Entkommen

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Prolog: Entkommen

[Tag 236]

Sie waren direkt hinter uns. Nur noch wenige Meter bis zum Ausgang. Es hätte genauso gut ein ganzer Kilometer sein können. So kam es mir zumindest vor. Ein gekipptes Regal, das schräg den Gang versperrte, war die letzte Hürde, die zwischen uns und dem Weg nach draußen lag. Im vollen Sprint ließ ich mich fallen und rutschte darunter hindurch. Dann richtete ich mich wieder auf, rannte weiter. Ich konnte mich nicht nach Leon umsehen, nur ein Zögern, nur ein Straucheln und ich wäre fällig. Sie würden uns überrennen, noch bevor einer von uns beiden den ersten umgeschossen hätte. Diese Mistkerle waren schon ganz nah. Ihre Schritte klangen, als wären sie uns direkt auf den Fersen.

Ich hielt meinen Blick auf die Tür vor mir fixiert. Nur noch ein Meter. Als ich den Ausgang erreichte, fing ich mich mit den Armen am Glas der automatischen Schiebetür ab. Ohne Strom musste ich allerdings nachhelfen. Und das in Sekundenschnelle. Ich stemmte mein Brecheisen in den Spalt der Tür. Sie war einfach aufzudrücken und in einem Zug schaffte ich es, sie ein ganzes Stück weit zu öffnen. Leon hatte mich bereits erreicht. Ich ließ ihn vor mir nach draußen, dann wollte ich ihm folgen. Doch im selben Moment holten uns auch schon unsere Verfolger ein. Mit einem Fuß stand ich schon im Freien, da packte mich eine verkrampfte Hand an der Jacke. Leon bemerkte es und wollte mir helfen. Doch reflexartig riss ich mich los und entkam dem Griff.

Ich stolperte nach draußen auf den Parkplatz, fing mich wieder und deutete Leon, weiter zum Wagen zu rennen. Er zögerte nicht. Zur selben Zeit streckten sich mehrere Hände durch die Öffnung in der Tür hinter mir, doch schlugen aggressiv ins Leere. Sie versuchten, uns weiter zu verfolgen. Ihr Pech, dass nicht alle auf einmal hindurchpassten. Sie blieben hängen. Für den Moment. Ihre Körper drückten sich gegen die verdreckte Glasscheibe der Tür und hämmerten dagegen. Die Hände streckten sich weiterhin nach mir aus, versuchten mich zu packen. Aber ich ging auf Abstand. Von einigen konnte ich die Gesichter sehen. Sie starrten mir mit leeren Augen entgegen. Die Mäuler aufgerissen, die schwärzlichen Zähne entblößend stießen sie erstickte, kehlige Laute aus. Ich riss meinen Blick los. Uns blieb nicht viel Zeit, mit der Wucht von acht Körpern würden sie die Tür früher oder später noch aufbekommen. Oder die Scheibe zertrümmern. Bis dahin wären wir schon lange weg.

Ich spuckte nach den Armen, die sich nach mir ausstreckten und folgte Leon ohne zu zögern. Gerne hätte ich meine Knarre gezogen und sie alle abgeknallt. Umso weniger es von denen gab desto besser. Leider stand meinem Vorhaben die Tatsache im Weg, dass ich damit noch mehr aufschrecken würde. Und wir nun mal nicht unendlich Munition besaßen.

Während ich über den Parkplatz, weg vom Supermarkt rannte, hörte ich, wie es hinter mir der Erste durch die Tür schaffte. Schritte, die sich näherten. Schnelle Schritte. Leon erreichte vor mir den Jeep, riss die Tür auf und sprang auf den Fahrersitz. Ich schwang mich im vollen Tempo über die Motorhaube und stieg auf der Beifahrerseite ein. Leon hatte die Zündung bereits betätigt. Er drückte das Gas durch, bevor ich überhaupt die Tür vom Jeep schließen konnte und fuhr mit quietschenden Reifen los. Sie fiel mit einem Knallen ins Schloss. Ich sah mich um. Haufenweise Staub und trockene Erde wurde vom Asphalt aufgewirbelt. Der erste Seek hatte uns um knapp zwei Meter nicht mehr erreicht. Hinter ihm folgte bereits der Rest, doch sie würden uns nicht einholen. Leon bretterte quer über den Parkplatz, an anderen Autos vorbei, zur Ausfahrt auf die Landstraße. Erleichtert ließ ich mich in den Sitz sinken. „Fuck.", keuchte ich, während ich nach Luft rang. Und gleich ein zweites Mal, weil ich mich dadurch besser fühlte. Mein Puls raste. Durch das viele Adrenalin war mir nicht aufgefallen, wie kaputt ich eigentlich war. „Das war knapp." Ich nahm meinen viel zu leeren Rucksack ab und warf ihn auf den Rücksitz. Leon sagte nichts. Auch er versuchte wieder zu Atem zu kommen. "Scheiße, beinahe hätten sie uns bekommen." Ich musste lachen. Wobei es vielmehr ein Husten war. Aber nicht, weil mir ein morgentlicher Adrenalinkick so viel Spaß bereitete. Wohl eher aus Erleichterung, dass noch alles an mir dran war. Ich schob die Ärmel meiner Militärjacke zurück, keine Bisse, keine Kratzer. Trotz der verfluchten Hitze zogen wir uns für Besorgungstouren immer lange "bissfeste" Kleidung an. Doch auch das brachte einem nicht viel, wenn es hart auf hart kam. Und gerade eben waren wir kurz davor gewesen.

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