Kapitel 1

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"Komm schon Joshua, aufstehen." Langsam schüttelte ich den kleinen schlafenden Körper von meinem Bruder. Ein unverständliches Gemurmel kam von dem 9-jährigen. "Kleiner aufstehen, die Schule ruft!" nun redete ich lauter. "In fünf Minuten bist du aufgestanden." Mit diesen Worten stand ich von seiner Bettkante auf und verließ das Zimmer. Schnell richtete ich das Frühstück, vergewisserte mich nochmal, dass Joshua aufgestanden ist, packte die Leine und führte den Hund Gassi. Nach zehn Minuten war ich zurück und Joshua saß verschlafen am Frühstückstisch. "Na Schlafmütze, auch schon aufgestanden?" lächelnd strich ich ihm durch das Haar. "Muss ich heute wirklich dahin?" flüsterte er leise. Erschrocken blickte ich ihn an. Seine traurigen Augen durchbohrten meine. Langsam ging ich in die Knie und hielt seine Hand fest. "Joshua, du musst wieder in die Schule, du hast jetzt zwei Monate gefehlt. Wenn etwas ist, kannst du mich jederzeit anrufen und in Turbo Geschwindigkeit bin ich bei dir!" Tröstend streichelte ich seine Wange. Ganz unerwartet fiel er mir um den Hals und ich merkte wie die Tränen flossen. "Aber Hanna, ich vermisse Mama so sehr! Ich will, dass sie zurück kommt!" er schluchzte. Beruhigend streichelte ich seinen Rücken. "Ich weiß Joshua. Ich vermisse sie auch." Es ist das erste Mal seit langem, dass er wieder seine Gefühle zeigt. "Was hältst du davon, wenn du heute zu deinem Eishockey Training gehst?" flüsterte ich. Sofort hörte er mit dem Schluchzen auf und befreite sich aus meiner Umarmung. "Meinst du das gerade ernst?" erwartungsvoll sieht er mich an. "Ja aber natürlich, also viertel nach zwölf bei deiner Schule?" Er grinste so breit, dass ich lachen musste. "Na also geh schon!" beförderte ich ihn aus der Küche. Er packte seinen Schulranzen. Zog seine Schuhe und Jacke an, drehte sich nochmal um, um mir zu winken und rannte durch die viel zu große Empfangshalle, raus zu unserem Chauffeur. Ich seufzte und auf einmal wurde mir schwindlig. Die ganzen Erinnerungen, stürzten auf mich herein. Ich setzte mich auf den teuren Kachelboden und legte mein Kopf in meine Hände. Wieso hat sie das gemacht? Wieso hat meine Mutter mich im Stich gelassen? Wieso hat sie uns im Stich gelassen? Ein lautes Piepen, nah bei meinem Ohr riss mich aus meinen Gedanken. Meine Apple-Watch zeigte mir an, dass in 10 Minuten die Putzfrauen kamen. Irgendwer muss unser Haus, ja in Schuss halten. Ich stand langsam auf und ging langsam die Treppe hoch. Die Treppe zu unserem neuem Badezimmer. Langsam öffnete ich die teure Holztür und trat ein. Die Lichter gingen automatisch an und das Badezimmer erstrahlte. Alles war auf Hochglanzpoliert. Das Waschbecken, die Toilette und die Badewanne wurden in einem einfachen schwarz gehalten. Unter meinen Füßen stieg eine Wärme auf. Ich nickte. Fußbodenheizung, war ja klar. Nach dem mein Vater sich von dem Schock erholt hat, packte er über Nacht unsere Sachen und wir zogen in das andere Ende von Österreich. Das Haus war für mein Geschmack viel zu groß. Mein Vater hat seit zwei Monaten wieder eine Beziehung und er weiß ganz genau, dass ich seine neue Frau hasse. Seitdem macht er mir nur noch Geschenke, wie das Badezimmer hier. Man kann sich, aber keine Liebe erkaufen. Ich hasse alles in diesem Haus, doch ich muss für Joshua da sein. Ich muss stark sein. Schnell schmierte ich mir ein bisschen Make-Up ins Gesicht und sah wieder in den Spiegel. Eine Puppe starrte mich an, eine leblose Puppe. Seufzend drehte ich mich um und lief die Treppe runter. Schnell schaute ich auf mein IPhone. Auf die Sekunde genau, kam Marcel mit seinem Putzpersonal herein. "Miss, Sie sehen hinreißend aus!" Marcel war nur ein paar Jahre älter als ich. Er sah nicht schlecht aus und ich mochte ihn auch. Er kam zwei Schritte auf mich zu, ergriff meine Hand und küsste sie. "Marcel,  Dankeschön fürs kommen!" Ich entwand mich aus seinem Griff. "Für sie immer!" Er verbeugte sich leicht. Ich wusste, dass ich auf manche Leute sehr attraktiv wirkte. Ich hatte einen gut, durchtrainierten Körper, blonde Haare und blaue Augen. "Ich muss jetzt einkaufen gehen. Bis dahin ist bitte die Küche aufgeräumt!"  Ich entfernte mich langsam, aber selbstsicher von dem Trupp und ging durch die viel zu große Empfangshalle zur edlen Türe. Ich drehte mich nochmal um und sah wie Marcel mir nachstarrte. Ich seufzte und schloss die Türe hinter mir. Ich drehte mich um und ein Blitzgewitter blendete mich kurz. Verwirrt hielt ich mich an der Tür fest. Viele Stimmen toben auf mich ein. Paparazzi's was sonst. Schnell überlegte ich, was ich tun sollte. "Miss, wie fühlt es sich an?" "Frau Tauber, Sie als 17-jährige, übernehmen jetzt die Erziehung von Ihrem kleinen Bruder?" Ich blickte in die Masse und war komplett überfordert mit der Situation. Auf einmal ergriff mich eine starke Hand von hinten und zog mich ins Haus. Ich schlug um mich, doch die Hand war stärker. Als die Haustüre schloss, lockerte sich die Hand und ich drehte mich um. Es war Marcel. "Miss, ist bei Ihnen alles ok?" fragend blickte er mich an. Eine unglaubliche Wut überkam mich plötzlich. Ich will, dass einfach alles nicht mehr! Wütend stürmte ich in mein Zimmer und wählte die Nummer von meinem Vater. Ich ging meine Rede immer wieder im Kopf durch. Er soll seinen reichen Arsch hierher bewegen.

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⏰ Last updated: Nov 26, 2017 ⏰

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