1. Kapitel

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Dezent genervt saß Light mit verschränkten Armen auf der Couch; er war nicht gerade dezent sauer auf den exzentrischen Detektiv neben ihm, der nun schon seit mehr als einer halben Stunde auf Englisch flüsternd, so dass Light kaum ein Wort verstand, mit irgendjemandem über sein Handy - Light war wirklich überrascht gewesen, dass jener überhaupt ein solches besaß - telefonierte.
Das sah dem Detektiv mal wieder ähnlich; erst einen armen Studenten des Mordes bezichtigen, mit Handschellen an sich fesseln und ihm dann aber auch gar keine Beachtung mehr schenken - so verdammt typisch, dass Light sich am liebsten selbst schlagen würde, da er sich innerlich zu erst über dieses SM-Spielchen der Extraklasse gefreut hatte; seit geraumer Zeit vor dieser Aktion hatte er sich mehr oder weniger in den süßen Kerl hier neben ihm verknallt - jener war ihm ja in der Uni ziemlich auf die Pelle gerückt, wenn auch nur um endlich beweisen zu können, dass Light Kira war. Trotzdem hatte der Student wirklich sehr schnell Gefallen an der süßen trügerischen und verspielten Art seines Gegenübers gefunden, so weit er sich jetzt entsann. Sogar seine seltsame Freundin Misa hatte er auf die schnell verlassen, wegen dieser Liebe - sie hatte es nach einem kleinen Wutanfall auch gleichgültig hingenommen und hatte sogar erzählt, dass sie sich seit neuestem eigentlich zu einer Person, dessen Geschlecht sie nicht verraten hatte, namens Rem hingezogen fühlte und dass es wohl wirklich das Beste war, wenn sie sich trennten.
Sprich hatte er seine Freundin verlassen und sich sogar psychisch damit abgefunden, auf Männer zu stehen.
Und was hatte ihm das jetzt schlussendlich eingebracht?
Schiere Eifersucht und Herzschmerz wegen einem fremden Kerl, oder sogar einer fremden Frau, am anderen Ende der Telefonleitung, dem oder der er am liebsten den Hals umdrehen wollte - auch wenn er leicht überrascht von seiner kleinen Mordsucht war. Woher die wohl kam?
Zum Glück hatte er keine Zeit mehr, um darüber nachzugrübeln - am Ende hätte der arme sich ja vielleicht wirklich noch an ein schockierendes Detail seines Lebens erinnert - da L sich anscheinend von seinem mysteriösen Gesprächspartner verabschiedet hatte und endlich sein Handy weg legte.
»Und?«, fragte der Student und versuchte seine beleidigte Stimmlage zu unterdrücken - schließlich sollte er ja eigentlich keinen Grund haben, beleidigt zu sein. Aber eigentlich war eben einfach nicht die Realität.
»Was und?«
Der Detektiv blinzelte ihn mit neutralem Gesichtsausdruck an - er wollte wohl wirklich Unschuldslamm spielen.
Na gut, dachte sich Light deshalb resigniert, dann würde er eben einfach nur den neugierigen Studenten spielen.
»Mit wem hast du telefoniert? Hast du etwa eine Freundin, von der noch keiner weiß?«
Light setzte ein neugieriges und keckes Grinsen auf und versuchte peinlichst, den auf diese Worte seinerseits Schmerz in der Brust zu ignorieren - was nicht gerade einfach war.
»Nein, Light-kun, ich habe keine Freundin. Ich habe mich nur mit einem alten Freund, mit dem ich keinen tieferen Umgang pflege, unterhalten. Meinetwegen können wir uns jetzt also ruhig wieder unserer Arbeit widmen. Kira hat zwar noch keine weiteren Morde begangen, aber wir müssen ihn immer noch fassen.«
Genau das fasste Light jetzt eben nicht - diese wenigen Sätze waren sowas von kühl und herabschätzig gewesen, dass er sich wahrhaft fragte, in was für einen Eisklotz er sich da nur verliebt hatte. (In einen süßen, das musste er zugeben.)
»Verstehe, mehr willst du also nicht erzählen? Na ja, ist schließlich auch deine Sache, sorry, ich war einfach nur neugierig. Dabei gehen mich deine Freunde ja nichts an. Also los, dann lass uns eben endlich weiter arbeiten!«
Energisch grinste Light - der Schmerz in seiner Brust war nicht gerade dezent qualvoll, sondern sogar sehr - und kam nicht umhin, sich leicht wütend zu fragen, seit wann sein Geliebter denn eigentlich Freunde hatte. Auch wenn dieser Gedanke nicht gerade nett war, wirkte es auf ihn nicht so als hätte der exzentrische, leicht verlogene und soziopathische Detektiv wirklich irgendwelche Freunde auf diesem Planeten, die fast eine ganze verdammte Stunde mit ihm telefonieren würden. Also, fragte sich der Student, während er sich mit L an die Computer zum Arbeiten begab, was für Leute könnten sonst noch infrage kommen?
Auftraggeber - immerhin war L ja ein recht angesehener Detektiv - , eventuell jemand aus seiner Familie - Hatte er überhaupt eine? - und oder wohlmöglich ein kleiner heimlicher Lover? Die letzte Vermutung schmeckte Light natürlich gar nicht. Also klammerte er sich weiter an die anderen zwei Vermutungen; ein männlicher Auftraggeber - mit dem L nur über's Telefon regen Kontakt und keine tiefere Beziehung hatte - oder etwa sein Vater oder Bruder - mit denen er wohl kaum eine Liebesbeziehung hatte: Light hielt ihn nicht für den Typ Mensch, der eventuell Inzest praktizierte. Aber konnte er das so genau wissen? Es lohnte sich also, auf diskrete Weise nachzufragen.
»Sag mal, Ryuzaki, hast du eigentlich Familie?«
Vorsichtig beugte der Student sich etwas näher zu dem Detektiv und sah jenen so unverwandt wie möglich an - er durfte sich auf keinen Fall verraten.
»Warum willst du das unbedingt wissen? Du sagstest doch vorhin erst, sowas geht dich nichts an.«
L zog eine Augenbraue hoch und musterte den Studenten mistrauisch - jener hatte sofort ein flaues Gefühl im Magen, sein Herz kloppte und es war ihm als hätte er einen riesigen Kloß im Hals, der ihm die Luft abschnürrte und wegen dem er schlicht und ergreifend nicht reden konnte.
»Na ja«, setzte er schließlich endlich an und gab sich alle Mühe, wirklich selbstsicher zu klingen - ein falsches Wort und der Detektiv stempelte ihn als verrückt und zu neugierig ab.
»Ich hab mich einfach gefragt, ob du deine Familie denn nicht vermisst, wenn du so wie jetzt gerade in einem anderen Land sitzt und wegen Ermittlungen ewig nicht weg kannst.«
Er zuckte mit den Schultern und grinste so verlegen wie nur möglich - einfach dumm und neugierig aussehen, schalt er sich innerlich.
»Wenn du es unbedingt wissen musst; nein, ich habe keine Familie und bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, weshalb ich auch viele Freunde habe. Mehr erzähle ich dir jetzt allerdings nicht - sonst kommen wir nie wieder zum Arbeiten.«
Leicht genervt wirkend - auch wenn Haltung und Gesichtsausdruck des Detektiv's so neutral wie immer waren - gähnte er und wendete sich wieder seinem Computer zu. Innerlich seufzte Light erneut auf - er musste also keine Angst mehr davor haben, dass sein Liebster heimlich Inzest vollzog. Aber das hieß dann ja wiederrum, dass L entweder Auftraggeber oder Lover hatte - letzteres war immer noch Light's persönlicher kleiner Albtraum. Also setzte er, mutig und liebeskrank wie er war, zu einer weiteren Inquisition an.
»Sag mal, Ryuzaki, ich weiß, ich nerve dich mit der ganzen Fragerei, aber nimmst du eigentlich auch Fälle von Leuten an, die dich darum bitten?«
Schnell sah Light weg und wartete mit klopfendem Herzen auf die Antwort - ja, er riskierte eben wirklich, seinen Liebsten zu nerven und von ihm wohlmöglich zum Verrückten des Monats gekührt zu werden. Aber es herrschte lange Stille - kein Wort sagte der Detektiv mehr. Jetzt war Light erst recht verwirrt. Verwundert drehte er sich also doch wieder seinem Objekt der Begierde zu und was sah er?
L war mitten während der Arbeit in seiner exzentrischen Sitzposition eingeschlafen - was Light wirklich sehr süß fand. Am liebsten hätte er ein Foto gemacht, doch er besann sich, anständig zu bleiben und L nur grinsend wie eine Braut zum Sofa zu tragen, hinzulegen und zuzudecken.
Wo hier das Bett war, hatte der Student noch nicht herausgefunden und er hatte nicht riskieren wollen, dass sein Liebster eventuell aufwachte während er ihn suchend durchs halbe Haus trug - das wäre einfach zu peinlich gewesen.
Mit einem leichten Lächeln auf dem Gesicht betrachtet er den schlafenden Detektiv, der so schön zärtlich und zerbrechlich aussah - ja, er war ihm so sehr verfallen.
Desto überraschter war er als er bemerkte, dass das Handy seines Liebsten, das einfach offen und wie auf dem Präsentierteller auf der Sofalehne lag; sicher hatte er eine Nachricht bekommen. Von seinem Lover?
Neugierig vergewisserte er sich, dass L weiterhin schlief und nahm sich sein Handy; es war nur auf Standby geschaltet, weshalb er leicht ins Menü kam und auf die Nachrichtenapp drückte, bei der ein runder Kreis mit einer Eins prankte - also wirklich eine Nachricht! Aufgeregt sah Light, dass nur ein einziger Kontakt in der Liste der App war und zwar ein gewisser Beyond. Mit dem musste L vorhin telefoniert haben!
Light's Herz klopfte wie wild als er mit mulmigem Gefühl auf den Chat klickte;

Ich liebe dich, Engelchen! ♥
war die neueste Nachricht und als er das las, drehte sich Light endgültig der Magen um - L hatte einen Lover! Namens Beyond! In ihm brannte die nackte Wut und was er jetzt tat, würde er ewif bereuen; er wollte diesem ach so tollen Beyond zu gern seine Meinung geigen! Und zwar so schnell wie möglich! Also schrieb er schnell eine Nachricht:

Ich dich doch auch! Und ich vermisse dich... Bitte komm zu mir! ♥

Light würgte kurz, da er sich vorstellte, wie L wirklich so sehnsüchtige Zeilen an diesen Mann schickte und schrieb dann noch schnell die Adresse des Ermittlungsgebäudes hinterher. Schweren Herzens schickte er die Nachricht ab und im nächsten Moment bereute er es sogleich wieder; was zum Teufel hatte er da nur getan?!
Eilig legte er des Handy zurück als er ein leises Stöhnen L's vernahm, löschte das Licht und legte sich mit klopfendem Herzen zu jenem auf die Couch - nicht das jener noch mitbekam, dass gerade er an seinem Telefon gewesen war.
Aber sofort plagten ihn wieder die Gewissensbisse; was hatte er wegen seiner blöden Eifersucht nur angestellt?!

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