Weißt du, wer du bist?

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Kennst du das?

Du läufst im Herbst, am späten Nachmittag, den Weg durch einen Park entlang.

Die Abendsonne scheint dir ins Gesicht, ist warm und angenehm, hüllte dich in ihr Farbenspiel und lässt die bunte Natur um dich herum, auf den Weg in den Winterschlaf, herrlich erstrahlen.

Du atmest den Duft der feuchten Erde und Blätter, noch nass vom letzten Herbstregen, tief in deine Lungen und solltest dich dabei gut fühlen, entspannt und irgendwie zufrieden.

Doch es klappt einfach nicht!

Um dich herum wuseln andere Menschen auf der Straße, Fahrräder auf dem Radweg neben dir. Leute mit Hunden, oder Kindern, die nochmal nach draußen wollen, bevor es stetig kalt wird, spazieren oder toben an dir vorbei und füllen diese bunte Welt mit Leben.

Doch du kannst sie nicht fühlen, nichts damit anfangen, obwohl doch alles so unglaublich schön sein sollte.

Ein Lächeln zaubert sich auf die Gesichter der Menschen, wenn sie die Dekorationen für das nahende Halloweenfest vor den Häusern sehen, die teilweise so voller Liebe zum Detail dort arrangiert wurden und, besonders für die Kinder, einen Höhepunkt der Herbstzeit bedeuten.

Doch du empfindest dabei ganz anders, du kannst dich nicht freuen, auf das Fest, das so vielen gefällt. Ganz im Gegenteil, du wirst dabei sehr traurig und weißt nichtmal warum.

Ich verstand damals auch nicht woran es lag, warum ich mich immer so fühlte, als fehle mir etwas, seit ich mich erinnern kann, und warum ich gerade zu Halloween immer so furchtbar traurig wurde, obwohl ich dieses Fest doch mochte.

Aber zu dieser Zeit dachte ich auch noch meinen Platz in der Welt gefunden zu haben, oder eher ihn akzeptieren zu müssen. Ich war eben dieser seltsame junger Kerl mit der stets schwarzen Kleidung, und dieser stillen, unheimlichen, melancholischen Grundstimmung.

Eigentlich passte diese Jahreszeit ja dann zu mir, wenn man mal von den bunten Farben absieht.

Die immer länger werdenden Nächte, die feucht, frostige Grabeskühle, die jeden Tag zunimmt und sanfte Traurigkeit, die sich über den Abschied vom Sommer legt, und in die Schaurigkeit der dunkleren Jahreszeit wechselt.

Eine Zeit in der wieder gerne unheimliche Geschichten erzählt werden.

Gruselgeschichten, so alt wie die Menschheit selbst, geprägt von Monstern, Geistern und Dämonen. Ich mochte ihren Thrill wirklich, bis ich mich eines Tages mitten in meiner eigenen solchen Geschichte befand!

Damals schleppte sich mein Studium so dahin und ich war froh über jeden Cent, den ich in meinen Semesterferien, in dem kleinen Buchladen, mit Café, am Marktplatz, meines nur allzu überschaubaren Heimatstädtchens, dazu verdienen konnte.

Bücher, das war einfach mein Ding.

Ich las quasi alles und ständig, und war für meine Chefin Dorothea ein Gewinn, bei der Beratung der Literatur unerfahreneren Kundschaft.

An einem Abend, zwei Tage vor Halloween, war ich nach Ladenschluss extrem fröhlich gestimmt. Dank meiner Hilfe war, über den Tag, unglaublich viel verkauft worden, und auf meinem Lohnscheck prangte ein hübscher Bonus.

Wirklich leicht verdient war das Geld jedoch nicht, denn es trieb bisweilen recht seltsame Gestalten in unseren Laden, die aufdringlich sein konnten und nur MEINE Beratung bevorzugten. Laut meiner Chefin lag das vor allem an meinem Sachverständnis und meinem geheimnisvollen und besonders guten Aussehen, aber für so derartig hübsch hielt ich mich nie.

Weißt du, wer du bist? Where stories live. Discover now