1- First Meet

1.5K 61 1
                                    

Seufzend räumte ich einen vollgemüllten Tisch in meinem kleinen Café ab. Es war zwar normal, dass Kunden ihre leeren Teller und Tassen auf dem Tisch stehen ließen, wenn sie gingen, aber die jungen Damen von eben haben anscheinend auch ihren Monatsvorrat an Taschentüchern aus ihren Handtaschen hinterlassen. Etwas genervt davon beförderte ich die Taschentücher auf ein Tablet, um sie im Müll zu entsorgen.

Manchmal hasste ich meinen Job als Cafébesitzer, beziehungsweise Chef. Um den Papierkram kümmerte sich wer anders. Ich war bloß der, der neue Arbeiter einstellte, immer im Café anwesend war und neue Lebensmittelbestellungen aufgab. Sonst kümmerte sich mein älterer Bruder um alles.

Die Stimmung in dem kleinen Café war entspannt und fast ein wenig schläfrig, so wie immer. Ich genoss die ruhige Atmosphäre, den Kaffeegeruch in der Luft und den gemütlichen Eindruck, den der Schankraum hinterließ. Ein Grund, warum ich meinen Job hier liebte. 
Also, wenn ich ihn nicht zufällig gerade hasste. Wenn gerade kein Kunde eine Müllhalde auf dem Tisch zurückgelassen hat. Dann liebe ich meinen Job.

Heute war ich nur mit zwei meiner Angestellten anwesend, eine davon war meine feste Freundin. Oder zumindest dachte sie, dass sie es sei, die ganze Welt dachte, dass sie es sei.

In Wirklichkeit aber liebte ich sie überhaupt nicht.
Egal, wie sehr sie mich auch lieben mag, egal, was für einen tollen Körper sie hat, ich werde sie nie und nimmer anziehend oder heiß finden. Dafür bin ich einfach nicht hetero genug. Oder besser gesagt: Ich bin schwul. Der einzige Grund, warum ich eine Freundin habe, ist der, damit ich meine Eltern nicht enttäusche. Sie wünschen sich nämlich schon immer einen Enkel oder zwei, außerdem finden sie Minah und mich zuckersüß zusammen. Mein älterer Bruder kann nicht in der familiären Rolle glänzen, weil er den ganzen Tag im Büro sitzt und arbeitet. Auch wenn er mir den Job gerne abnehmen würde. Er hat mir schon oft genug gesagt, dass er meine Freundin ziemlich heiß findet, und er weiß auch, dass ich schwul bin, aber er hält es vor aller Welt geheim.
Ich bin ihm echt dankbar dafür und hoffe seit je her für ihn, dass er irgendwann die Zeit dazu findet, sich einem Mädchen zu widmen.

Minah war damals eh nur ein Glücksfall gewesen, ich wäre nämlich nie von selbst auf die Idee gekommen, mir eine Freundin zu suchen, ich schaute lieber den Männern hinterher, hätte sich Minah nicht vor einem Dreivierteljahr an mich rangeschmissen.

Ich hatte sofort an meine Eltern gedacht und war einfach drauf eingegangen, auch wenn ich nicht wirklich Erfahrungen auf dem Gebiet hatte. Minah war damals zum Glück genauso unerfahren gewesen und hat das zum Glück nicht gemerkt. Was Sexuelle und generell körperliche Bekanntschaften mit dem Partner angeht, ist sie zum Glück deshalb noch sehr verschlossen und schüchtern.
Anders ist sie allerdings, wenn es um alles andere geht. Sie ist stürmisch, energisch und ziemlich verlangend. Ich kann von Glück reden, dass sie anscheinend noch genug Respekt vor mir hat, um mich nicht regelmäßig so anzuschnauzen, wie sie es mit den Mitarbeitern tut. Sie meint es zwar nicht böse, aber ich mag ihre laute Persönlichkeit nicht. Jeden Tag hoffe ich insgeheim, dass ich einen hübschen jungen Mann treffe, mit ihm zusammenkomme und mich von Minah trennen kann. Vielleicht kann ich sie ja irgendwie, damit sie nicht so traurig ist, mit meinem Bruder verkuppeln. Das klingt hart, aber was soll ich tun? Irgendwann habe ich so oder so vor, mich von ihr zu trennen, damit ich nicht auf ewig unglücklich sein muss. Meine Eltern wären dann wenigstens für eine ganze Zeit lang still.

Gerade stelle ich den letzten Becher in der Spüle ab, da höre ich Minah meinen Namen mal wieder quer durchs Café rufen. Gut, dass hier öfter viel los ist, so fällt ihre laute Stimme nicht so auf. Einen Moment später kommt sie angestapft, mit einem jungen Mann, der vielleicht etwas jünger als ich ist, im Schlepptau.

Ich fahre mir durch die Haare und meine Bewegungen stocken für einen Moment, als ich ihn ansehe. Er ist groß, aber nicht größer als ich, schlank und hat ein attraktives Gesicht mit nicht zu markanten Gesichtszügen. Er wirkt ziemlich erwachsen, und vor allem, ziemlich anziehend auf mich.

Aber ich unterdrücke meine Emotionen und sehe ihn stattdessen fragend an, bevor ich Minah frage, was los ist. „Er wollte sich wegen der Stelle als Aushilfe informieren.", meint Minah nur, zuckt mit den Schultern, bevor sie wieder wegstapft.

Erfreut schaue ich den jungen Mann erneut an und gebe ihm über die Theke hinweg meine Hand, um ihm zu begrüßen.

„Ahh, du willst hier als Aushilfe anfangen? Dass kommt uns gerade recht!"

Mein gegenüber lächelt nur verhalten und antwortet dann: „Ich wollte mich über den Job informieren, und wenn ich zeitentechnisch hier ab und an mal aushelfen kann, dann möchte ich hier gerne anfangen."

Locker schnappe ich mir einen Block, der bei den Tablets liegt, einen Stift aus meinem Schürzengürtel, und setzte mich dann von außen an die Theke auf einen der Barhocker. Der junge Mann setzt sich zögerlich neben mich. Wenn ich jemanden Attraktives sehe, überspiele ich meine eigene Schüchternheit oftmals mit Aufgeschlossenheit und lockerem Auftreten, so auch jetzt.

Freundlich lächele ich und fange schließlich an: „Was Arbeitszeiten angeht, bin ich ganz flexibel. Du schickst mir einfach vor Beginn eines Monates die Tage, an denen du kannst, und ich teile dich dann ein. Wenn du mal spontan nicht kannst und Lust hast, dass wann anders nachzuholen, kannst du schnell absagen und dann irgendwann anders hier wiederauftauchen, dann hast du's ausgeglichen."

Mein Gegenüber schaut erleichtert drein, ehe er antwortet: „Oh, so eine Stundeneinteilung ist gut. Dann wäre ich sehr dankbar, wenn ich hier anfangen dürfte."
Ich grinse, weil ich ganz genau sehe, dass er sich am liebsten etwas unformeller ausgedrückt hätte, also antworte ich: „Na dann tu das, vorausgesetzt, du verrätst mir deinen Namen und dein Alter."
Der junge Mann räuspert sich ein wenig beschämt, bevor er sagt: „Ich heiße Park Jiho und ich bin 20."
Erfreut schaue ich auf. In Gedanken hake ich auf meiner imaginären Liste meines idealen Typs das Alter ab. „Cool, dann hab' ich mal nicht so ein junges Küken um mich herum. Ich bin 21, und alle bis außer Minah und ich sind hier zwischen sechzehn und achtzehn!" Damit habe ich nicht unrecht. Ich gebe vielen Schülern in der Übergangsphase von Schule und Job die Möglichkeit, zu arbeiten. Da ich auch nicht wenig Lohn auszahle, kommen vor allem in den Sommermonaten viele Schüler und helfen vorrübergehend aus, kommen aber auch einfach so hierher, um mal Kaffee zu trinken.
Ich bespreche mit Jiho noch ein paar Einzelheiten, wobei er auch immer offener und lockerer wird, und zum Abschied lässt er sich sogar auf einen Handschlag ein. Er schickt mir bald seine Zeiten, und in zwei Wochen, da beginnt ein neuer Monat, fängt er hier an. Wahrscheinlich wird er länger hier arbeiten als die meisten Schüler, weil er die Brange interessant findet und seine Hobbys besser ausleben kann. Er hat mir eben erzählt, dass er viel Ausdauerlauf übt, sowie BMX fährt. Das sieht man ihm auch an, auch wenn ich mich frage, wie er sich dann für die Gastronomie interessiert.

Als er gegangen war, murmelte ich leise auf Deutsch vor mich hin, wärend ich die Notizen zu meinem Bruder brachte: „Vielleicht schenkt er mir ja etwas Ablenkung von meiner Freundin, vielleicht werden wir ja gute Freunde."

Die Konversation, sowie sämtliche Gespräche, die ich führte, waren nämlich auf Koreanisch. Ich war nämlich mit der Familie, als ich klein war, nach Südkorea ausgewandert, zweisprachig großgezogen worden und hier aufgewachsen. Deshalb fiel ich in dem Land auch durch mein europäisches Aussehen und meinen deutschen Namen auf. Hier nannten mich auch alle, weil sie „Moritz" nicht aussprechen konnten, „Mo", sogar meine Familie. Mich störte es nicht, mir gefiel dieser Name sogar besser.



Hidden behind Coffee (bxb) ✔Where stories live. Discover now