1. Aurélie Deveraux

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Aurélie:

Müde öffnete ich meine Augen und blickte mich angestrengt um.
Meine quälenden Kopfschmerzen verrieten mir sofort, dass es gestern wohl doch etwas zu viel geworden war.
Langsam wanderte mein Blick an meinem nackten Körper herunter und dann nach rechts auf den unbekannten Jungen, welcher ebenfalls vollständig entkleidet war, jedoch noch schlief.
Mit zusammengekniffenen Augen wandte ich an ihm einen meiner selbst entwickelten Zauber an. Ein Vergessenszauber.
Ich wusste gut mit meiner Gabe der Magie umzugehen und nutzte sie somit dafür, dass meine Familie und auch niemand anderes jemals erfahren wird, mit wem ich meine Nächte verbrachte.
Der Ruf meiner Familie durfte unter keinen Umständen mit sowas beschmutzt werden, jedoch hielt mich das nicht davon ab, mich regelmäßig zu betrinken, um dem immensen Stress sowohl in der Schule, als auch in meinem eigenen Zuhause zu entkommen.
Dabei war ich gerade mal 16 Jahre alt.
Viele Male endete es so wie auch dieses Mal und ich schlich mich leise und heimlich aus dem Zimmer eines Fremden, welchem ich mit dem Zauber seine Erinnerungen nahm.
Ich sammelte meine Kleidung zusammen und sobald ich die Tür hinter mir schloss apperierte ich zurück in mein Zimmer in unserem Anwesen in Paris.
Erschöpft landete ich auf meinem schwarz-grünen Himmelbett, konnte mich jedoch nach einiger Zeit überwinden, in mein Badezimmer zu verschwinden und unter die Dusche zu springen.
Verträumt fuhr ich mit meinen Fingern durch meine nassen blonden Haare, wusch mir das Shampoo vom Kopf.
Noch heute Mittag würde ich mit meinen Eltern nach London ziehen.
Unser dortiges Anwesen hatte ich schon lange nicht mehr betreten und ich freute mich auf den Umzug, jedoch würde ich das Gebäck und die Süßwaren aus Frankreich vermissen.
Ich hatte mich daran gewöhnt jeden Morgen ein Croissant aus unserer französischen Küche zu essen.
Aber nicht nur das würde sich in London verändern.
Jahrelang wurde ich Zuhause unterrichtet, doch sobald wir umgezogen und die Sommerferien vorbei waren, besuchte ich eine öffentliche Schule.
Die Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei.
Ich wusste nicht, ob mich das so sehr freute. Richtige Freunde hatte ich zwar noch nie, aber das fand ich genauso wenig schlimm, wie ich es ändern wollte.
Meine Gedanken kreisten weiter um die neue Schule, während ich aus der Dusche stieg und mich im Spiegel betrachtete.
Blaue Augen starrten mir durch den Spiegel entgegen.
Schlanke Figur, blonde Haare, dunkle Augenbrauen.
Früher hatte ich mehr Probleme mit meinem Aussehen und auch, wenn ich nie wirklich hässlich war, hatte ich immer Zweifel an meiner Schönheit.
Mittlerweile war ich mir sehr Bewusst, mit welcher Eleganz und Schönheit ich versehen war.
Trotz der Pickel und Unreinheiten, an denen sich jeder mal erfreuen darf, vor allem als Teenager.
Langsam wandte ich mich von meinem Spiegelbild ab und griff zu meinem Zauberstab.
Mit einem Schwung dieses magischen Stockes waren meine Haut und Haare trocken und ich wieder bekleidet.
Ein schwarzes Hemd mit Rüschenbesatz am Hals und luftigen Ärmeln bedeckte meinen Oberkörper.
Von meiner Taille ab fiel ein grüner Rock mit Schnürung um meine Taille und ebenfalls Rüschen am unteren Ende, welcher bis über meine Knöcheln hing.
Schwarze Strümpfe und darüberliegend ebenfalls schwarze Schuhe mit Absatz, nicht zu viel, nicht zu wenig. 
Es war nicht meine liebste Art sich zu kleiden, aber für den Umzug wurde mir aufgetragen, etwas anständiges zu tragen.
Das blonde Haar lag nun ebenfalls ordentlich, mittig geflochten in einem französischen Zopf auf meinem Kopf.
Das bisschen Make-up, welches ich auftrug, machte ich ohne Magie und kurze Zeit später war ich bereit zur Abreise, jedoch ging ich zuerst noch einmal in mein Zimmer.
Es war ein großer rechteckiger Raum mit hoher Decke und dunkelgrünen Wänden mit schwarzen Verzierungen.
An der Wand direkt gegenüber der Tür stand mein gigantisches Himmelbett mit schwarzen Holzbalken und dunkelgrünen Rüschenvorhängen.
Daneben, rechts und links des Bettes, stand jeweils ein schwarzer Holznachtschrank.
Von der Tür aus konnte man am linken Ende des Raumes einen ebenfalls schwarzen Holzschreibtisch voll mit Schreibutensilien und Stapeln an Büchern sehen.
Daneben zwei große Regale, wo die Bücher eigentlich hineingehörten.
Rechts im Raum standen ein dunkler Schminktisch und eine Kommode und ein Schrank mit Kleidung und schicken Accessoires für meine Outfits.
Über der Kommode hing ein schwarzer antiker Spiegel und insgesamt gab es im Zimmer vier Menschengroße Fenster, zwei von ihnen mit dunkelgrün gestreiften Vorhängen verdeckt.
Die anderen baten eine gute Sicht auf den dahinterliegenden Garten voller roter und schwarzer Rosen.
Meine Lieblingsblumen, welche meine Mutter extra für mich dort anpflanzen ließ, erinnerte ich mich mit einem Lächeln, doch verschwand dieses sofort wieder, als neben mir plötzlich einer unserer Hauselfen auftauchte und mir mitteilte, dass meine Eltern im Foyer des Anwesens auf mich warteten.
Ohne das Gesicht zu verziehen, nickte ich und begab mich zu ihnen.
"Aurélie, chérie, tu es prête à partir? (Aurélie, Liebling, bist du bereit zu gehen?)", fragte meine Mutter mich sanft.
Ich nickte und mit einem kühlen Blick zog ich meine Hände aus ihren.
Sie tat immer so sanft und liebevoll, mütterlich, aber ich wusste, dass sie nur wollte, dass ich etwas erreichte, noch reicher wurde, das Familienerbe weiterführen konnte und ja niemals einen Fehler beging.
Mir war das schon früh aufgefallen, als sie ihren ersten Wutanfall hatte.
Ich war gerade mal fünf Jahre alt und das erste Mal auf einem dieser reichen Snob-Feste, da nahm ich für die Vorspeise den falschen Löffel.
Es war so banal, dass meine Mutter bei sowas so wütend wurde.
Ich kassierte eine Backpfeife und danach eine ihrer wertlosen Entschuldigungen.
Doch bis vor drei Jahren war mir nie in den Kopf gekommen, wie toxisch mein Verhältnis zu ihr war und ihre Reaktion auf mein seitdem distanziertes Verhalten ihr gegenüber war erträglich, denn sie ignorierte dies meistens, um stattdessen so zu tun, als ob alles wie immer war.
So auch dieses Mal.
Sie drehte sich ohne einen Kommentar von mir weg und hakte sich wieder bei meinem Vater ein. 

Sekunden später standen wir vor unserem Anwesen am Rande Londons.
Es war so groß und dunkel wie das in Paris und ebenso konnte es auch dieses Mal kein Muggel sehen, sonst hätten sie aus dem jahrhunderte altem Gebäude schon eine Touristenattraktion gemacht.
Große Fenster, steinerne Mauern und ein hölzernes Eingangstor.
Mein Blick wanderte einmal übers ganze Gebäude und dann wieder zurück zum Eingangstor.
Vor meinen Eltern ging ich den Sandweg zwischen Rosenhecken entlang, bis wir vor dem Tor standen.
Wie von Geisterhand öffnete es sich für uns und wir betraten das Foyer.
Nur kurz sah ich mich um und wollte dann direkt den Rest erkunden, schließlich war meine Erinnerung an dieses "Haus" schon lange verblasst.
Bevor ich jedoch losgehen konnte, wurde ich von einem Hauselfen zurückgehalten, welcher mich zu meinem Zimmer führen sollte, wo bereits meine Sachen auf mich warteten.
Etwas endtäuscht, dass ich nicht erst das Haus erkunden durfte, folgte ich dem Elfen durch die langen Flure und kam vor meiner Zimmertür zum Stehen.
Vorsichtig öffnete ich diese, erkannte aber nichts als Dunkelheit, da noch alle Vorhänge vorgezogen waren und kein Licht den Raum erhellte.
Ich betrat den Raum, mit einem Schwung meines Zauberstabes waren alle Vorhänge auf und das Licht des Tages strömte hinein.
Mein Zimmer hier sah exakt so aus wie das in Paris.
Sofort spürte ich ein kleines Lächeln auf meinen Lippen und Vorfreude auf mein Leben Großbritannien.
Nur noch eine Woche und ich hätte erst einmal Ruhe vor meinen Eltern. Mit einem tiefen Atemzug ließ ich mich auf mein dunkelgrünes Himmelbett fallen.
Und auch, wenn dieses Bett das bequemste ist, worin ich jemals lag, verbrachte ich leider nicht den ganzen Tag darin.
Stattdessen sah ich mir dann doch noch das Anwesen an, musste feststellen, dass ich es sehr gut leiden konnte und war am Abend im Garten, welcher vollstand mit Trauerweiden und Rosenbüschen. 

Dann, eine Woche später, war es auch schon so weit. Meine Nervosität wusste ich unter einem emotionslosen Gesichtsausdruck zu verbergen, aber dennoch war sie vorhanden.
Meine Eltern brachten mich zum Bahnhof und aufgrund unserer Pünktlichkeit bekam ich sogar noch eine leere Sitzecke in einem der großen Abteile nur für mich.
Zumindest bevor der Rest der Schüler eintrudelte.
Eine nicht sehr sympathisch wirkende Brünette setzte sich ungefragt gegenüber von mir und ihre beiden Begleiter, ein aschblonder und ein braunhaariger setzten sich ebenfalls zu uns.
Der blonde ließ sich ohne ein Wort von sich zu geben neben mir nieder und rückte seinen Anzug zurecht.
Schlecht sah er zwar nicht aus, jedoch wirkte er irgendwie sehr arrogant. 

Bon CœurWhere stories live. Discover now