1

5 0 0
                                    

Nach dem Dunkeln kam das Licht. Nach der Trauer kam Freude. Doch, wenn die Dunkelheit einem das Licht nahm, dann gab es kein Licht, welches danach kommen konnte. Es war ein tiefes Loch, in das man fiel und die Bedrohung lag schwer auf einen...

Meine Mom war Optimistin. Für sie kam nach der Dunkelheit das Licht. Für sie kam nach der Trauer die Freude zurück und diese fand sie in Henry. Als wir mit unseren ganzen Kartons in das große fremde Haus traten, war ich nicht begeistert. Es kam mir alles so kühl und fremd vor. Ich hasste die Haustür, die weißen Wände und der fremde Mann, welcher uns begrüßte. Ich hasste es, dass es nicht mein Dad war und ich hasste es, dass er es nie wieder sein würde. Mein neues Zimmer hasste ich genauso, obwohl meine alten Möbel darin standen.

Der Umzug war nun eine Woche vorbei und trotzdem rannte meine Mom durch das Haus und hatte jedes Mal einen Karton in der Hand. Sie war nicht wirklich organisiert und wohl der größte Tollpatsch auf diesem Planeten. Dennoch hatte sich mein Dad damals in sie verliebt und ich war bis jetzt heil geblieben. Als ich die Treppe runtergeschlendert kam und meinen Rucksack schulterte, blieb ich erschrocken stehen. Ein Mädchen von meiner Schule stand unten an der Haustür und winkte mir schüchtern zu. "Mom?", rief ich überfordert und wollte schnell eine Erklärung. Nach einer Woche war ich immer noch eine Alleingängerin, aber ich änderte auch nicht viel. Ich war still und ging nur in die Schule, weil ich es musste. "Nina!", rief meine Mom zurück und kam strahlend in den Flur des Hauses. "Das ist Helen, unsere Nachbarin. Sie nimmt dich heute mit in die Schule." Mom hatte gemerkt, dass ich keinen Anschluss fand und nun war sie meine Verkupplerin. Sie war wohl zu der Familie Hutcherson gegangen und hatte diese angefleht, dass mich Helen mitnahm. "Alles klar.", murmelte ich leicht genervt und kam langsam die Treppe runter. "Ich werde immer von Katy abgeholt und dann fahren wir gemeinsam zur Schule.", grinste Helen und ich sah sie mir genauer an. Sie hatte nicht wie ich hellbraunes Haar, sondern hellblondes. Ihre Augen waren nicht braun, sondern blau, aber ihre Haut war so hell wie meine. Erschreckend fand ich ihre Größe. Helen war wahrscheinlich zwanzig Zentimeter größer als ich und ihre Kleidung war schick. Schönes rotes Kleid, mit Boots und Lederjacke. Ich hatte dagegen eine Jeans an und eine weiße Bluse. Ich fühlte mich neben Helen langweilig... "Dann solltet ihr mal los.", brach meine Mutter die Stille und brachte mich zur Tür. Gemeinsam verließ ich mit Helen das Haus und fühlte mich unwohl. "Also, ich bin Helen", stellte sich das Mädchen vor und gab mir ihre Hand. Diese nahm ich zögernd entgegen. "und ich habe mich oft gefragt, wieso wir nie geredet haben." Helen tat so, als würde ich schon mein ganzes Leben in dieser Straße leben. Aber ich wohnte hier erst eine Woche... "Ich bin Nina.", stellte ich mich dann vor und ein leichtes Lächeln huschte mir über das Gesicht. Mein erster Eindruck war wohlmöglich falsch... "Katy kommt gleich und dann würden wir kurz zum Supermarkt." Stumm nickte ich. Als Helen dies sagte, kam auch schon ein gelber Jeep hergefahren und hupte. Helen lief zu dem Auto und ein dunkelhaariges Mädchen kurbelte das Fenster runter. "Bewegt euch, na los!", rief sie aus dem Fenster und trank danach einen kräftigen Schluck von ihrer Cola. Wir stiegen in den Jeep ein und Katy drehte sich gleich zu mir um. "Du bist dann wohl Nina.", grinste sie. Katy hatte hohen Pferdeschwanz und war komplett schwarz gekleidet. An ihren Ohren fand ich viele Ohrringe, Piercings und hinter dem Ohr, steckte eine Zigarette. "Willkommen bei uns. Wir sind deine neuen Freunde." Verwirrt runzelte ich meine Stirn. "Freunde? Geht das bei euch so schnell?", hakte ich nach und Katy fuhr los. "Süße", schüttelte Katy ihren Kopf. Dann blickte sie mich über den Rückspiegel, welcher einen Riss besaß, an. "Du hast doch keine andere Wahl."

Die Schule nun nicht komplett allein zu betreten, war ein komisches Gefühl. Katy und Helen waren bekannt wie ein bunter Hund. Sie redeten viel und lachten und Katy wurde von vielen Lehrern wegen ihrer Zigarette ermahnt. "Das ist doch nur zur Abgewöhnung.", meinte Katy grinsend. "Ich packe die hinter mein Ohr und dann sehe ich es nicht mehr." Umso mehr die Mädchen quatschten, umso besser konnte ich sie einschätzen. Katy war die Rebellin und zeigte dies deutlich und Helen war eine Scheinheilige. Von außen sah sie aus wie ein Engel, doch auch sie war verrückt und nicht das brave Mädchen. "Heute Abend gehen wir ins Diner.", wechselte Helen das Thema und Katy wackelte mit ihren Augenbrauen. Als wir den Naturwissenschaftenraum betraten, merkte ich erst, dass Helen, Katy und ich viele Kurse zusammen hatten. "Wieso?", fragte ich und es war fremd meine Stimme zu hören, da ich eher still war. "Wir treffen uns jeden Montag dort. Außerdem kommt Sam Miller.", schwärmte Katy und Helen rollte mit ihren Augen. Wir setzten uns in eine Reihe und ich hörte gespannt zu. "Katy will Sam schon eine Weile in ihrem Bett haben.", wackelte Helen mit ihren Augenbrauen und fügte hinzu: "Ich hätte aber auch nichts dagegen." Stumm musterte ich die beiden und fragte mich, wann ich mal einen Schwarm hatte... "Wer ist dieser Sam Miller?", fragte ich neugierig und wollte wissen, auf welchen Typ die beiden standen. "Ein frecher Typ, welcher sitzen geblieben ist und unser privater Fotograf ist. Er fotografiert gerne und braucht öfter mal ein paar Objekte.", lächelte Helen und holte dann ihr Handy heraus. Sie zeigte mir ein Bild von diesem Sam. Er schien sehr groß zu sein. Dunkles Haar, welches unordentlich aussah und er trug keine besondere Kleidung. Jeans und schwarzes T-Shirt. Sam Miller war ein gewöhnlicher Junge. Er sah gut aus, aber ich hätte ihn wahrscheinlich nicht beachtet, wenn Helen mir kein Bild gezeigt hätte. "Gewöhnlich.", zuckte ich mit meinen Schultern und Helen sah mich empört an. "Also, wenn wir befreundet sein sollen, dann musst du auf Sam Miller stehen." Augenrollend öffnete ich meinen Rucksack. Ich musste gar nichts. Eigentlich wollte ich nicht mal Freundinnen, aber Helen und Katy machten mir es schwer. Grinsend holte ich meinen Block heraus und als ich aufschaute, zuckte ich leicht zusammen. Helen war meinem Gesicht ganz nah und machte große Augen. "Ist vielleicht besser, wenn du nicht auf ihn stehst." Sie zuckte mit ihren Schultern. "Das hatte ich auch nicht vor.", antwortete ich gedehnt und Katy mischte sich nun wieder ein. "Er sieht keine mit dem Arsch an und deshalb möchte ich ihn so sehr." Umso mehr die beiden redeten, umso mehr mochte ich diesen Sam Miller nicht, obwohl ich ihn noch nicht mal gesehen hatte.


ParallelweltWhere stories live. Discover now