1 | 𝔇𝔦𝔢 𝔅𝔢𝔤𝔢𝔤𝔫𝔲𝔫𝔤

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Die Welt drückt so.. ich kanns nicht beschreiben. Mein Kopf drückt.
Alles ist so.. weit weg irgendwie. Die Flasche Bacardi Razz in meiner Hand sinkt langsam zu Boden und erst danach merke ich, dass ich derjenige bin, der zu Boden sinkt. Mit der Flasche.
Alles ist taub. Geil. Ich genieße es.
Draußen ist es schon kalt und dunkel.

Meine Augen werden schwer und ich schaue mich etwas um. Direkt neben den Pennern unter der Brücke gelandet, aber zum Glück bin ich ja keiner von ihnen, bin ausgelernter Techniker, hab ja ne Wohnung und Geld.
Geld, was verdammt nochmal keiner will, egal wieviel es ist.

Mit gedrückter, aber auch gedämpfter Stimmung stehe ich wieder auf, weiß nichtmal warum ich mich dahin gesetzt habe. Ich laufe weiter in Tokyo herum und erblicke nach einer Weile einen Schrein des Shintoismus. Schon irgendwie interessant, er ist echt schön beleuchtet.

Menschen die beten.. verrückt. Ich glaube nicht an einen Gott, aber ich glaube an Karma.
Mein Leben hats mir oft genug gezeigt. Viele die ich kenne sind gläubig, aber mich konnte das nie überzeugen, genauso wenig wie meinen Vater. Ich setze mich einfach und beobachte. Beobachten, das konnte ich schon immer gut. Einfach kein Teil von irgendetwas sein. Ich muss zugeben, genau das liebe ich auch. Ich habe mich daran gewöhnt und es tut mir auch gut, kein wirklicher Teil der Gesellschaft zu sein. Ich finde, dafür, dass ich heute schon viel getrunken habe, bin ich ziemlich klar im Kopf.
Kaum als ich diesen Gedanken zuende gedacht habe, erwische ich mich mit der nächsten Flasche in der Hand. Woher die ist, keine Ahnung. Ich kann mich nicht erinnern. Bin wohl doch nicht mehr so fit.

Ich laufe auf diesen komischen Schrein zu, er fasziniert mich, mein Blick verwandelt sich immer mehr in einen Tunnel, dessen Beleuchtung auch irgendwie immer dunkler wird.
Ich spüre den Asphalt an meinen Knien und schlagartig wird alles wieder hell.
Ich hab geträumt und bin total in jemanden reingelaufen, der mich anscheinend auch nicht gesehen hat.  Als ich aufblicke, sehe ich einen jungen, schlanken Mann, der sehr traditionell japanisch gekleidet ist, aber er selbst sieht überhaupt nicht aus wie ein Japaner. Seine Haut ist viel zu gebräunt dafür und er hat er lockige, braune Haare, welche ihm süß ins Gesicht fallen. Er sieht eher wie jemand aus Nordamerika aus. Sehr, sehr hübsch. Während ich über ihn nachdenke schaue ich ihn wohl etwas zu lange an, denn langsam wird er sauer.

"Hast du's bald?", entgegnet er mir aufgebracht. Davor hat er zwar auch schon mit mir geredet, aber ich war zu sehr in meinen Gedanken, hab ihn garnicht gehört und nicht gemerkt, dass er mich sogar schon am Handgelenk packt um mir aufzuhelfen. Ich hocke immernoch sehr verloren auf dem Boden und kann kaum etwas erwidern. "Pff.. ja. Alles ok soweit.", sage ich nur knapp und versuche mir meinen Rausch nicht anmerken zu lassen. Ich schüttele seine Hand ab. Die Flasche lassse ich auf dem Boden stehen und rappele mich selbstständig auf, doch als ich erstmal stehe wird alles wieder so dunkel, meine Lippen kribbeln und mir geht fast das Licht aus. Ich halte mich an seiner Schulter und er ist sichtlich abgeschreckt von meinem Verhalten, er schaut verwundert und kurz ängstlich, als ich ihm näher komme. Kurz darauf sehe ich wieder klarer, er begreift jedoch sehr schnell was mit mir los ist und seufzt genervt.

"Alkohol ist eine Sünde, ist dir das nicht klar?", antwortet er schnippisch.
Wohl sehr temperamentvoll, der Kleine. Aber ich will ja nicht so sein, er ist noch jung, vielleicht 16 oder 17. Ich antworte sehr ironisch.
"Oooh, lieber Herr, es tut mir aufrichtig leid. Gehörst du zu dieser Sekte da?"
Ich zeige etwas schwankend auf den Schrein und er wird wirklich auffällig still.
Er schaut kurz rüber, ich sehe, dass uns jemand aus dem Fenster des Schreins beobachtet. Danach geht sein Blick wieder zu mir, dann auf den Boden und er seufzt leise. Er wirkt, als hätte er einen Streit verloren. "Komm, wo wohnst du und wie heißt du?", fragt er zaghaft. Daraufhin frage ich ihn warum er das wissen will und er behauptet, er möchte mich nach Hause bringen, weil ich so betrunken bin. Man soll gut zu seinen Mitmenschen sein, fügt er hinzu. Aufeinmal ist er so nachsichtig, verständnisvoll und respektvoll.
Das ist ja mal so eine Schauspielerei.
Aber bitte, ich lasse mich gerne von so einem wie ihm nach Hause bringen und schneller als ich denken kann, sage ich ihm meine Adresse und meinen Namen.

"Yusei.. ein schöner Name", schauspielert er weiter und führt mich zu seinem Auto. "Ich heiße Diego."
Wirklich sehr süßer Name, aber in meinem Zustand finde ich eh alles süß. "Den Namen finde ich echt toll, er ist spanisch oder?"
"Kann man so sagen, auch mexikanisch, ich komme aus Mexiko"
"Ahh, daher auch dein übertriebenes Temperament", lache ich etwas. Er findet das absolut garnicht witzig und macht mir still und genervt die Beifahrertür des Autos auf. Mit einer Geste zeigt er mir, dass ich einsteigen und am besten meine Klappe halten soll. Kurz nachdem ich eingestiegen bin dreht sich alles etwas, wie wenn man nach ein paar Bier ins Badezimmer geht und dann erstmal richtig merkt, dass man was getrunken hat. Kurz darauf höre ich wie die Autotür lautstark zuknallt, ich schrecke total zusammen. Er setzt sich zu mir ins Auto auf den Fahrersitz und sieht mich drohend an. Als würde er mich töten wollen. Als würde er mit mir noch viel schlimmere Dinge tun wollen, als ich mir jemals vorstellen könnte. Sein Blick schüchtert mich zwar ein, aber durch den Alkohol dringen meine Gefühle nicht ganz zu mir durch.  Sonst würde ich jetzt vor Angst vor ihm sehr klein werden und in der Hoffnung versinken, dass er mir nichts tut.

Aufeinmal ändern sich wieder seine Gesichtszüge, er lächelt sogar sanft und gibt meine Adresse in sein Navi ein. Als er sein Auto startet, geht das Licht an der Decke an und für einen kurzen Moment kann ich ihn im Licht ansehen. Dabei erkenne ich, dass er zwar dunkelbraune Augen hat, jedoch das rechte Auge zur hälfte Grün ist. Was ist eigentlich nicht faszinierend an ihm? Er ist etwas komisch, aber auch faszinierend.

Mit der Frage "Sag mal, was meintest du vorhin mit Sekte, hast du irgendwas darüber gehört?", werde ich mal wieder aus meinen Gedanken gerissen. "Also eigentlich nichts.. war nur so ein Scherz.", winke ich ab.

"Besser ist es.", antwortet er und sein Blick verfinstert sich wieder.

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⏰ Last updated: Nov 25, 2023 ⏰

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𝖆𝖘 𝖑𝖔𝖓𝖌 𝖆𝖘 𝖞𝖔𝖚 𝖉𝖔𝖓'𝖙 𝖐𝖎𝖑𝖑 𝖒𝖊Where stories live. Discover now