Chapter One

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Seufzend starrte ich aus dem Autofenster, wusste nicht worauf ich mich fokussieren sollte. Auf die vielen Regentropfen, die gegen die Scheibe prasselten und in wundersamen Mustern aufgingen oder doch auf die vielen Autos, die den morgendlichen Verkehr ankündigten. Ich wusste es nicht, also galt mein trüber Blick der Leere, die ich nicht definieren konnte.

Heute war ein regnerischer Dienstagmorgen und Regen bedeutete an einem Arbeitstag nichts Gutes. Es war einfach ein schlechtes Omen, das Mutternatur mir schickte, um mir zu signalisieren, dass heute etwas passieren würde. Irgendetwas würde passieren, weil es heute regnete und ich hatte das Bedürfnis den heutigen Job einfach abzublasen. Aber niemand sagt der » Vogue Korea « ab.

„Nimm das heute bitte ernst." Ich blinzelte, ehe ich zum Hinterkopf meines Managers, Do Jin Soon, sah und dann ein halbherziges Lächeln lächelte. „Das ist der wichtigste Job seit langem, Hyo Rin, du kannst es dir nicht leisten, diese Möglichkeit einfach verstreichen zu lassen."

Mein Lächeln wird breiter. „Warum? Wird mich die Agentur sonst feuern?", erwiderte ich belustigt, zog meine Decke hoch und verschränkte die Arme. „Werde ich dann arbeitslos?"

Ich kassierte einen verständnislosen, ja, sogar verzweifelten Blick durch den Fahrerspiegel. „Das ist nicht witzig! Es gibt Mädchen, die für diesen Job morden würden, ist dir das bewusst?" Er stöhnte laut auf. „Das ist wichtig für dich und deine Karriere!"

Meine Karriere, dass ich nicht lache. Mühsam verkniff ich mir das gehässige Grinsen, das sich durch Zuckungen meiner Mundwinkel bemerkbar machte und zog teilnahmslos die Achseln hoch. „Ehrlich gesagt, bin ich momentan auch am Überlegen, ob wir das Ganze nicht einfach absagen sollten. Ich meine, schau dir das Wetter an, es regnet." Ich deutete mit einer dezenten Kopfbewegung nach draußen, um mein ohnehin schon schwachsinniges Argument sauber zu unterstreichen.

Das war der Moment, in dem seine Nasenflügel vor Zorn zucken sollten und ich war mir sicher, dass das der Fall war, auch wenn ich es nicht sah. „Weißt du überhaupt, wer dein Partner ist? Weißt du überhaupt, was für einen Vorsprung dir das geben kann?", fragte er energisch.

„Nein", antwortete ich ihm gleichgültig und mein Blick schweifte durch den Van. „Ist ja nicht so, dass ich den Job freiwillig angenommen habe, Vogue hin oder her. Ist ja nicht mein Verdienst, dass ich jetzt hier sitze. Natürlich kann ich mich nicht für den besagten Vorsprung begeistern."

Erneut stöhnte er, fasste sich an die Stirn und schwieg. Ja, ich war ein hoffnungsloser Fall. Ein richtiges Ekel. Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde, aber es war mir bewusst und letztlich war es auch kein Geheimnis, weswegen es an ein Wunder grenzte, dass ausgerechnet ich für diese Fotostrecke gebucht wurde. Wer will denn schließlich mit jemandem wie mir zusammenarbeiten? Die müssen lebensmüde sein oder sehr viel Hoffnung reinstecken. Wer weiß.

Er räusperte sich, so schellte mein Blick automatisch wieder zu ihm. „Das ursprüngliche Model hat sich verletzt und musste abspringen. Da ihr euch vom Typen her ähnelt und auch dieselben Maßen habt, wurdest du spontan gebucht", erklärte er und ich nickte beschwichtigend. Ja, das macht Sinn. Freiwillig würde sich die Arbeit mit mir niemand antun. „Und dein Partner... ist G-Dragon. Von BigBang. Also schieß dich nicht gleich ins Aus, das ist extrem wichtig heute."

Ich öffnete den Mund, zog es dann aber doch vor, nichts zu sagen. Zwar änderte sich nichts an meiner Einstellung, aber jetzt wusste ich, warum er sich so Sorgen machte. Und warum Mädchen dafür morden würden.

Manager Do dankte es mir wahrscheinlich innerlich, dass ich es stillschweigend hinnahm, denn durch den Spiegel konnte ich sehen, dass sich seine Gesichtszüge geglättet hatten und er mehr oder minder entspannt auf die Straße sah.

Wieder seufzte ich und blickte aus dem Fenster. Der Regen hatte zugenommen, er trommelte unruhig und wild gegen die Fensterscheibe. Die Welt da draußen war grau und trostlos, die Wolken hingen schwer und träge herab. Heute war ein guter Tag sich in den Hangang* zu stürzen.


Jin Soon nahm seine Aufgaben als Manager mehr als nur ernst und tätschelte mir die Hand, während wir nur noch auf die letzten Vorbereitungen warteten. Die Kulisse – na, sowas, wie alles andere auch – war Schwarz. Anscheinend gab es drei Locations, die aufgebaut wurden und die erste würde ein schwarzer Raum, mit einem schwarzen Ledersessel und einem pompösen Kronleuchter sein.

„Hyo Rin, bitte, gib dir Mühe!", murmelte er und sein Druck um meine Hand wurde stärker, sodass ich zu ihm runter sah, da ich nun auch meine hohen Schuhe anhatte. „Sei höflich, ja? Wenn ihr euch alle gleich begrüßt, spar dir irgendwelche Kommentare."

Ich nickte nur, meine Lippen bildeten nur noch einen Strich und ich sah mich um. Da drüben war der Fotograf, neben ihm die Chefredakteurin der » Vogue «, beide fleißig am diskutieren, wie sie das Beste aus diesem Shooting machen können. Doch wo war er, mein Partner, G-Dragon höchstpersönlich?

„Höflich?", schnaubte ich sarkastisch und wendete meinen Blick zu den Schuhen, die mir überraschen gut gefielen, fixierte sie. Sie passten auch gut zum ersten Outfit, eine einfache Anzughose und ein schlichter BH, beides in Schwarz. Zusätzlich hatte ich noch ein Jacket, das ich in der Hand trug. „Ist ja nicht so, dass ich gerade jemandem zum Reden habe. Also warum höflich sein?"

Ich schüttelte leicht den Kopf. Warum war ich überhaupt hier? Weil ich der Ersatz war. Weil das die Möglichkeit für mich war. Weil ich mit einem prominenten Künstler eine komplette Fotostrecke in einem internationalen High-Fashion-Magazine ganz für mich hatte. - Ich wusste es nicht. Aber alle drei Argumente hörten sich allesamt einfach nur scheiße an. Und warum kündigte ich nicht einfach? Das wusste ich auch nicht. Aber auch diese Alternative hörte sich scheiße an. Ich sollte mich nur irgendwann entscheiden, was das kleinere Übel ist. Weitermachen und dahinwelken oder einfach alles hinschmeißen, diese fünf Jahre, die ich investiert hatte.

Ich zuckte zusammen, als Jin-Soon mich plötzlich losließ und blinzelte leicht. Noch immer war mein Blick auf die Pumps gewandt, allerdings hatte ich sie nicht mehr gesehen. Meine Augen waren trocken, schmerzten leicht. Ich hob den Kopf, schaute zum Fotografen, der bereits vor der Kamera stand. Gleich war es so weit. Gleich ging es los und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht einmal mehr wusste, was ich jetzt machen sollte.

„Hyo Rin, hier!", rief mein Manager erfreut aus und ich verkniff mir ein entnervtes Stöhnen, drehte mich wortlos um, ehe ich mein Gegenüber perplex anstarrte.

Vielleicht hatte ich das Ganze unterschätzt. Natürlich war ich mittlerweile lang genug dabei, dass es mich nicht mehr flashen sollte, wenn ich eine Berühmtheit treffe. Auch wenn jene Berühmtheiten im Normalfall Designer waren und keine berüchtigten Musiker. Vielleicht lag es auch nicht an seinem Status, sondern eher an seiner Ausstrahlung. Sein dunkler Blick lag auf mir, während ein Lächeln seine Lippen umspielte. Seine schwarzen Haare waren auf eine Seite gegelt und dank des offenen Kragens konnte man Ansätze seines Tattoos sehen. Vielleicht war es eben dieses Charisma, das mich gerade wie ein Schlag traf. - Ich wusste es nicht. Aber das war heute auch nichts Neues.

„Hyo Rin?" Mühsam lenkte ich meinen Blick zu dem kleinen Mann neben uns, der mich besorgt musterte und fast schon automatisch verzog ich das Gesicht, mittlerweile konnte ich nichts mehr dafür, doch es dauerte nicht lang und ich musterte wieder den Rapper vor mir.

„Hallo, ich bin Kwon Jiyong", stellte er sich geduldig vor, seine Stimme war ausgeglichen und freundlich, mit einem kleinen Touch Enthusiasmus, von dem ich nicht wusste, woher er kam.

Ich nickte langsam. „Mein Name ist Yoon Hyo Rin", murmelte ich leise und ich musste diese Worte rauswürgen, weil ich nicht das Bedürfnis hatte, mit ihm zu reden, sondern mich lieber unter der Intensität seiner Blicke auflösen wollte. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Jin-Soon sich die Haare raufte und mich vermutlich innerlich beschimpfte. Das war einer der wenigen Momente, in denen ich mich fragte, warum er nicht wie meine ehemalige Assistentin einfach kündigte, doch der Gedanke hielt nicht lang, denn ich räusperte mich, ganz zur Verwunderung der zwei Männer vor mir. „Auf eine gute Zusammenarbeit." Weil es so halbherzig und unehrlich klang, versuchte ich zu lächeln, aber es klappte nicht und ich wusste nicht einmal warum.

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*Hangang: Ein Fluss, der durch Seoul geht. Vermutlich eher unter dem Namen "Han River" bekannt.


crush | kjy [pausiert]Where stories live. Discover now