♕ Kapitel 1 ♕

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Graue Wolken bedeckten den düsteren Himmel, sodass die Sonne kaum zu sehen war. Es dauerte nicht allzu lange, da begann es schon zu regnen. Die dicken Tropfen prasselten auf das kühle Fenster. Der schwere, laute Regen überdeckte jedes kleinste Geräusch, bis auf eines: Die Pistolenschüsse aus der 221b Baker Street.

John stürmte irritiert ins Zimmer, wo er Sherlock mit verbundenen Augen erblickte, dessen Hand mit einer Pistole geschmückt war.

„Sherlock! Was zur Hölle machen Sie da?", brüllte der wütende Doktor, bevor er sich beim nächsten abgefeuerten Schuss hinter dem Tisch versteckte.

„Seien Sie ruhig! Das ist ein Experiment!"

Ein weiterer Schuss fiel und John duckte sich erneut vor Angst er könnte getroffen werden.

„Welches Experiment, verdammt noch mal?", schrie John lautstark, um die weiteren Schüsse wenigstens halbwegs übertönen zu können.

„Wie schnell Sie hier sind und wie lange Sie sich aufregen darüber, dass ich gegen die Wand schieße." Sherlock grinste ironisch und nahm das rote, seidene Tuch von seinen Augen.

„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?" John trat abrupt näher mit Ärgernis in seiner doch etwas besorgten Miene.

„Nope", antwortete Sherlock, als er sich gerade zum Laptop gesellt hatte und etwas eintippte.

„Was schreiben Sie da?"

In dem Moment kam Mrs. Hudson die Treppen hinaufgelaufen.

„Sherlock! Post für dich", sang sie mit einem grellen, hohen Ton.

John nahm den Brief für ihn entgegen. Als er ihn soeben öffnen wollte, stand Sherlock auf und nahm das Kuvert dem Doktor aus der Hand.

„Nicht öffnen!", warnte Sherlock, als er den ungeöffneten Brief in den Papierkorb warf.

„Warum? Von wem ist er?" Irritiert blickte er in den Papierkorb, dann zurück zu Sherlock.

„Das ist nicht wichtig", winkte Sherlock ab, als er sich dem Laptop wieder zugewandt hatte. „Hat Lestrade sich heute noch nicht gemeldet?" Sherlock wandte seinen Blick kurz Mrs. Hudson zu. Sein fröhliches Grinsen war verräterisch.

„Nicht, dass ich wüsste."

In diesem Moment klingelte es.

„Oh. Vielleicht ist er das ja", sagte sie melodisch mit einem überzeugten Unterton, bevor sie die Stufen wieder hinunter huschte.

Sherlock stand daraufhin auf und wanderte nachdenkend zu seinem Armstuhl, in den er sich sogleich fallen ließ.

„Wohl ein dringender und außergewöhnlicher Fall", murmelte Sherlock, seine Hände gefaltet unter seiner Nase platziert.

John nahm eine Zeitung in die Hand und begann das wichtigste zu lesen, in der Hoffnung, dass der Vorfall in der Zeitung bereits erwähnt wurde. Dabei machte es sich John ebenfalls auf seinem Sessel bequem.

„Wo?", fragte Sherlock mit geschlossenen Augen, als Lestrade in den Raum stolperte.

„In der 10. Downing Street. Mehrere Frauen wurden tot aufgefunden. Vom Täter ist keine Spur."

„Wie viele?", fragte Sherlock.

John wandte seinen Blick erwartungsvoll von seiner Zeitung zu Lestrade. Er konnte es kaum glauben, was sich schon wieder in den Londoner Straßen abspielte.

„Sieben Frauen. Der Tatort ist exakt so vorzufinden, wie er verübt worden war. Können Sie sich das bitte ansehen?"

Sherlock öffnete seine Augen, als er sich mit den gefalteten Händen über seine zarten Lippen fuhr.

„Wir kommen nach", sagte er prompt, aber blieb auf seinem gemütlichen Armstuhl sitzen.

„Danke." Lestrade verschwand aus dem Raum, ohne ein weiteres Wort von sich zu geben.

„Wissen Sie, was das zu bedeuten hat, John?", fragte nun Sherlock. Sein Grinsen war kaum zu übersehen.

„Dass wieder einer der verrückten Serienmörder in der Stadt sein Unheil verrichtet?", antwortete der Doktor mit einem fragenden Unterton.

„Nein, dass jemand nach Aufmerksamkeit ringt, aber warum?"

„Aufmerksamkeit? Ach, kommen Sie, Holmes. Wünscht sich nicht jeder Serienmörder ein bisschen Anerkennung?" John schien etwas irritiert, doch keinesfalls wollte er Sherlocks Fähigkeiten in Frage stellen.

Sherlock drückte sich von dem Armsessel weg, warf sich seinen schwarzen, geliebten Mantel über und band stilvoll seinen Schal um den Hals.

„Kommen Sie, John. So etwas sehen Sie nicht alle Tage."

John rollte seine Augen. Das war wieder einmal typisch Sherlock. Er ließ die Zeitung auf dem Sessel liegen und zog seine Jacke an. Seinen Stock brauchte er schon lange nicht mehr seit er mit Sherlock zusammenlebte.

„Mrs. Hudson. Verschieben wir das Lunch auf später. Ihnen macht das doch nichts aus, oder?", rief er in die Küche, bevor er die Haustür öffnete.

„Ein neuer Fall? Wo trägt es dich diesmal hin?", fragte sie neugierig.

„Keine Zeit zum Plaudern!", er drehte sich noch einmal um und lächelte Mrs. Hudson freundlich an.

„Später erzähle ich Ihnen alles."

John und Sherlock verließen das Gebäude, stiegen in eines der Taxis und verschwanden im Nebel des starken Regens.

Sherlock - I am You ☆Where stories live. Discover now