadt nässen, läuft der Junge durch die Gänge des Palastes zu den Gemächern des Mädchens.

Das Mädchen ist nicht allein. Ihr Vater ist bei ihr, verabschiedet sich gerade, als der Junge eintritt. Sie brauchen keine Worte. Das Gewitter draußen sorgt für die Stimmung, die es braucht, um eine Legende zu erzählen.

Der Vater setzt sich neben das Bett, die Kinder drängen sich unter die Decke. Mit großen Augen sehen sie zu ihm und er beginnt zu erzählen.

,,Die Legende der Meriala ist eine der geheimnisvollsten. Keiner weiß, wie viel davon wahr ist. Doch wenn es sie gab, lebten sie weit in der Vergangenheit. Noch vor der ersten Königin, vor den ersten Kriegen im Land.''

Der Junge kennt die Geschichte, hat sie viele Male schon erzählt bekommen, und doch lauscht er gebannt, als hätte er sie noch nie gehört.

,,Die Meriala waren weise. Die weisesten unter den Inaari, doch gleichwohl auch die mächtigsten. Sie wurden geboren als gewöhnliche Kinder, doch auch im frühen Alter waren sie reif, intelligent und stolz."

Das Mädchen sieht verträumt aus dem Fenster, doch auch sie lauscht jedem Wort. Jetzt sieht sie zu ihrem Vater. ,,Ich bin auch stolz, ich zu sein.''

,,Und du bist auch sehr intelligent'', erwidert der Vater und lächelt sein liebevollstes Lächeln, das, bei dem die Augen mitstrahlen. ,,Die Meriala waren temperamentvoll, aber ebenso weise und einfühlsam. Sie waren Vertraute der Tierwelt und der Energiepunkt der Natur. Sie hielten das Gleichgewicht aufrecht.''

Der Junge rutscht weiter unter die Decke. Jetzt kommt der spannendste Teil und er weiß es.

,,Sie brachten viel Gutes über das Land. Doch mit der Macht kam auch Gefahr. Es heißt, sie konnten andere Inaari kontrollieren und beeinflussen. Eine mächtige Meriala, Edira, machte sich dies zunutze. Sie stellte ein Heer zusammen und griff an. Gier hatte sie blind für das Leiden des Volks gemacht. Sie wollte herrschen. Unter ihrer Hand starben alle anderen Meriala. Die einzigen Waffen, die Edira noch etwas anhaben konnten, die aus Alsad, wurden vernichtet. Keine gewöhnliche Inaari konnte sie mehr besiegen.''

Draußen vor den Fenstern kracht der Donner und übertönt beinahe seine nächsten Worte. Regen trommelt gegen die Fenster. Ein Blitz bringt die Tropfen für einen Herzschlag zum Glitzern.

,,Doch so kam Yolia. Sie hatte eine einzige, letzte Waffe aus Alsad. Ihr Leben stand auf dem Spiel, doch sie setzte alles daran, die Herrscherin zu stürzen. Nachdem sie Edira tötete, wäre sie ebenfalls eine Meriala geworden, doch sie stieß sich das Schwert selbst ins Herz und beendete damit das Zeitalter der Meriala.''

,,Und begann das der Könginnen'', flüstert das Mädchen, die Stimme von Ehrfurcht erfüllt.

Der Vater nickt bestätigend. ,,Das Zeitalter der Königinnen, in dem wir bis vor der Zeit des Schattens gelebt haben. Jetzt ab ins Bett mit euch beiden.''

Sie wissen, dass er keine weitere Geschichte erzählen wird. Während der Vater in seine Gemächer zurückkehrt, kuscheln sich die Geschwister gemeinsam unter die Decke.

Der Junge würde innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte im Kampf getötet werden.

Das Mädchen würde im gleichen Zeitraum den Thron der Inaari'i besteigen und wenige Jahre später ihr Volk in einen grausamen Krieg führen.

Ma'kani - Königin der Inaari'iWo Geschichten leben. Entdecke jetzt