Leinenchaos

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Erzähler

Normalität. Das herrschte in den beiden Leben von Viktor und Clemens. Beide studierten und hatten einen kleinen Nebenjob. Clemens war erst vor ein paar Monaten in die Stadt gezogen, weshalb er sich noch nicht so ganz auskannte und somit bis jetzt nur eine Gassi-Runde für seinen Golden Retriver, Hailey, ausfindig machen konnte. Sie ging durch einen Park und sah von oben aus wie ein Ei. Eben diese Runde lief Viktor täglich mit seinem Akita Inu, Charles, genau in die andere Richtung. Beim aller ersten Treffen hatten sich die beiden Hunde beschnüffelt und die Besitzer sich kurz unterhalten. Danach gingen sie körperlich ihrer Wege, allerdings hingen sie in Gedanken noch beim jeweils anderen. Geredet hatten sie seitdem nicht mehr, nur sich angelächelt. Die beiden Hunde bellten sich immer freudig an, allerdings liefen sie trotzdem stur aneinander vorbei. Was ihre Besitzer nicht wussten, dadurch dass sie keine Hundesprache sprachen, war, dass die beiden Tiere einen Plan mit jedem Bellen weiterentwickelten. Hunde bemerkten nun einmal mehr als Freunde, Familie oder manchmal sogar einer selbst. Dadurch dass sie sich jeden Tag maximal zwei Mal für weniger als eine Minute sahen, dauerte diese Entwicklung nun einmal seine Zeit.

Ein paar Monate später hatten es die beiden Hunde geschafft. Hailey wollte den Plan sofort umsetzen, allerdings erfuhr sie am selben Nachmittag, dass sie und Clemens am Tag darauf zurück zu seinen Eltern fahren würden, da dessen Vater Geburtstag hatte. Daraufhin meinte Charles bei der Abendrunde, dass sie warten sollten ehe der Plan in die Tat umgesetzt werden würde. Die beiden darauffolgenden Wochen machte sich Viktor Vorwürfe, dass er Clemens nicht mehr angesprochen hatte und dieser jetzt anscheinend weggezogen war. Immerhin trafen sie sich auf ihren Gassi-Runden nicht mehr. Nach diesen beiden Wochen sah Viktor Clemens bei der Abendgassi-Runde wieder und lächelte. Sein Gegenüber lächelte zurück und senkte seinen Blick, damit man seine rotwerdenden Wangen nicht sah. Viktor wollte eigentlich etwas sagen, entschied sich im letzten Moment allerdings dagegen und lief weiter. Charles merkte das natürlich und bellte einmal kurz, um Hailey Bescheid zu geben, dass sie den Plan am nächsten Tag durchziehen würden. Dadurch dass der nächste Tag ein Sonntag war und Clemens in seinem Nebenjob auch an diesem Tag bis 14 Uhr arbeiten musste, während Viktor ausschlafen konnte, trafen sich die beiden bei der Morgenrunde nicht. Erst gegen 17 Uhr liefen die beiden wieder den altbekannten Weg zur selben Zeit, wie es die Normalität vorsah. Als Hailey und Charles sich von weiten sahen bellten sie einmal aufgeregt. Viktor hatte sich dazu entschieden die Nachmittagsrunde ausnahmsweise einmal zu joggen, weshalb er Charles Leine um seine Taille geknotet hatte. Clemens ging wie gewohnt den Weg gemütlich entlang. In seinem zu großen Pulli von seinem großen Bruder eingekuschelt, dachte er ein wenig über die täglichen Prozederen mit Viktor nach. Er wollte den Größeren endlich mal ansprechen und ihn um ein Date bitten, allerdings traute er sich nicht. Dafür hatte er sich die letzten beiden Wochen sehr viel von seinen Geschwistern anhören müssen. Hailey hatte dem ganzen immer nur innerlich grinsend zugehört. Nun war es so weit. Clemens und Viktor wollten wie immer aneinander vorbei gehen, allerdings hatten Charles und Hailey etwas anderes vor. Die beiden Hunde erhöhten plötzlich ihr Tempo und rannten um die Beine ihrer beiden Herrchen. Diese waren zu perplex um es sofort zu realisieren. Hailey und Charles schafften es geschickt die beiden Leinen so zu verheddern, das die Beine von Clemens und Viktor so nahm an einander waren, dass Viktor einen Arm an Clemens Hüfte und eine Hand an dessen Rücken legen musste, damit sie beide nicht umfielen. Um sich selbst zu festigen krallte sich Clemens in die Sportjacke von Viktor, während er mit der anderen Hand immer noch die Leine von Hailey festhielt. Bei Beiden schimmerte ein Rotton auf den Wangen, während sie sich voller Unglauben in die Augen schauten. „Hey.", grinste Viktor, als er sich gefasst hatte. „H-hi.", antwortete Clemens unsicher. „Was meinst du haben unsere Hunde da fabriziert?", fragte Viktor und grinste breiter bei der Unsicherheit von seinem Gegenüber, welchen er ein wenig näher zog. „Ein Leinenchaos?", schlug Clemens flüsternd vor. Er war zu sehr damit beschäftigt seinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen. Auch wenn er Viktor nicht wirklich kannte hatte er sich doch irgendwie in ihn verknallt. „Leinenchaos.", griff dieser das gesagte auf, „Ja das trifft es sehr gut." Hailey und Charles begannen zu bellen und zogen die Leinen etwas enger, sodass sich Clemens und Viktor noch näher kamen. „Unserer Hunde wollen glaube ich, dass wir uns mal treffen.", grinste Viktor wieder. „Das können wir doch mal machen, oder nicht?", fragte Clemens leise und schüchtern. „Aber gerne doch. Willst du gleich mit zu mir kommen?", fragte Viktor mit leicht erhöhtem Herzschlag. „Wenn wir es schaffen uns zu befreien gerne.", grinste dieses Mal Clemens. Viktor fing an zu lachen und antwortete: „Stimmt ja, da war ja was." Gute 10 Minuten brauchten die Beiden, ehe sie sich aus dem Leinenchaos, wie Clemens es getauft hatte, befreien konnten und zusammen sich auf den Weg zu Viktor machten.

Anderthalb Monate später folgte dann ein nächstes Leinenchaos, da es Hailey und Charles zu langsam ging. Sie wickelten ihre Leinen wieder um die Beine von Viktor und Clemens mit dem kleinen Unterschied, dass die Beiden sich dieses Mal nicht halten konnten und zu Boden fielen. Dadurch dass die Hunde dies geplant hatten, führten sie den Plan auch erst aus, als sie sicher sein konnten das ihre Herrchen sich nicht verletzten beim Fall. Clemens lag unter Viktor und mit einigem unverständlichen Gerede von Beiden kam es dann auch zum ersten Kuss. Er blieb nicht der letzte, aber der vorsichtigste und zögerlichste.

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