House of Memory

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Es war zu Ende, vorbei. Es ist nichts mehr als eine Erinnerung, ein Geschehnis der Vergangenheit. Kann man es als Vergangenheit bezeichnen, wenn es erst vor wenigen Stunden geschehen ist? Und kann man es einfach so abhandeln, als einfachen Akt der Vergangenheit, wenn die gesamte magische Zauberer Gemeinde Englands in einen tödlichen Krieg verwickelt wurde? Es wird immer gesagt, dass die Zeit alle Wunden heilen kann, doch ist das nicht nur eine Farce, ein dummer Spruch, den irgendjemand mal gesagt hat und andere sich ihn angeeignet haben in der dummen Hoffnung, dass es wahr wird? 

Wie sollte ich, wie sollten die Menschen, die bis vor wenigen Stunden noch um Leben und Tod gekämpft haben plötzlich alles vergessen, weitermachen, als wäre nie was gewesen? Wie sollen diese tiefen Wunden jemals heilen, wenn sie doch immer wieder aufreißen? Und warum habe ich das Gefühl, fast alleine diese Gedanken zu haben? Unsere Welt liegt in Schutt und Asche, die Toten sind noch nicht einmal unter der Erde und die Menschen, sie feiern den Sieg. Habe nur ich diese düsteren Gedanken, oder kommen die anderen einfach besser damit zurecht? Was ist das bloß? In meinem Kopf geht es drunter und drüber, alles ist wirr und durcheinander. Es herrscht reine Dunkelheit und leere in meinem Herzen. Ich habe alles verloren, dieser Krieg hat mir alles genommen und jetzt soll ich einfach so weitermachen? 

Zitternd und nur stoßweise geht mein Atem, lässt meinen Körper beben. Alles schmerzt, mein Körper ist von oben bis unter malträtiert, sogar das verdammte Atmen, wenn es denn mal richtig funktionieren würde schmerzt. Jeder Muskel und jeder Knochen macht sich unangenehm bemerkbar. Vor wenigen Stunden musste ich noch unter Strom stehen, doch meine letzten Kräfte sind endgültig aufgebraucht. Mein letzter Wille standhaft zu sein ist aufgebraucht und hat nur eine leere und düstere Hülle zurückgelassen. Ja leer, genau so fühle ich mich. Dieser verdammte Krieg hat mir alles genommen, meine Familie, meine Kindheit, meine Freunde und meine Liebe...meine einzige Liebe. Und jetzt, jetzt feiern die Menschen, erfreuen sich an dem Sieg und ich bin alleine, alleine in einem Haus voller Erinnerungen, einem Haus voller guter, als auch schlechter Erinnerungen. Das ehemalige Hauptquartier des Orden des Phönix. Ich konnte die Freude nicht mehr ertragen, wie die Menschen sich gegenseitig in die Arme gefallen sind, gefeiert haben und mich als Helden verehrt haben, sie mir irgendwelche Glückwünsche zugerufen haben. Um sie herum war das reine Chaos, eine Landschaft aus Verwüstung und Tod und sie haben gefeiert. Ich bin einfach verschwunden, konnte es nicht mehr ertragen. Und jetzt stehe ich hier, habe mich seit einer Stunde nicht vom Fleck bewegt, kann mich auch kaum noch bewegen. Es tut einfach alles zu sehr weh. Meine Welt ist endgültig zerbrochen. 

Immer wenn ich meine Augen schließe, sehe ich wieder und wieder die Bilder meiner sterbenden Freunde, meiner sterbenden Familie. Ich sehe Voldemort, wie er sich an meinem Leid ergötzt. Doch das schlimmste, ich sehe ihn...ich sehe ihn wie das Lebenslicht seine Augen verlässt, wie er mich mit seinem letzten Atemzug wegschickt, wie er mich verlässt und in dieser grausamen Welt alleine lässt. Wie seine Hand schlaff wird und aus meiner rutscht und neben diesen endgültigen Bildern, sehe ich Szenen von vor ein paar Stunden, wie die gleichen wunderschönen Augen mir versprechen, dass alles gut wird und wir uns später wiedersehen, dass wir dann endlich zusammen weglaufen und dieser Welt entfliehen, dass wir endlich gemeinsam ein Leben aufbauen und immer für einander da sein werden. Doch das war eine grausame Lüge, ein grausames Versprechen, denn jetzt ist er tot. Endgültig verschwunden. Der Ort, an dem mal mein Herz war, ist nur noch ein verkrüppeltes Etwas, was mir bei jedem Atemzug, bei jeder Erinnerung schmerzt. 

Zitternd und am Ende mit meiner Energie, sinke ich langsam auf den staubigen Boden, lasse mich einfach hinunterziehen und starre vor mich hin. Sofort beginnt eine Sinn Flut mich zu überwältigen, Erinnerungen überschwemmen mich. Wie ich hier in diesem verdammten Haus war, was ich nicht einmal leiden kann und hier dennoch die schönste Zeit meines Lebens verbracht habe, die nun so schmerzhaft über mich hinwegzieht. Die Einsamkeit umhüllt mich und bringt mich fast um. Die Erinnerungen bringen mich fast um. Warum musste er sterben und ich leben? Das ist nicht fair. Wieso will der Tod mich nicht? Immer wieder hat er mich gerettet und jetzt ist er einfach weg, fort aus meinem Leben und ich bin hier. Hier an dem Ort, an dem unsere Liebe begann. An dem Ort, an den er mich gebracht hat, als ich Niemanden mehr hatte, als er mich von meinen Verwandten gerettet hat, sein Leben riskiert hat, ein großer Feind von Voldemort wurde, nur um für mich da zu sein. Ja, ohne ihn wäre ich schon lange tot gewesen. Doch er hat mich gerettet, in jeder Weise, wie man jemanden nur retten kann. Er hat mir beigebracht, was wahres Vertrauen heißt, was es bedeutet zu leben und zu lieben. Und jetzt wurde mir das alles weggenommen. Er hat es nicht verdient nur wegen mir tot zu sein. 

,,Ich brauche dich Sev." flüstre ich gebrochen und lasse der Tränenflut ihren Lauf. Wie soll es nur weitergehen? Es kann ohne ihn nicht weitergehen. Er gab mir Sicherheit, er gab mir alles, er war mein Ein und Alles. ,,Ich liebe dich." 

,,Ich liebe dich auch." ertönt eine kratzige Stimme, die einerseits völlig fremd und gleichzeitig sehr vertraut klingt. Wie die Stimme von meinem Severus. Doch das kann nicht mehr sein, er ist fort und hat mich zurückgelassen. Das ist nur ein Wunschdenken, dass ich seine Stimme höre. Doch was sind das dann für Schritte, die auf mich zukommen. Wessen Schuhe treten in mein Sichtfeld, wessen schwarzer Umhang sollte sonst vor meinem Gesicht herumflackern, wenn nicht seiner. Aber das ist unmöglich! Ich kann nicht einmal die Kraft aufbringen, aufzuschauen, denn wenn ich meinen Blick hebe, wird der Raum vor mir leer sein, ich bin wieder alleine und falle tiefer als jetzt. ,,Ich bin es wirklich." flüstert seine Stimme wieder, doch er kann es nicht sein, ich habe ihn sterben sehen, all meine Versuche ihm zu helfen, hat er abgeblockt. Langsam sinkt die Person vor mir auf die Knie und kniet nun direkt vor mir, doch ich kann den Blick einfach nicht heben.

 ,,Bitte schau mich an, Harry, bitte." und als mein innerer Kampf nicht schon schlimm genug wäre, erscheint eine Hand vor mir, legt sich sanft unter mein Kinn und hebt eben dieses an. Zitternd bewegt sich mein Kopf nach oben, unbewusst halte ich meinen Atem an und erblicke meine geliebten Augen. Schwarze Obsidiane schauen mir besorgt und ängstlich entgegen. Ein Moment vollkommener Stille kehrt zwischen uns ein, Stille in der wir uns nur anschauen. ,,Du bist es wirklich?" flüstre ich so verdammt leise, dass ich schon Angst habe, dass er mich nicht gehört hat. ,,Ja." ist die schlichte, aber ebenfalls emotionale Antwort. Stoßweise entlasse ich meinen Atem. ,,Wie ist das möglich? Ich habe dich sterben gesehen, du warst ...tot" ,,Ich bin ein ziemlich guter Tränkemeister und Zauberer, ich war ausgeknockt, aber denkst du wirklich, dass ich dich Nervensäge alleine in dieser verrückten Welt lasse? Das ich mein Versprechen breche?" ,,Du Idiot!" antworte ich nur und lasse mich in seine starken Arme fallen. 

Minuten vergehen, in denen wir uns nur an den Körper des anderen drücken und den Moment genießen. ,,Du bist verletzt, wir müssen deine Verletzungen versorgen. Lass mich raten, du Brausekopf bist einfach gegangen, ohne dir helfen zu lassen." ,,Du warst nicht mehr bei mir." ist meine einzige Antwort. ,,Dann lass uns dich wieder herstellen." ,,Und danach?" ,,Danach suchen wir uns einen Ort, den nur wie kennen, einen Ort, an dem nur wir sind, an den wir reden und unser Leben leben werden, gemeinsam." 

Sanft drücke ich mich von seiner Brust um ihn in seine funkelnden Augen zu schauen. 

,,Ich liebe dich." ,,Ich liebe dich auch." 

,,Ich brauche dich!" ,,Und ich brauche dich!" langsam und sanft nähern sich unsere Lippen und versiegeln sich zu einem zarten Kuss. Ja, jetzt wird alles wieder gut. Meine Liebe ist bei mir und somit auch mein Leben. Und wieder kommt eine schöne Erinnerung in diesem Haus dazu. Das Haus, in dem diese Geschichte begonnen hat und hoffentlich nicht so schnell enden wird. Jetzt wird unser gemeinsames Leben beginnen. 


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